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Facebook gehört neben Google, Amzon und Apple zu den global agierenden Digitalkonzernen, die auch bei der Steuervermeidung höchst innovativ sind.

© Christoph Dernbach/dpa

Großkonzerne: Wie eine faire internationale Besteuerung funktionieren kann

Die Verhandlungen über eine globale Mindestbesteuerung laufen bereits auf Hochtouren. Denn nationale Alleingänge sind nicht der beste Weg. Ein Gastbeitrag.

Die Globalisierung der Wirtschaft hat wachsenden Wohlstand in vielen Teilen der Welt ermöglicht, das wissen viele Bürgerinnen und Bürger. Die fragwürdige Steuermoral gar nicht weniger global agierender Konzerne ärgert sie aber auch. Zu Recht.

Wer florierende Geschäfte in der internationalen Wirtschaft macht, hat auch die Pflicht, sich an der Finanzierung unserer Gemeinwesen zu beteiligen, die diese Geschäfte überhaupt erst möglich machen. Und er muss sich einem fairen Wettbewerb mit den Unternehmen stellen, die ehrlich ihre Steuern entrichten.

Steuervermeidung und Gewinnverlagerung sind internationale Probleme. Deshalb sind nationale Alleingänge nicht der beste Weg. Mehr Erfolg versprechen internationale Antworten. Die Durchsetzung einer fairen internationalen Steuerordnung ist eine der zentralen Aufgaben der Finanzpolitik unserer Zeit. Es geht um den Nachweis, dass die demokratische Politik nicht kapituliert, auch nicht vor gewieften Konzernen.

Steuervermeidung und Gewinnverlagerung sind internationale Probleme

Unsere Bemühungen zeigen erste Früchte: In der EU haben Deutschland und Frankreich vorgeschlagen, gemeinsame Regeln zu entwickeln, nach denen die Körperschaftssteuer bemessen wird. Mit Paris ist es ebenfalls gelungen, bei der lange blockierten Finanztransaktionssteuer entscheidend voranzukommen. In Deutschland haben wir striktere Regelungen gegen den Umsatzsteuerbetrug beim Onlinehandel erlassen. Und noch dieses Jahr werden wir beschließen, dass Steuersparmodelle bei den Behörden angezeigt werden müssen, damit der Staat schneller darauf reagieren und ungewollte Praktiken beenden kann.

Nun muss der nächste wichtige Schritt folgen. Viele große Digitalkonzerne sind dafür bekannt, dass sie technologisch innovativ sind; etwas weniger bekannt ist, wie innovativ sie auch hinsichtlich der Steuervermeidung sind. Und nicht nur sie allein, viele international aktive Konzerne betrifft dies, egal ob digital oder nicht. Deutschland muss dabei klug agieren, damit wir eine Antwort finden, die unserer Industrie und unserem Land nicht schadet. Denn eine grundsätzliche Neuverteilung der Besteuerungsrechte weg von der Produktion hin zum Ort des Konsums, wie mancherorts diskutiert wird, würde Deutschland als Exportland schaden. Eine solche Neuverteilung führte zu drastischen Mindereinnahmen im Milliardenbereich.

Deutschland und Frankreich haben die Initiative ergriffen

Mit meinem französischen Amtskollegen Bruno Le Maire habe ich die Initiative für eine internationale Mindestbesteuerung ergriffen. Die Idee ist simpel: Die Staaten einigen sich auf einen weltweiten Mindestbesteuerungssatz. Der Steuerwettbewerb wird damit nicht abgeschafft. Länder würden das Recht erhalten, diesen Steuersatz zu unterbieten, um attraktiv zu sein für Konzerne. Andere Staaten erhielten aber im Gegenzug das Recht, Gewinne, die in ihren Ländern erwirtschaftet werden, mit der Differenz zu besteuern.

Frankreichs Finanzminister Bruno Le Maire and sein deutscher Amtskollege Olaf Scholz aarbeiten gemeinsam an einer internationalen Steuerpolitik.
Frankreichs Finanzminister Bruno Le Maire and sein deutscher Amtskollege Olaf Scholz aarbeiten gemeinsam an einer internationalen Steuerpolitik.

© Eric Vidal/REUTERS

Ein Beispiel: Der Konzern K hat seinen Hauptsitz in der Karibik und versteuert dort seinen Gewinn. Der Steuersatz liegt um sechs Prozentpunkte unter dem vereinbarten weltweiten Mindeststeuersatz. Ein Tochterunternehmen von K sitzt in Erlangen. Die Gewinne, die bei der Tochter anfallen und eigentlich nur dem niedrigen Steuersatz unterliegen, der im Karibik-Staat gilt, kann der deutsche Fiskus mit den fehlenden sechs Prozentpunkten besteuern. Damit würden wir sicherstellen, dass auch internationale Konzerne ihren Anteil an der Finanzierung unseres Gemeinwesens leisten.

Eine Utopie? Nein, die internationalen Verhandlungen über diese globale Mindestbesteuerung laufen bereits auf Hochtouren. Deutschland hat den Vorsitz in der entsprechenden Arbeitsgruppe der Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) übernommen und findet dort sehr viel Unterstützung. Das Thema wird bei den anstehenden G20- und G7-Treffen diskutiert. Und im Sommer 2020 wollen wir gemeinsam mit den anderen 128 OECD-Staaten das System der internationalen Mindestbesteuerung beschließen.
Olaf Scholz (SPD) ist Bundesfinanzminister.

Olaf Scholz

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