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Wenn Politiker von Union und SPD miteinander reden, ist der Ton zunehmend gereizt.

© Carsten Rehder,dpa

Große Koalition: Union und SPD streiten über Wehretat und Grundrente

Die Sozialdemokraten tragen ihre Lieblingsprojekte kämpferisch vor. Der Koalitionspartner nimmt den Fehdehandschuh auf. Der Ton klingt schon wie Wahlkampf.

Von Robert Birnbaum

Johannes Wadephul ist im Prinzip ein friedlicher Zeitgenosse, aber wenn der Chef-Sicherheitspolitiker der Unionsfraktion auf den Koalitionspartner zu sprechen kommt, wird sein Tonfall leicht gereizt. Demnächst wird der Haushaltsplan für den Rest der Wahlperiode aufgestellt.

Wadephul hat den begründeten Verdacht, dass Finanzminister Olaf Scholz dabei die Bundeswehr knapp halten will – zugunsten anderer, nämlich sozialdemokratischer Lieblingsprojekte. Die stellen SPD-Minister in jüngster Zeit sehr kämpferisch vor. Die Union geht jetzt genervt zur Gegenoffensive über.

Heils Vorstoß bei der Rente

„Es ist immer verlockend für Politiker, Versprechungen zu machen, die das Leben kurzfristig angenehmer machen“, schimpft Wadephul. Das zielt auf den Sozialdemokraten, der den Krieg der Konzepte eröffnet hat. Arbeitsminister Hubertus Heil ließ bei den Eckpunkten für die – im Koalitionsvertrag vereinbarte – Mindestrente kurzerhand die dort ebenfalls festgeschriebene Bedürftigkeitsprüfung weg. Arme Rentner nicht aufs Sozialamt zu schicken sei eine Frage des Respekts, erklärte Heil.

CDU und CSU intervenierten erfolglos im Koalitionsausschuss. CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer nahm danach den Fehdehandschuh auf. Dass die Union einer Grundrente zustimmen könnte, „die ohne jede Form einer Bedürftigkeitsprüfung auskommt“, schließe sie aus, sagte die Parteivorsitzende kürzlich dem RND. Eine Aufstockung niedriger Renten auch bei Menschen, die durch Partner oder eigenes Vermögen abgesichert sind, komme nicht in Frage.

Dahinter steckt auch ein Streit ums Geld. Bei einer Prüfung der Bedürftigkeit nach den Kriterien für die Grundsicherung würde die Grundrente den Bund etwa 500 Millionen Euro kosten. Heils Vorgehen erforderte wohl rund fünf Milliarden Euro – das Zehnfache.

Dass Scholz dem Parteifreund die Milliarden nicht nur öffentlich zugesagt, sondern dessen Projekt auch noch zur ersten Priorität erklärt hat, erbost die Union fast noch mehr als Heils nicht abgesprochenes Vorgehen selbst. „Prioritär“, zitiert Wadephul aus dem Koalitionsvertrag, sollten zusätzliche Einnahmen schließlich in die Verteidigungs- und – parallel dazu – die Entwicklungspolitik fließen.

Leyen hat andere Vorstellungen

Die Eckwerte des Finanzministers lesen sich aber völlig anders. Wenn am 20. März das Bundeskabinett nicht nur den Entwurf für den Etat 2020, sondern auch die Finanzplanung bis 2023 beschließen soll, will Scholz den Wehretat mittelfristig um gerade mal 3,3 Milliarden Euro steigen lassen. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen hat da deutlich andere Vorstellungen: Um die Ausrüstungsmängel bei der Bundeswehr abzustellen und geplante Großprojekte vom Mehrzweckkampfschiff bis zu einem neuen schweren Transporthubschrauber zu verwirklichen, hat die CDU-Politikerin bis 2023 einen Bedarf von gut 28 Milliarden Euro angemeldet.

Dass Wunsch und Kassenlage auseinander klaffen, ist nicht ungewöhnlich. Aber hinter dieser Lücke steckt der nächste Koalitionskonflikt. Die Bundesregierung hat unlängst der Nato versichert, dass sie bis 2024 zwar nicht das Ziel von zwei Prozent Wehrausgaben gemessen am Bruttosozialprodukt erfüllt, aber wenigstens 1,5 Prozent. Bei Leyens Forderung nach einem linearen Aufwuchs würde die Marke 2023 knapp erreicht. Nach Scholz’ Angebot wäre Deutschland von seiner Selbstverpflichtung mit 1,23 Prozent weit entfernt.

Vor dem Ausstieg aus der Koalition?

Da müsste dann von einem Jahr aufs nächste ein Goldregen das 1,5-Prozent-Wunder ermöglichen. Auf den will die Union nicht setzen. Wer vom Multilateralismus rede, sagt Wadephul, müsse dann auch in der Praxis dazu stehen. Nicht nur die USA, auch die kleineren Nato-Partner erwarteten „zu Recht“, dass das große Deutschland seinen Beitrag zur gemeinsamen Sicherheit leiste. Und „verantwortliche Politiker“ müssten den Bürgern erklären, dass Frieden und Freiheit in Europa einen Preis forderten.

Im Prinzip bestreitet das bei der SPD niemand. Außenminister Heiko Maas beklagte am gleichen Tag auf Besuch bei der Bundeswehr in Mali, die Armee sei „kaputtgespart“ worden und Besserung „total überfällig“. Aber schon in Heils Grundrente steckt recht unverhohlen der Nebenzweck, der SPD Gründe für einen Ausstieg aus der großen Koalition zu liefern. „Rente oder Rüstung“ ergäbe gleich einen ganzen Wahlkampf. Wenn die SPD dann noch das Klimagesetz ihrer Umweltministerin Svenja Schulze dazu packt und die Union im Gegenzug die Forderung nach der kompletten Abschaffung des Solidaritätszuschlags hochhält, wäre im Bedarfsfall alles für die finale Koalitionskrise angerichtet.

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