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Kanzlerin Angela Merkel und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron beim letzten EU-Gipfel im Dezember.

© Ludovic Marin/AFP

Groko-Sondierungen: SPD und Union steuern an der Europa-Klippe vorbei

Noch im November hatte FDP-Chef Lindner die Jamaika-Gespräche auch wegen des Streits um neue Geldtöpfe in der EU platzen lassen. Union und SPD fanden in dieser Frage nun einen Formelkompromiss.

Nun kann zwar niemand voraussehen, welche Überraschungen die Europapolitik in den kommenden Jahren möglicherweise bereithält. Als Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) 2009 und 2013 ihre letzten Regierungen schmiedete, hatte niemand die dann jeweils folgende Griechenland- und Flüchtlingskrise auf der Rechnung. Aber diesmal steht zumindest schon einmal eines fest: Emmanuel Macron, dem vor Jahresfrist nur die wenigsten einen Sieg bei der französischen Präsidentschaftswahl zutrauten, hat indirekt auch an dem Sondierungspapier von Union und SPD mitgeschrieben. CDU, CSU und SPD ergreifen gewissermaßen die Hand, die Frankreichs Staatschef mit seinen weit reichenden Vorschlägen zur Zukunft Europas ausgestreckt hat.

Potenzielle Koalitionäre wollen Euro-Zone "nachhaltig stärken"

So finden sich auf den drei Seiten, die am Anfang des Sondierungspapiers dem Europa-Kapitel gewidmet sind, zahlreiche Formulierungen, die Macron gefallen dürften. So teilen die Partner einer möglichen Neuauflage der großen Koalition grundsätzlich den Wunsch Macrons, die Euro-Zone zu stärken. Union und SPD wollen „in enger Partnerschaft mit Frankreich die Euro-Zone nachhaltig stärken und reformieren, so dass der Euro globalen Krisen besser standhalten kann“, heißt in dem Papier. Das kann auf ein eigenes Budget für die Euro-Zone hinauslaufen, wie es Macron vorschwebt, muss es aber nicht. Die SPD befürwortet einen Investitionshaushalt für die Euro-Zone, die den Verbund der 19 Länder mit der Gemeinschaftswährung enger zusammenschweißen sollen. Die Union lehnt zwar ein Budget für die Euro-Zone mit größeren Summen ab, möchte aber die Diskussion auf EU-Ebene mit Rücksicht auf Macron nicht von vornherein abwürgen. Im Sondierungspapier findet sich nun die Kompromissformel, dass „spezifische Haushaltsmittel“ der „Ausgangspunkt für einen künftigen Investitionshaushalt für die Euro-Zone sein können“.

Ausgang der Diskussion auf EU-Ebene ist noch völlig offen

Damit umschifften Union und SPD eine Klippe, an der die Jamaika-Sondierer noch im November gescheitert waren. FDP-Chef Christian Lindner hatte die Gespräche seiner Partei mit Union und Grünen nicht zuletzt deshalb platzen lassen, weil Merkel die Möglichkeit eines eigenen Budgets für die Euro-Zone nicht von vornherein ausschließen wollte. Auf einem völlig anderen Blatt steht allerdings, dass der Verlauf der Diskussion auf EU-Ebene noch völlig offen ist. So hat die EU-Kommission im Dezember Macrons Vorschlag eine Abfuhr erteilt. Die Brüsseler Behörde möchte zwar auch einen eigenen Topf für mehr Investitionen – aber innerhalb des bestehenden EU-Haushalts und nicht als Sondertopf, wie Frankreichs Staatschef es will.

Bereitschaft zu höheren Beiträgen Deutschlands zum EU-Haushalt

Klar ist indes, dass Deutschland seine Zahlungen in den EU-Etat in der kommenden Haushaltsperiode ab 2021 wird erhöhen müssen – allein schon wegen des Brexit und des Ausfalls Großbritanniens als Netto-Beitragszahler. In dieser Woche hatte EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger erklärt, dass durch den Brexit jährlich zwischen 12 und 13 Milliarden Euro in der EU-Kasse fehlen werden. Dass Deutschland und andere Nettozahler einen Teil dieser Summe ausgleichen müssen, wird auch in dem Sondierungspapier mit den Worten bestätigt: „Wir sind auch zu höheren Beiträgen Deutschlands zum EU-Haushalt bereit.“

Umbau des Euro-Rettungsschirms ESM geplant

Ums Geld geht es schließlich auch beim geplanten Europäischen Währungsfonds (EWF). Bereits in der abgelaufenen Legislaturperiode hatte der damalige Finanzminister Wolfgang Schäuble vorgeschlagen, den bestehenden Euro-Rettungsschirm ESM, aus dem gegenwärtig die Hilfsgelder für Griechenland fließen, nach dem Vorbild des Internationalen Währungsfonds (IWF) in einen Europäischen Währungsfonds umzubauen. Die neue Institution könnte dann als künftiger Krisenfonds für die Euro-Zone genutzt werden. Auch die potentiellen Partner einer neuen großen Koalition wollen eine solche Weiterentwicklung.

Während in dem Sondierungspapier die Handschrift der Union etwa in der Forderung durchscheint, dass die Mobilität in der EU nicht für „missbräuchliche Zuwanderung“ ausgenutzt werden dürfe, kommen an anderer Stelle SPD-Wünsche zum Tragen. So soll etwa in einem „Sozialpakt“ das Prinzip gestärkt werden, dass am selben Ort gleicher Lohn für gleiche Arbeit gezahlt werden soll. Dies ist unter anderem bei Arbeitnehmern, die in andere EU-Länder entsandt werden, von Belang.

Staatsminister Roth: Deutschland ist in der Europapolitik zurück

Der Staatsminister Auswärtigen Amt, Michael Roth (SPD), sagte dem Tagesspiegel, dass Deutschland mit der Sondierungsvereinbarung „europapolitisch zurück auf dem Spielfeld“ sei. „In den Koalitionsverhandlungen sind weitere Konkretisierungen vorzunehmen, wie wir das bereits beim Sozialpakt durch EU-weite Mindestlohnregelungen und verpflichtende soziale Grundsicherungssysteme formuliert haben“, sagte Roth.

Macron zeigt sich in Paris zufrieden

Macron zeigte sich am Freitag in Paris jedenfalls schon einmal guter Dinge. Er sei „glücklich und zufrieden“, sagte er angesichts der Berliner Einigung nach einem Treffen mit dem österreichischen Bundeskanzler Sebastian Kurz.

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