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Pap Ndiaye, neu ernannter Bildungsminister von Frankreich, ist Spezialist für Afro-Amerikanische Geschichte

© Christophe Ena/dpa

Größte Überraschung in Macrons Regierung: Der neue Bildungsminister steht für Aufbruch - und polarisiert

Die Ernennung des Historikers Pap Ndiaye ist ein symbolischer Coup, der auch nach hinten losgehen kann. Ein Porträt.

Den angekündigten „Neuanfang“ in der zweiten Amtszeit des französischen Präsidenten illustriert in der neuen Regierung am besten (und fast einzig) die Personalie des neuen Erziehungs- und Jugendministers: Mit der Wahl des Historikers Pap Ndiaye, dessen Vater aus Senegal stammt, gelang Emmanuel Macron ein überraschender und symbolischer Coup, wie er ihn liebt.

Der 1965 bei Paris geborene Wissenschaftler ist das Gegenstück zu seinem Vorgänger Jean-Michel Blanquer, der einen intellektuellen Krieg mit Universitäten geführt hatte, denen er eine gefährliche linke Ideologie des Islam-Verständnisses vorwarf. Hochschulministerin Frédérique Vidal ließ sogar die Forschungsvorhaben der Universitäten daraufhin überprüfen.

Der Professor für afro-amerikanische Geschichte an der Elitehochschule Sciences Politiques, den Macron 2021 zum Direktor des „Einwanderungsmuseums“ ernannt hatte, spricht dagegen von einem strukturellen Rassismus in der französischen Gesellschaft und sieht auch ein Muster in der Polizeigewalt gegen bestimmte Bevölkerungsgruppen. Als „woke“ würde der Wissenschaftlicher sich jedoch nicht bezeichnen, sondern eher als „cool“.

Macron will damit linke Wähler und Intellektuelle ansprechen

Aber es ist klar, dass Macron mit der Ernennung im Vorfeld der Parlamentswahlen im Juni linke Wähler und Intellektuelle ansprechen will – denn Blanquier und Vidal waren zu deren Feindbildern mutiert, die jede Kooperation unmöglich machten.

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Von der politischen Rechten wird Ndiaye seit seiner Ernennung dagegen auch rassistisch angegangen und verleumdet: Er sei „besessen vom Rassedenken und ein Gegner der Polizei“, behauptet der Vorsitzende des rechtsextremen Rassemblement National, Jordan Bardella. Marine le Pen ruft dazu auf, die Jugend vor den „schlimmsten Ideologien“ zu schützen. Man kann nur hoffen, dass der als ruhig und ausgeglichen geltende Mann damit umgehen kann.

Verheiratet ist er mit der Soziologin Jeanne Lazarus, mit der er zwei Kinder hat. Seine Schwester ist die bekannte Schriftstellerin Marie NDiaye, die 2009 den Prix Goncourt für ihr Werk „Drei starke Frauen“ bekam und jahrelang mit ihrer Familie in Berlin gelebt hatte.

Doch die Angriffe von rechts sind nicht die einzige Herausforderung für den Quereinsteiger, dessen einzige politische Erfahrung die Beratung Macrons in Sachen Umgang mit der Kolonialgeschichte ist. Er soll das zerrüttete Verhältnis zu Lehrern und Gewerkschaften kitten und Bildungsreformen umsetzen. Daran sind in diesem Ministerium schon ganz andere gescheitert. Der Posten gilt mittlerweile als „mission impossible“.

Wenn Ndiaye im politischen Störfeuer der Rechten zuviel Energie darauf verwenden muss, seine Position zu Rassismus und Minderheitenpolitik zu erklären, wäre seine Ernennung möglicherweise kein Trumpf mehr.

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