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Bundeskanzlerin und CDU-Chefin Angela Merkel mit den Ministern und Staatssekretären ihrer Partei für eine möglichen neuen großen Koalition mit SPD und CSU, von links nach rechts: Hendrik Hoppenstedt (Staatsminister für die Zusammenarbeit von Bund und Ländern), Anja Karliczek (Ministerin für Bildung und Forschung), Annegret Kramp-Karrenbauer (Generalsekretärin), Peter Altmaier (Wirtschaftsminister), Ursula von der Leyen (Verteidigungsministerin), Jens Spahn (Gesundheitsminister), Julia Klöckner (Agrarministerin), Helge Braun (Kanzleramtsminister), Monika Grütters (Staatsministerin für Kultur und Medien) und Annette Widmann-Mauz (Staatsministerin für Integration im Kanzleramt).

© Laurence Chaperon/CDU/dpa

Große Koalition: Wie die CDU die Regierung verjüngt

Der Bundesparteitag der CDU soll an diesem Montag dem Koalitionsvertrag mit der SPD zustimmen. Die Themen sind längst bekannt - die CDU-Minister jetzt auch.

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Kein „Weiter so“. So war es Angela Merkel aus ihrer eigenen Partei entgegengeschallt, als sie Anfang Februar die Verhandlungen mit der SPD zum Vertrag für die große Koalition abgeschlossen hatte und nicht nur der Verlust des Finanzministeriums für die CDU, sondern auch die ersten Namen für das Kabinett bekannt wurden. Nach zwölf Jahren tritt Merkel, wenn die Koalition zustande kommt, ihre mutmaßlich letzte Amtsperiode an, und die CDU drängt auf personelle Signale für ihre Nachfolge.

An diesem Montag soll ein Sonderparteitag der CDU dem Koalitionsvertrag zustimmen, und die Parteichefin löste am Sonntag die Zusage ein, vorher ihre Personalpläne bekannt zu geben. Ein erstes Signal sandte Merkel schon vergangene Woche: Die bisherige saarländische Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer soll neue Generalsekretärin werden. Mit ihrer Personalliste für das Kabinett, die Merkel am Sonntag Präsidium und Vorstand der Partei vorlegte, macht die CDU-Vorsitzende deutlich, dass sie nicht nur mit Erfahrenen und Jüngeren regieren will, sondern auch ihren innerparteilichen Kritikern entgegenkommt.

Die wichtigste Personalie in diesem Sinn: Jens Spahn soll Gesundheitsminister werden. Der 37 Jahre alte Münsteraner gilt als profiliertester Kritiker Merkels. Insbesondere nach 2015 greift Spahn die Unzufriedenheit vieler CDU-Mitglieder mit dem Flüchtlingskurs der Kanzlerin auf und thematisiert eine fehlende konservative Ausrichtung. Mal steht er für ein Verschleierungsverbot, mal fordert er eine Auseinandersetzung mit dem Islam in einem eigenen Gesetz. Mit der Ablehnung der doppelten Staatsbürgerschaft gelang es dem CDU-Präsidiumsmitglied, einen ganzen CDU-Parteitag für sich einzunehmen und in Opposition zur Parteivorsitzenden zu bringen.

Vor allem unter den jüngeren CDU-Politikern gilt Spahn als Garant für eine stärkere Pointierung von Positionen der CDU. In der Bundestagsfraktion hatte sich Spahn als Gesundheitspolitiker einen Namen gemacht und als Staatssekretär im Finanzministerium von Wolfgang Schäuble erste Regierungserfahrung gesammelt.

Fachlich betrachtet ist Jens Spahn allererste Wahl

Zwar hätte Merkel auch den bisherigen Amtsinhaber Hermann Gröhe auf dem Posten belassen können, mit dem sie in der Branche so zufrieden sind, weil er keinem auf die Füße trat und alle Konflikte mit Geld zuschütten konnte. Doch die Arbeitsanweisung für die vergangene Legislatur, für all das, was Gröhe in den vier Jahren gesetzestechnisch abgearbeitet hat, stammte aus Spahns Feder. Zusammen mit seinem Kompagnon und Widersacher Karl Lauterbach (SPD) hatte der damals 33-Jährige den gesundheitspolitischen Teil des Koalitionsvertrages derart detailgenau verfasst, dass es koalitionspolitisch auf diesem hochexplosiven Feld fürs Erste kaum noch Streitereien gab.

Zehn Jahre lang, von 2005 bis 2015 prägte der Münsterländer die Gesundheitspolitik der Unionsfraktion. Die Lücke, die er dort hinterließ, als ihn sein Mentor Schäuble vor drei Jahren ins Finanzministerium holte, ist nach wie vor nicht geschlossen. Aber Spahn hatte auch eine Enttäuschung zu verkraften. Als er 2013 wieder nicht Minister wurde, obwohl sich die CDU das Ressort von der FDP zurückerobert hatte, rächte sich der Übergangene mit parteipolitischem Aufstieg und drängte sich ins CDU-Präsidium. Auch dort musste ein gewisser Gröhe abtreten.

Dabei konnte Spahn auch als Finanzstaatssekretär von seinem Ursprungsberitt nicht lassen. 2016 veröffentlichte er mit zwei Medizinern ein Buch voller provokanter Thesen zur digitalen Medizin. „Datenschutz ist was für Gesunde“, heißt es darin etwa. Dass Apps und Smartphones die Patientenbehandlung revolutionieren könnten, dass die verschlafene Selbstverwaltung hier endlich mal zu Potte kommen müsse. Als Minister darf Spahn bei der überfälligen Digitalisierung nun den Antreiber spielen, kann sich profilieren, wird aber auch an den Ergebnissen gemessen werden. Spannend wird etwa, ob und wie er parallel dazu das Versandhandelsverbot für verschreibungspflichtige Arznei via Internet durchsetzen will, das ihm Gröhe hinterlassen hat.

Interessant könnte auch werden, wie sich der Neue zum SPD-Anliegen einer Bürgerversicherung positioniert. Denn Spahn ist hier nicht nur der konservative Hardliner, den viele in ihm sehen. 2012 schon attackierte er das Doppelsystem aus gesetzlicher und privater Krankenversicherung. Die Trennung lasse sich „nur noch historisch begründen“, sagte er. Sie fände „nicht einmal mehr auf einer CDU-Mitgliederversammlung eine Mehrheit“.

Peter Altmaier ist auch für die Energiewende verantwortlich

Dass Peter Altmaier nächster Wirtschaftsminister werden soll, ist keine echte Überraschung. Nachdem Merkel am Ende der Koalitionsverhandlungen von CSU und SPD, also von zwei Seiten, unter Druck stand und zur Rettung der Koalitionsoption das Finanzministerium abgeben musste, war rasch klar, dass der bisherige Kanzleramtschef als einer ihrer engsten Vertrauten ein anderes wichtiges Ressort erhalten muss. Der 59-jährige Saarländer soll nicht nur an die Spitze eines Ministeriums, das lange als Kernressort der Marktwirtschaftspartei CDU galt.

In seine Verantwortung werden auch die Organisation der Energiewende und wahrscheinlich der Digitalisierung fallen – zweier politischer Aufgaben also, die für die wirtschaftliche Zukunft des Landes und das Ansehen der Partei gleichermaßen wichtig sind. Schließlich hatte Merkel die CDU einst auch mit dem Atomausstieg irritiert und steht seither in der Verantwortung, die Richtigkeit dieser Grundsatzentscheidung zu belegen.

Ursula von der Leyen macht weiter

Vor vier Jahren war die Berufung von Ursula von der Leyen zur Verteidigungsministerin noch eine kleine Sensation. Die erste Frau in diesem Amt hatte versprochen, die nach dem Ende der Wehrpflicht verunsicherte Bundeswehr zu stabilisieren. Leyen trat für eine Modernisierung des Heeres ein, organisierte die Beschaffungsstrukturen neu. Obwohl die Meldungen von kaputten Panzern seither nicht weniger wurden und Leyen zuletzt der Bundeswehr auch „fehlende Haltung“ vorwarf, konnte sie sich Merkels Unterstützung sicher sein. Die Kanzlerin traut der 59-Jährigen offenbar zu, die Probleme der Bundeswehr in den Griff zu bekommen, und gibt ihr dazu eine zweite Amtszeit.

Betriebswirtin, touristischer Familienbetrieb, parlamentarische Geschäftsführerin- und jetzt Bildungsministerin: Anja Karliczek

Überraschende Wendung: Mit der nordrhein-westfälischen Bundestagsabgeordneten Anja Karliczek beruft Merkel eine bisher noch Unbekannte in ein wichtiges Ressort und macht sie zur Bildungsministerin. Die 46 Jahre alte Politikerin war erst vor wenigen Wochen zur Parlamentarischen Geschäftsführerin der Bundestagsfraktion gewählt worden, ist Betriebswirtin, hat im touristischen Familienbetrieb gearbeitet und bisher keine erkennbare Berührung mit Bildungs- und Forschungsthemen.

Julia Klöckner soll die ländlichen Räume absichern

Das Landwirtschaftsministerium gilt nicht gerade als prestigeträchtiges Haus. Seit jedoch in der CDU-Zentrale klar ist, dass es insbesondere die eigenen Wähler sind, die der Politik den Rücken kehren, weil ländliche Räume im Wettstreit mit den Städten ins Hintertreffen geraten, wird einer Landwirtschaftsministerin die Aufgabe der Machtsicherung in den Gemeinden zugemessen und die Rheinland-Pfälzerin Julia Klöckner als ideale Besetzung angesehen. Die 45-Jährige war von 2009 bis 2011 schon als Parlamentarische Staatssekretärin in dem Ministerium tätig. Und sie hat in ihrer Heimat im Landtagswahlkampf bewiesen, dass sie einen Draht zu den Menschen in ländlichen Regionen hat. Der Deutsche Bauernverband hat ihre Benennung als Bundesagrarministerin schon begrüßt: „Ich freue mich sehr über diese Entscheidung“, sagte Bauernpräsident Joachim Rukwied am Sonntagabend. Klöckner sei „eine ausgewiesene Expertin im Bereich Landwirtschaft“. Zudem trage das Landwirtschafts-Kapitel im Koalitionsvertrag von Union und SPD „in großen Teilen ihre Handschrift“, sagte Rukwied.

Für Klöckner gilt das Gleiche wie für Spahn: Beide sind jung, in der Parteispitze verankert und können nun in Ministerämtern beweisen, dass sie zu Höherem taugen.

Im Kanzleramt gehören Helge Braun, Annette Widmann-Mauz und Monika Grütters zum Team der Kanzlerin

Die Staatssekretärin für Kultur und Medien, die Berlinerin Monika Grütters (56), soll ihr Amt behalten. In der Kulturszene genießt sie Vertrauen und Anerkennung für ihre Arbeit in dem Amt.

Auch der 45 Jahre alte Helge Braun gehört zu denen, die nun ihre Führungsbefähigung unter Beweis stellen können. Als Staatssekretär im Kanzleramt hat er in den zurückliegenden Jahren insbesondere in der Flüchtlingskrise die Regierungspolitik koordiniert. Nun soll er Kanzleramtschef werden und damit Merkels wichtigster Mann bei der Organisation der Politik in der Regierung.

Zunächst sah es so aus, als ob Annette Widmann-Mauz zur Gesundheitsministerin aufsteigen würde. Das schien folgerichtig, ist sie doch in dem Ressort bereits acht Jahre lang Staatssekretärin und gilt als fachlich kompetent. Stattdessen soll die 51-Jährige aus Tübingen nun Integrationsbeauftragte im Kanzleramt im Range einer Staatssekretärin werden. Widmann-Mauz ist Chefin der Frauen- Union und genießt Merkels Vertrauen. Ihr Job ist klar: Absicherung des Flüchtlingskurses der Kanzlerin.

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