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Sorgen derzeit für Störfeuer: Annalena Baerbock und Robert Habeck leisten sich viele Fehler.

© AFP

Grüne in Sachsen-Anhalt: Das schwache Ergebnis hat sich die Partei selbst eingebrockt

In Sachsen-Anhalt bleiben die Grünen hinter den Erwartungen. Auch weil der Rückenwind der Bundespartei um Kanzlerkandidatin Baerbock fehlte. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Felix Hackenbruch

Kaum war die erste Prognose aus Sachsen-Anhalt verkündet, meldete sich Friedrich Merz. An diesem Abend wollte er dringend eine Botschaft loswerden, die nichts mit seiner Partei zu tun hatte: "Heute Abend ist der Baerbock-Zug entgleist", ließ er via "Welt" mitteilen. Ähnlich wie bei SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz vor vier Jahren seien die Ambitionen der grünen Kanzlerkandidatin zum Scheitern verurteilt. Merz ist sich sicher: "Das wird nichts."

Genau diese Deutung wollen die Grünen am Wahlabend nicht zulassen. Aus Sachsen-Anhalt darf kein zweites Saarland (dort begann 2017 das Ende vom Hype um Schulz) werden und so haben sie in der Partei gleich zahlreiche Erklärungen für das schwache Abschneiden um die sechs Prozent. Die Wählerinnen und Wähler hätten aus Angst vor einer starken AfD die CDU gewählt und die knappen Umfragen hätten die Menschen verunsichert.

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Baerbock selbst sagte im ZDF, man habe in Ostdeutschland als Partei einen schwereren Stand: "Uns fehlen halt in der Parteigeschichte zehn Jahre im Vergleich zu 40 Jahren Grüne in Westdeutschland." Und die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bundestag, Katrin Göring-Eckardt, ergänzt, Sachsen-Anhalt sei für die Grünen eben schon immer "kein leichtes Pflaster" gewesen.

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Das alles mag stimmen, zur Wahrheit gehört aber auch, dass bei den Grünen in Magdeburg kein Rückenwind aus Berlin angekommen ist. Zwar hat Baerbock Magdeburg besucht, Ko-Parteichef Robert Habeck war sogar zweimal in Halle, Leuna und Wittenberg. Doch die Botschaften, mit denen die beiden Vorsitzenden in den vergangenen Tagen überregional Schlagzeilen gemacht haben, dürften auch in Sachsen-Anhalt gelesen worden sein - und wird einige Wählerinnen und Wähler zum Nachdenken gebracht haben.

Debatte über Benzin-Preise war ungeschickt

Mindestens ungeschickt war es, mitten hinein in den Wahlkampfendspurt eine Debatte über Benzin-Preise zu starten. Das gab auch Ko-Chef Robert Habeck am Wahlabend in der Sendung von Anne Will zu. Egal, wie verkürzt die anderen Parteien die Debatte aufgegriffen haben, die Forderung nach höheren Spritpreisen hat in einem Flächenland wie Sachsen-Anhalt Sprengkraft.

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"Land der Frühaufsteher", lautet der landeseigene Slogan. Oft zitiert und verlacht, basiert er auf einer Studie, wonach die Sachsen-Anhalter neun Minuten vor dem Bundesdurchschnitt aufstehen. Allerdings nicht aus Lebensfreude, sondern weil die Berufswege hier besonders weit sind. Ohne Auto geht in den allermeisten Ecken von Sachsen-Anhalt nichts. Wer da höhere Benzin-Preise verbunden mit einem verkopften und rechtlich unklaren "Energiegeld" fordert, hat das Bundesland nicht verstanden.

Hinzu kommen die andauernden Querelen, die beide Parteivorsitzenden produzieren. Habeck mit seiner unglücklichen Forderung nach Defensivwaffen für die Ukraine, die für Ärger in der eigenen Partei sorgten. Baerbock gleich mit einer Palette an Patzern: Erst die zu spät gemeldeten Nebeneinkünfte, dann ihr unpräziser Lebenslauf und wenig später auch noch unpräzise Angaben bei ihren Mitgliedschaften, was in der Summe die Frage nach der Professionalität ihrer Angestellten stellt. Fehler sind im Wahlkampf fast unvermeidbar, mangelnde Lernfähigkeit meist unverzeihbar.

Wahlkampfhelfer: Robert Habeck besuchte Sachsen-Anhalt mehrfach, Spitzenkandidatin Cornelia Lüddemann half es kaum.
Wahlkampfhelfer: Robert Habeck besuchte Sachsen-Anhalt mehrfach, Spitzenkandidatin Cornelia Lüddemann half es kaum.

© Peter Endig/dpa

Doch auch in Magdeburg wurden Fehler gemacht: Am Wahlabend veröffentlicht das ZDF eine Umfrage, wonach 75 Prozent der Befragten in Sachsen-Anhalt der Aussage zustimmt, dass es in ihrem Bundesland viel wichtigere Themen als den Klimawandel gebe. Und doch kannten die Grünen vor allem einen Wahlkampf-Schlager: Klimaschutz.

[Mehr zum Thema: Er selbst das Zugpferd, die Grünen als Schreckgespenst - so ist Haseloff die Überraschung gelungen (T+)]

Die Grünen haben Wahlkampf vorbei an den Interessen des allergrößten Teils der Wählerschaft gemacht. Das zeigt sich auch mit Blick in die Details des Wahlergebnisses. In den beiden größten Städten, Magdeburg und Halle, sind die Grünen offenbar zweistellig im Wahlergebnis, in weiten Teilen der Peripherie dagegen hat die Ökopartei nicht einmal ansatzweise die Fünf-Prozent-Hürde erreicht. Auf die Herausforderungen auf dem Land braucht es offensichtlich andere Antworten als die der Grünen.

Das Ergebnis der Grünen hat nichts mit der Parteigeschichte zu tun, wie Annalena Baerbock suggeriert. Man hat es sich mindestens in Teilen selbst eingebrockt. Nun müssen die Grünen zeigen, dass sie doch lernfähig sind. Die Sozialpolitik ebenso offensiv formulieren, wie den Klimaschutz. Dann muss aus Sachsen-Anhalt nicht ein zweites Saarland werden.

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