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Thomas Strobl (links), der Landesvorsitzende der CDU Baden-Württemberg, und der CDU-Fraktionschef Guido Wolf.

© Bernd Weißbrod/dpa

Grün-Schwarz in Baden-Württemberg: Die CDU schwächelt

Die baden-württembergische CDU geht geschwächt in die Verhandlungen über ein Bündnis. Das liegt auch an ungeklärten Personalien.

Als Baden-Württembergs CDU-Chef Thomas Strobl (56) am Dienstagabend in Stuttgart vor die Presse tritt, gibt er den Staatsmann. Der Heilbronner Bundestagsabgeordnete spricht über das Andenken an den verstorbenen früheren CDU-Ministerpräsidenten Lothar Späth, der das Land „wirklich vorangebracht“ habe, und gibt ein Statement zu den Terroranschlägen in Brüssel ab. Erst dann kommt er zu dem Thema, das seine Partei derzeit am meisten umtreibt und zu dem der Landesvorstand eben mit 26 zu 1 einen wegweisenden Beschluss gefasst hat: Die CDU will in ernsthafte Gespräche mit den Grünen über die bundesweit erste grün- schwarze Koalition einsteigen. Die nach dem Ausschluss anderer Bündnisoptionen durch SPD und FP einzig verbliebene Alternative Neuwahlen wäre „verantwortungslos“, sagt Strobl. Aus staatspolitischen Gründen. Aber auch, weil das „Musterländle“ damit zum „Gespött der Nation“ würde. Neben Strobl steht Guido Wolf (54), der gewesene Spitzenkandidat, der sich nach der krachend verlorenen Wahl von der CDU-Landtagsfraktion sofort wieder zum Vorsitzenden wählen ließ. Er sagt im Wesentlichen, dass es seine Fraktion genauso sehe wie der Landesvorstand.

Doch so geschlossen, wie es der gemeinsame Auftritt suggerieren soll, geht die CDU keineswegs in die schwierigen Verhandlungen mit dem bisherigen politischen Hauptgegner. Im Gegenteil. Die Partei weiß bislang weder genau, was sie inhaltlich erreichen noch wie sie ihre skeptisch bis ablehnend reagierende Basis vom Bündnis mit den Grünen überzeugen will. Ihr größtes Problem aber sind ungeklärte Personal- und Führungsfragen, die die Parteiflügel seit dem Wahldesaster in beispielsloser Weise auf offener Bühne ausgetragen haben – und die sich selbst hinter verschlossener Tür in der Sitzung des Landesvorstands spiegeln: Strobl und seinen Getreuen sitzen Wolf und dessen Unterstützer, Wahlkampfleiter Thorsten Frei, Fraktions- und Landesvize Winfried Mack sowie der Abgeordnete Claus Paal, direkt gegenüber.

Flankenschutz kann der Oberschwabe gut gebrauchen. Wolf hatte 2014 den Mitgliederentscheid um die CDU-Spitzenkandidatur gegen Strobl klar gewonnen. Er hat die Landtagswahl nun aber noch deutlicher gegen die Grünen verloren. Dass der 54-Jährige trotzdem noch in der Wahlnacht Anspruch auf den Posten des Regierungschefs in einer da schon illusionären schwarz-rot-gelben Regierung erhoben hat, sorgt intern für Aufruhr. Aber auch, dass er sich nur zwei Tage nach dem Desaster von der dezimierten Landtagsfraktion wieder zum Vorsitzenden wählen ließ – und daraus den Anspruch ableitet, als Verhandlungsführer der CDU aufzutreten.

Die Kritik kommt aus vielen Ecken, besonders vernehmbar aber aus dem Lager der Anhänger von Strobl, die in weiten Teilen identisch sind mit den Weggefährten des früheren CDU-Ministerpräsidenten und jetzigen EU-Kommissars Günther Oettinger. So forderte als erster Kreisverband die CDU Neckar-Odenwald Wolfs Rückzug. Dort sitzt Peter Hauk im Vorstand, ein alter Oettinger-Kumpel, der Wolf Anfang 2015 den Fraktionsvorsitz überlassen musste.

In der ersten Fraktionssitzung nach der Wahl legte Willi Stächele, Oettingers früherer Staatsminister, Wolf den Rücktritt nahe. Und in der Frage, wer die CDU-Delegation in den Verhandlungen führe, wies der Landeschef der CDU-Sozialausschüsse, Christian Bäumler, den Oberschwaben öffentlich in die Schranken.

Wolf macht sich weiter Hoffnungen auf einen Ministerposten

Zu Wolfs Unterstützern zählen dagegen immer noch viele Landtagsabgeordnete, zuvorderst die Verkehrsexpertin Nicole Razavi und der Fraktions- und Landesvize Winfried Mack. Sie hatten schon beim Mitgliederentscheid 2004 über die Nachfolge des CDU-Ministerpräsidenten Erwin Teufel auf Oettingers letztlich aussichtslose Gegenkandidatin Annette Schavan gesetzt und standen später auf der Seite von Stefan Mappus, dem langjährigen Oettinger-Gegenspieler und Kurzzeitministerpräsidenten. In ihren Reihen hält sich die Hoffnung, dass, wenn Grün-Schwarz platzen sollte, die SPD doch noch für eine Deutschland-Koalition bereitstünde. Vereinzelt werden sogar Neuwahlen für die bessere Option gehalten – mit dem Hinweis, dass im Oktober das Flüchtlingsthema keines mehr sein könnte.

Der Absturz der über Jahrzehnte auf Erfolg abonnierten Partei auf 27 Prozent reißt damit alte Gräben wieder auf. Hier der gesellschaftspolitisch liberale, urbane, grünen-freundliche Flügel, den nun Strobl anführt – dort der konservative, ländlich geprägte Teil, der weiter auf Wolf setzt.

Zu den alten Wunden kommen neue hinzu: Die Landtagsabgeordneten, die beim Mitgliederentscheid mit großer Mehrheit für Wolf getrommelt hatten, sehen in der Berliner Politik den Hauptschuldigen der Wahlmisere. Ihren von Strobl angeführten baden-württembergischen Kollegen im Bundestag halten sie vor, Kanzlerin Angela Merkel nicht von ihrem Flüchtlingskurs abgehalten zu haben. Die „Berliner“ wiederum, die mehrheitlich einen Spitzenkandidaten Strobl präferiert hätten, lasten die Niederlage vorrangig taktischen Fehlern von Wolf an.

Die jüngsten Auftritte deuten darauf hin, dass Strobl gewillt sein könnte, am Ende als Vize- Ministerpräsident einer grün-schwarzen Regierung von Berlin nach Stuttgart zu wechseln. „Erst das Land, dann die Partei, zum Schluss die Person – das ist meine Leitlinie“, hält sich Strobl am Mittwoch im Gespräch mit dem Tagesspiegel in eigener Sache indes bedeckt. Ein Wechsel wäre für ihn nicht ohne Risiko: Als CDU-Bundesvize, Bundestagsabgeordneter und Chef der CDU-Landesgruppe im Bundestag ist er in Berlin eine feste Größe. In Stuttgart müsste er seine Rolle erst finden und sich mit der konservativ grundierten Fraktion verständigen – die eventuell weiter von Wolf angeführt wird.

Der scheint die Hoffnung, selbst Minister zu werden, noch nicht aufgegeben zu haben. Auffällig betont er den Wunsch der CDU, ein starkes Wirtschafts- und Infrastrukturministerium zu schaffen.

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