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Das Ausland ist neugierig auf die junge Grünen-Politikerin, die deutsche Kanzlerin werden will: Annalena Baerbock.

© John MacDougall/AFP

Grüne Außenpolitik: Nur niemanden vor den Kopf stoßen!

Annalena Baerbock präsentierte sich diese Woche als gute Freundin der Nato. Die grüne Basis aber erwartet von der Kanzlerkandidatin eine Absage an Atomwaffen. 

Von Hans Monath

Nur das englische Wort „Uighurs“ fiel Annalena Baerbock nicht ein. „In German it’s Uiguren“ („auf Deutsch heißt es Uiguren“), sagte die Grünen-Kanzlerkandidatin, als sie diese Woche in einem Videoformat der US-Denkfabrik „Atlantic Council“ über Außenpolitik und die Repression Chinas gegen die muslimische Minderheit sprach.

Ihre übrigen Argumente brachte die Parteichefin mühelos in flüssigem Englisch vor. Das können meist nur Politiker, die im Ausland studiert und in internationalen Zusammenhängen gearbeitet haben. Baerbock hatte in London ihren Abschluss als Völkerrechtlerin erworben und später als Büroleiterin einer Grünen-Abgeordneten des Europäischen Parlaments in Brüssel und Straßburg Erfahrung gesammelt.

Das Ausland schaut neugierig auf die Grünen-Politikerin

Moderator Fareed Zakaria, CNN-Talkmaster und Experte für Außenpolitik, machte schon bei der Begrüßung deutlich, wie angetan er von seiner Gesprächspartnerin ist. Kein Wunder: Auch bei vielen anderen Beobachtern aus dem Ausland ist die Neugierde auf die junge Politikerin groß, die Deutschlands nächste Kanzlerin werden will.

Mit ihrem ersten Auftritt auf dem transatlantischen Parkett als Kandidatin dürfte sich die Grünen-Chefin in Washington manche Freunde gemacht haben. Sie liegt mit ihrer Kritik am autoritären Russland, der Forderung nach einem Stopp der Pipeline Nord Stream II sowie dem Ruf nach „Dialog und Härte“ im Verhältnis zu Moskau und Peking nah an der Linie von US-Präsident Joe Biden.

Zu seiner Politik passt der Ruf der Grünen nach "Härte" im Verhältnis zu Russland und China: US-Präsident Joe Biden.
Zu seiner Politik passt der Ruf der Grünen nach "Härte" im Verhältnis zu Russland und China: US-Präsident Joe Biden.

© Brendan Smialowski/AFP

Wenige Tage zuvor hatte Baerbock bei der Bundesakademie für Sicherheitspolitik (Baks) zum gleichen Thema gesprochen. Wie auch in dem transatlantischen Format präsentierte sie sich dort mit einladender Rhetorik bestens vorbereitet, faktensicher, hellwach, charmant, aber auch hinreichend unbestimmt, um mit den außen- und sicherheitspolitischen Vorstellungen ihrer Partei niemanden vor den Kopf zu stoßen.

Zugespitzt gesagt: Sie wählte ihre Argumente so, dass auch Nato-Generäle nicht erschrecken mussten – zumindest wohl beim ersten Zuhören nicht. In beiden Formaten würdigte sie auch die Nato ausdrücklich.

Härte gegen Russland, aber kein Zwei-Prozent-Ziel für Rüstung

Dabei werfen die programmatischen Aussagen von Baerbock und ihrer Partei durchaus Fragen auf. Etwa: Hat der härtere Kurs gegenüber Moskau und Peking auch Kosten, weil Aufträge an die deutsche Wirtschaft wegbrechen? Und wer bezahlt die dann? Entscheidend für die deutsche Sicherheitsarchitektur sind die Aussagen der potenziellen Regierungspartei zur künftigen Finanzierung der Bundeswehr und zur nuklearen Teilhabe Deutschlands, also zur Frage, ob zur Abschreckung weiter US-Atomwaffen in Deutschland stationiert sein und im Ernstfall von Bundeswehr-Kampfflugzeugen ins Ziel gebracht werden sollen.

Experten sehen einen eklatanten Widerspruch zwischen dem Ruf nach „Härte“ auch gegenüber Moskau und der Absage der Grünen an die nukleare Teilhabe und an das Zwei-Prozent-Rüstungsziel der Nato, das Baerbock gern „absurd“ nennt. In der Atomwaffenfrage erteilt Baerbock im Baks-Gespräch zwar einer nationalen Lösung eine Absage: „Es ist keine deutsche Frage, es ist eine europäische und eine Bündnisfrage.“

Harte Ansagen vermied sie aber weitgehend („Die Realität ist, wie sie ist“), warb stattdessen für Fortschritte in internationalen Abrüstungsgesprächen, wie sie auch andere Parteien befürworten: „Wenn wir sagen, wir reden gar nicht drüber, werden wir abrüstungstechnisch nicht weiter vorankommen.“

Gegenüber China sollen Deutschland und Europa härter agieren, wenn es nach den Grünen geht. Würde das Präsident Xi Jinping beeindrucken?
Gegenüber China sollen Deutschland und Europa härter agieren, wenn es nach den Grünen geht. Würde das Präsident Xi Jinping beeindrucken?

© dpa

Ihre eigene Partei erwartet deutlich mehr. Als Unionsfraktionsvize Johann Wadephul (CDU) vor wenigen Wochen die nukleare Teilhabe für nicht verhandelbar erklärte, hieß es von Grünen: Kein Parteitag werde einen Koalitionsvertrag billigen, der nicht deutlich von der nuklearen Teilhabe abrücke.

In beiden Auftritten erteilte Baerbock dem Zwei-Prozent-Ziel der Nato eine Absage (sie habe Zweifel, ob es noch „state of the art“ sei, sagte sie etwa), forderte zugleich, Deutschland müsse für Europas Sicherheit mehr Verantwortung übernehmen. Offen zeigte sie sich dafür, mehr Geld für die Bundeswehr auszugeben, wenn dies nötig sei. Auch hier könnte es zum Schwur kommen: Würde die Grünen-Basis ihr tatsächlich folgen, wenn teure Rüstungsprojekte anstehen?

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Auch die deutsche US-Expertin Constanze Stelzenmüller erinnerte dieser Tage an die Macht der eigensinnigen („feisty“) Grünen-Basis. Und Thorsten Benner vom Thinktank Global Public Policy Institute warnte, die Grünen hätten viele neue Ideen, seien aber in den harten Fragen der Sicherheitspolitik „grundsätzlich auf einem völlig anderen Weg als Deutschlands wichtigste Partner“.

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