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US-Präsident Joe Biden ist seit zehn Monaten im Amt.

© ROBERTO SCHMIDT/AFP

Großer Reformpräsident oder lahme Ente?: Viel Zeit bleibt Joe Biden nicht mehr

Die Beliebtheitswerte von Joe Biden sind im Keller. Damit sich das ändert, braucht er schnell weitere Erfolge bei seiner Reformagenda. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Juliane Schäuble

Der Blick auf die neuesten Meinungsumfragen könnte dem Weißen Haus den Wochenauftakt verdorben haben. Die Zustimmung zu US-Präsident Joe Biden ist bei einer Erhebung der Zeitung „USA Today“ und der Suffolk University auf 38 Prozent gefallen. Die Arbeit seiner Vizepräsidentin Kamala Harris wird sogar nur von 28 Prozent gutgeheißen.

Dramatische Werte, die allerdings, und das ist die gute Nachricht, direkt nach den verheerenden Wahlergebnissen vor allem in Virginia und – besonders wichtig – vor Freitag erhoben wurden.

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Der 5. November könnte im Rückblick als ein Wendepunkt bewertet werden. An dem Tag konnte Biden nicht nur endlich mal positive Arbeitsmarktzahlen kommentieren. Am späten Abend bescherte ihm das Repräsentantenhaus zudem seinen bisher größten parlamentarischen Erfolg: Mit 13 Stimmen aus der republikanischen Fraktion beschloss die Kongresskammer sein Infrastrukturpaket und machte damit den Weg frei für dringend benötigte Investitionen in Straßen, Brücken, den Breitbandausbau und Energieversorgungsnetze.

Obwohl viele Ausgaben bei der Kompromisssuche aus dem Paket rausgefallen sind, umfasst es immer noch 1,2 Billionen Dollar.

Als nächstes geht es um das Sozial- und Klimapaket

Gelingt es Biden, in den kommenden Wochen auch sein noch größeres Sozial- und Klimapaket durch den Kongress zu bringen, kann sich der Demokrat zurecht in die Riege großer Reformpräsidenten einreihen. Allerdings muss er dafür noch einmal all sein Verhandlungsgeschick aufbringen, vor allem mit Blick auf seine eigene Partei.

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Und es muss schnell gehen: Derzeit spricht vieles dafür, dass die Mehrheit im Repräsentantenhaus und womöglich sogar im Senat nach den Zwischenwahlen 2022 Geschichte ist.

Ein Jahr ist es her, dass Biden die Wahl mit dem Versprechen gewonnen hat, die Pandemie, die Wirtschaftskrise und generell das Chaos zu beenden, das sein Vorgänger Donald Trump hinterlassen hatte. Nach schwierigen Monaten, in denen die Delta-Variante die Anfangserfolge der neuen Regierung gefährdete, ihr schwere außenpolitische Fehler unterliefen und die Amerikaner unter steigenden Lebenshaltungskosten ächzten, sind viele Wähler enttäuscht.

[Lesen Sie hier zudem ein Porträt der US-Vizepräsidentin: Scheitert Kamala Harris an den enormen Erwartungen? (T+)]

Gar nicht wenige sind, wie Virginia zeigt, schon wieder bereit, das Trump-Trauma zu verdrängen und die Lager zu wechseln.

Die Botschaft an die Regierung ist: Die Wähler wollen, dass Washington mehr für sie tut. Angesichts dessen ist Biden offenbar bereit, Tempo und Druck zu erhöhen, besonders im Kampf gegen die Pandemie. Seit kurzem werden etwa Fünf- bis Elfjährige geimpft.

Ob die ab 4. Januar geplante Impf- und Testpflicht für Unternehmen mit mehr als 100 Mitarbeitern vor Gericht Bestand hat, ist offen. Doch kommt sie durch und verbessert sich damit die Pandemie-Lage, wie Biden es versprochen hat, muss er sich um seine Beliebtheit bald weniger Sorgen machen.

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