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Die syrischen Truppen greifen die Region massiv aus der Luft an.

© Mohamad Abbazeed/AFP

Großangriff auf Rebellenhochburg Daraa: Für Assad ist der Sieg in Syrien zum Greifen nah

Syriens Armee hat einen Großangriff in Daraa gestartet. Dort begann 2011 der Aufstand gegen Präsident Assad. Jetzt sind 150.000 auf der Flucht.

Mit einem Großangriff auf die letzte Bastion der Rebellen im Süden Syriens rückt ein Sieg von Präsident Baschar al Assad in dem seit sieben Jahren tobenden Bürgerkrieg näher. Mit Unterstützung der russischen Luftwaffe und iranischer Milizen greifen Elitetruppen der syrischen Armee in der Provinz Daraa an der Grenze zu Jordanien an. Der Westen will nicht eingreifen, obwohl Daraa 2017 zu einer „Deeskalationszone“ erklärt worden war. Mehr und mehr geht es bereits um Einfluss in einem Nachkriegs-Syrien.

In Daraa hatte im März 2011 der Aufstand gegen Assad begonnen. In dem Krieg kontrollierte der Präsident zwischenzeitlich nur noch 20 Prozent des Staatsgebietes, doch mit dem Beginn der russischen Intervention vor drei Jahren sowie militärischer Unterstützung durch den Iran wendete sich das Blatt. Inzwischen herrscht Assad wieder über mehr als die Hälfte von Syrien. Erst kürzlich hatte er sein Ziel bekräftigt, „jeden Zentimeter“ des Landes zurück zu erobern.

UN warnen vor nächster humanitärer Katastrophe

Mehrere Schlachten gegen islamistische und gemäßigte Rebellenverbände in Aleppo und Ost-Ghouta bei Damaskus haben ein Muster bei den Offensiven der syrischen Truppen und der russischen Luftwaffe offenbart, das nun auch in Daraa zur Anwendung kommt.

In Daraa hatte im März 2011 der Aufstand gegen Baschar al Assad begonnen.
In Daraa hatte im März 2011 der Aufstand gegen Baschar al Assad begonnen.

© AFP

Massive Luftschläge und Artillerie richten sich gegen Stellungen der Rebellen, Wohngebiete und Krankenhäuser und treiben Keile in das Gebiet der Aufständischen; dabei setzten die Syrer in Ost-Ghouta offenbar auch Giftgas ein. Mit dem rücksichtslosen Vorgehen, das in Ost-Ghouta rund 1700 Menschen das Leben kostete, sollen Zivilisten in die Flucht getrieben werden. Verbliebene Truppen der Rebellen werden zur Kapitulation gezwungen.

750.000 Menschen sollen in Lebensgefahr sein

Die Vereinten Nationen (UN) warnen bereits, in Daraa drohe die nächste humanitäre Katastrophe im syrischen Bürgerkrieg. Insgesamt seien 750.000 Menschen in Lebensgefahr. Der syrischen Hilfsorganisation „Weiße Helme“ zufolge sind 150.000 Menschen auf der Flucht. Niemand weiß, wohin sich die Flüchtlinge aus Daraa wenden können: Das südlich gelegene Jordanien, das nach Regierungsangaben bereits 1,3 Millionen Syrer versorgt, hat seine Grenze geschlossen. Im Westen liefert Israel zwar Hilfsgüter an die Grenze zwischen den israelisch besetzten Golan-Höhen und Syrien, will die Flüchtlinge aber ebenfalls nicht ins Land lassen.

Offiziell wird der Angriff in der „Deeskalationszone“ damit begründet, dass die Rebellen die Waffenruhe in Daraa verletzt hätten. Außer Warnungen und Kritik haben Russland, Iran und die syrische Regierung vom Westen wenig zu befürchten. Die USA ließen die mehrheitlich nicht-islamistischen Rebellen im Süden Syriens wissen, sie könnten angesichts der Offensive nicht mit amerikanischer Hilfe rechnen.

Israel soll einen Deal mit Russland haben

Israel soll sich mit Russland darauf geeinigt haben, dass keine iranische Truppen in der Nähe der Golan-Höhen stationiert werden dürfen. Im Gegenzug greift Israel nicht in Daraa ein. Auch die Türkei, die zu den Garantiemächten der „Deeskalationszonen“ zählt, lässt es bisher bei Unmutsbekundungen ohne konkrete Folgen: Ankara ist bei seinen eigenen Aktionen in Syrien auf das Wohlwollen Russlands angewiesen.

Wegen der militärischen Übermacht der Angreifer ist es nur eine Frage der Zeit, bis die syrische Regierung das Gebiet um Daraa wieder unter Kontrolle hat. Danach wird sich das Interesse auf Idlib im Norden des Landes verlagern, wo tausende Rebellen nach ihrer Vertreibung aus Aleppo und Ost-Ghouta eine Zuflucht gefunden haben.

Es geht bereits um das Szenario für die Zeit nach dem Krieg

Die militärische Präsenz der Türkei in Idlib und anderen Gebieten im Nordwesten Syriens sowie das große Herrschaftsgebiet der von den USA unterstützten Kurden im Norden und Osten des Landes machen erneute Großoffensiven der Assad-Regierung in diesen Landesteilen unwahrscheinlich. Eher sind Verhandlungen zu erwarten, etwa zwischen den Kurden und der Führung in Damaskus. Vertreter der syrischen Kurden haben bereits ihre Bereitschaft zu Gesprächen mit der Regierung über eine kurdische Autonomie innerhalb des syrischen Staates bekundet.

Mit dem möglichen Ende der großen militärischen Auseinandersetzungen in den kommenden Monaten dürfte sich das Gerangel der diversen ausländischen Akteure in Syrien – vom Iran und der Türkei über Russland, die USA bis Israel – um gute Ausgangspositionen für die Nachkriegszeit verstärken. Unumstritten scheint inzwischen zu sein, dass Präsident Assad an der Macht bleibt. Wie das künftige Syrien aussehen wird, ist aber offen.

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