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Brexit Minister Dominic Raab im britischen Unterhaus.

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Update

Großbritannien: Chaos im britischen Parlament bei Vorstellung des neuen Brexit-Plans

Nach der Rebellion in ihrem Kabinett hat die britische Premierministerin ihren Brexit-Plan am Donnerstag ins Unterhaus eingebracht. Die Sitzung musste vorübergehend unterbrochen werden.

In einer turbulenten Parlamentssitzung hat der neue Brexit-Minister Dominic Raab die Pläne Londons für die künftigen Beziehung mit der EU nach dem Brexit vorgestellt. Oppositionsabgeordnete beschwerten sich am Donnerstag massiv, weil sie vorab keine Kopien des 100 Seiten starken Weißbuchs erhalten hatten, die Sitzung musste kurzzeitig unterbrochen werden. Zudem veröffentlichten eine konservative Webseite fast zeitgleich alternative Pläne, die angeblich noch unter Federführung des Vorgängers Raabs, David Davis, entworfen wurde. Davis und auch Außenminister Boris Johnson hatten im Streit um die neuen Pläne am Montag ihr Amt niedergelegt. Sie fürchten, dass Großbritannien mit der neuen Strategie zu eng an die EU gebunden bleibt.

Im Kern des neuen Regierungsplans steht eine Freihandelszone, die den freien Warenverkehr zwischen dem Kontinent und Großbritannien garantieren soll. Dafür will sich Großbritannien auch künftig an europäische Regeln und Produktstandards halten. In Sachen Dienstleistungen, zum Beispiel für Banken und Versicherungen, will Großbritannien aber eigene Wege gehen und akzeptieren, dass der Zugang zum Binnenmarkt in Zukunft eingeschränkt sein wird. Das Land will aber auch die unkontrollierte Zuwanderung von EU-Bürgern unterbinden.

Die im Weißbuch geäußerten Vorstellungen zielen offenbar auch darauf ab, feste Grenzkontrollen zwischen dem britischen Nordirland und dem EU-Mitglied Irland zu verhindern. Die erste Reaktion der irischen Regierung fiel positiv aus. Außenminister Simon Coveney sagte, dass es zu einem harten Brexit ohne jede Vereinbarung komme, sei nun sehr unwahrscheinlich. Die neue britische Position sei ein Fortschritt.

Die Kritiker des Vorhabens sitzen nicht nur in der Opposition, sondern auch in Mays eigener Partei. Brexit-Hardliner werfen der Premierministerin vor, einen echten Bruch mit der EU zu scheuen und den Brexit zu verwässern. Außenminister Boris Johnson und Brexit-Minister David Davis waren deshalb unter Protest zurückgetreten. Johnson hatte kritisiert, Mays Plan sehe für Großbritannien den "Status einer Kolonie" der EU vor.

May: „Richtiger Deal für Großbritannien“

Premierministerin Theresa May verteidigte ihren neuen Plan für den Brexit in einem Zeitungsbeitrag. Sie sei überzeugt, dass dies „der richtige Brexit-Deal für Großbritannien“ sei, schrieb sie am Donnerstag in der Boulevardzeitung „The Sun“. „Nur unser Brexit-Deal für Großbritannien respektiert wirklich den Willen des britischen Volks.“
Die von der EU bevorzugte Variante - ein Standard-Handelsabkommen für Großbritannien mit Nordirland - werde das Land zerbrechen, schrieb May. Ihr Plan dagegen werde unter anderem dafür sorgen, dass nicht länger Jobsuchende aus ganz Europa unkontrolliert nach Großbritannien einreisten. Großbritannien, nicht Brüssel, werde entscheiden, wer im Land leben und arbeiten dürfe. Auch seine Handelspolitik werde das Land komplett in die eigenen Hände nehmen. Details des neuen Brexit-Plans wollte die Regierung am Donnerstag vorstellen.

Fraglich ist, wie die EU auf die Pläne reagiert. EU-Chefunterhändler Michel Barnier twitterte am Donnerstag, man werde das Weißbuch nun „im Lichte der Richtlinien der EU-Kommission mit den Mitgliedsstaaten und dem Europäischen Parlament“ analysieren. Das Angebot der EU sei ein Freihandelsabkommen „plus eine effektiven Zusammenarbeit auf einem breiten Feld von Themen einschließlich einer starken Sicherheitszusammenarbeit“.

Bundesfinanzminister Olaf Scholz reagierte kühl auf die Vorschläge aus London. Er bedauere, dass es "jetzt sehr schwierig wird für das Finanzsystem in Großbritannien", sagte Scholz vor einer regulären Sitzung der Euro-Finanzminister in Brüssel. Klar sei aber, dass die EU ihre eigenen Entscheidungen in den etablierten Institutionen treffen müsse. "Da kann es dann nicht weitere Gesetzgeber außerhalb geben."

Trump zweifelt an Brexit-Kurs

Vor seinem Besuch in London hat US-Präsident Donald Trump Zweifel am Brexit-Kurs der britischen Regierung erkennen lassen. Er sei sich nicht sicher, ob die Brexit-Pläne von Premierministerin Theresa May dem Votum der Briten beim Referendum vor zwei Jahren gerecht würden, sagte Trump am Donnerstag in Brüssel.

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"Ich weiß nicht, ob es das ist, wofür sie gestimmt haben", sagte Trump mit Blick auf das Brexit-Referendum. "Das Volk hat für einen Bruch gestimmt." Die britische Regierung aber werde "vielleicht einen etwas anderen Kurs einschlagen". Dass sich ein Staatsgast derart deutlich zu einer innenpolitischen Debatte des Gastlands äußert, gilt in der internationalen Diplomatie als sehr unüblich.

Trump hatte sich wiederholt als Befürworter des Brexit zu erkennen gegeben. Multilaterale Politikinstitutionen wie die EU sind ihm ein Gräuel. US-Medienberichten zufolge soll Trump dem französischen Präsidenten Emmanuel Macron bei einem Treffen im April nahegelegt haben, die EU ebenfalls zu verlassen. (dpa, AFP, Reuters)

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