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Schwieriger, aber offener Dialog: Griechenlands Premier Alexis Tsipras (l.) trifft den türkischen Staatschef Recep Tayyip Erdogan.

© Thanassis Stavrakis/AP/dpa

Griechischer Premier in der Türkei: Ein Besuch unter schwierigen Vorzeichen

Vor drei Jahren war der griechische Regierungschef Tsipras zuletzt in der Türkei. Beim Treffen mit Erdogan sollen auch heikle Themen zur Sprache kommen.

Als erster griechischer Ministerpräsident besucht Alexis Tsipras an diesem Mittwoch das geschlossene griechisch-orthodoxe Priesterseminar Halki bei Istanbul. Im Rahmen eines zweitägigen Besuches in der Türkei wird Tsipras an einem Gottesdienst im Kloster Halki auf der Insel Heybeliada teilnehmen, wie das Ökumenische Patriarchat von Konstantinopel dem Tagesspiegel bestätigte.

Die kleine Gemeinde der griechisch-orthodoxen Christen in der Türkei hofft auf eine Wiedereröffnung des Priesterseminars nach fast 50 Jahren. „Wir beten dafür“, heißt es. Patriarch Bartholomäus I sagte nach Angaben seines Sprechers, der Tsipras-Besuch habe „große symbolische Bedeutung“.

Vor seinem Besuch in Istanbul wurde Tsipras am Dienstag zu politischen Gesprächen in Ankara erwartet. Beide Seiten gehen angesichts vieler ungelöster Probleme mit geringen Erwartungen in die erste Türkei-Visite des griechischen Premiers seit fast drei Jahren.

Die Weigerung der Türkei, das seit 1971 geschlossene Priesterseminar wieder zu eröffnen, ist einer der Hauptstreitpunkte in der Dauerfehde zwischen Ankara und Athen, die auch das Verhältnis der Türkei zur EU belastet. Weil die Kirche seit fast einem halben Jahrhundert keine neuen Geistlichen ausbilden kann, stirbt der griechisch-orthodoxe Klerus im ehemaligen Konstantinopel allmählich aus. Das Patriarchat als Sitz des geistigen Oberhauptes von weltweit 300 Millionen orthodoxen Christen weltweit muss seinen Personalbedarf schon seit Jahren mit Geistlichen von außerhalb der Türkei decken.

Die Türkei verlangt die Öffnung einer Moschee in Athen

Tsipras besucht die Schule an einem besonderen Tag. Zusammen mit dem Ökumenischen Patriarchen Bartholomäus wird er an einer Messe zu Ehren des Heiligen St. Photius teilnehmen, des Schutzheiligen des Priesterseminars. Der letzte Besuch eines griechischen Spitzenpolitikers auf Heybeliada liegt fast 90 Jahre zurück; ein amtierender Regierungschef aus Athen war bisher überhaupt noch nie auf der Insel zu Gast.

Ungewiss ist, ob die türkische Erlaubnis für den Tsipras-Besuch auf der Insel auf eine geänderte Haltung der Türkei im Streit um die Priesterschule hindeutet. Die Türkei verlangt als Gegenleistung die Eröffnung einer Moschee in Athen, die seit Jahren angekündigt ist, wegen des Widerstandes griechischer Rechtsnationalisten jedoch weiter auf sich warten lässt.

Verhärtete Fronten

In einem Interview mit der amtlichen türkischen Nachrichtenagentur Anadolu sagte Tsipras weitere Reformen zur Besserstellung der muslimischen Minderheit in Griechenland zu. Das Thema könnte bei einem Treffen des Premiers mit dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdogan in Ankara zur Sprache kommen.

Die beiden haben viel zu besprechen, denn auch bei anderen türkisch-griechischen Konfliktfeldern wie den Grenzstreitigkeiten in der Ägäis und dem Zypern-Problem sind die Fronten zwischen den Nachbarn verhärtet. Kurz vor den türkischen Kommunalwahlen im März ist nicht mit grundlegenden Zugeständnissen Ankaras in den wichtigen Streitpunkten zu rechnen.

Streit um Gasvorkommen

Umstritten ist unter anderem der genaue Verlauf der Seegrenze zwischen den Nato-Partnern in der Ägäis. Gereizt reagiert die Türkei zudem auf die Suche nach Gasvorräten in der Umgebung der geteilten Mittelmeerinsel Zypern: Ankara kritisiert, dass einige vom griechischen Teil Zyperns beanspruchte Gasfelder zum türkischen Sektor der Insel gehören. Erdogans Verteidigungsminister Hulusi Akar sagte kürzlich, sein Land werde weder in der Ägäis noch im Mittelmeer vollendete Tatsachen akzeptieren. Tsipras warf der Türkei im Gespräch mit Anadolu ein aggressives Verhalten vor.

Beim Flüchtlingsthema gibt es ebenfalls Gesprächsbedarf, weil in Griechenland die Zahl der aus der Türkei kommenden Flüchtlinge wieder stark ansteigt: Nach UN-Angaben kamen im vergangenen Jahr rund 50.500 Menschen in Griechenland an, 45 Prozent mehr als 2017. Dennoch bekannte sich Tsipras im Gespräch mit Anadolu zum Flüchtlingsabkommen zwischen Türkei und EU. Europa müsse die Türkei bei der Versorgung von vier Millionen Flüchtlingen unterstützen.

Laut dem Vertrag soll Ankara dafür sorgen, dass die Flüchtlingszahlen so niedrig wie möglich bleiben. Türkische Behörden und Menschenrechtler werfen den Griechen vor, Schutzsuchende ohne Anhörung oder Verfahren wieder in die Türkei zurückzuschicken. Die türkische Seite kritisiert zudem die Weigerung Athens, mutmaßliche Beteiligte am Putschversuch gegen Erdogan an Ankara auszuliefern.

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