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Klimaaktivistin Greta Thunberg spricht auf dem Weltwirtschaftsforum in Davos

© REUTERS/Denis Balibouse

Greta Thunberg in Davos: Einmal rituelle Abreibung, bitte

Greta Thunbergs Auftritte könnten prominenter nicht sein. Aber was hat ihr Publikum von den immer selben Vorwürfen? Etabliert sich hier ein moderner Ablasshandel? Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Ariane Bemmer

Ob da noch ein Verb draus wird? Wird man eines Tages „gretern“, wie man heute googelt oder twittert? Groß genug ist das, was die schwedische Klimaaktivistin Greta Thunberg global darstellt, inzwischen allemal. Und klar umreißbar genug, um Verb zu werden, ist es auch.

„Gretern“ könnte künftig bedeuten, immer wieder mit gleichen Worten und im gleichen Ton das Richtige zur Anklage zu bringen und einzufordern, auch wenn jeder weiß, dass nichts geschehen wird, wobei wiederum jeder anerkennt, dass das Gesagte zumindest anzuhören ist.

Man lässt sich gern von Greta den Kopf waschen

Den „Greternden“ zuzuhören, wäre gleichsam eine Kompensation für Untätigkeit. So könnte aus dem „Gretern“ ein Ablasshandel für die Klimaträgen werden. Ist das übertrieben? Greta Thunberg reist seit mehr als einem Jahr um die Welt, sie war mal 15, inzwischen ist sie 17 und hochaufgeschossen, bleich und dürr, was sie noch unweltlicher wirken lässt.

Sie tritt in verwaschenen Hoodies in den prominentesten Foren und bei hochkarätigsten Veranstaltungen auf (in dieser Woche war sie beim Weltwirtschaftsforum in Davos), um die Gastgeber und/oder deren Gäste zu belehren und/oder zu beschimpfen. Die lassen das in der Regel artig dasitzend über sich ergehen, als sei allein das „Sich von Greta mal gehörig den Kopf waschen lassen“ schon ein Schritt zur Verbesserung der Lage.

Null Emissionen sind wie Weltfrieden und Gerechtigkeit eine Utopie

Ist es natürlich nicht. Greta Thunbergs Botschaft bleibt dabei dieselbe: null Emissionen, und zwar sofort. Das ist eine Utopie für eine krisenfestere Welt, wie es auch die Forderung nach Weltfrieden und Gerechtigkeit ist, wie sie immer von Kirchen und Päpsten erhoben wurde. Auch denen hört man zu und feiert ihre Botschaft, freilich ohne den Auftrag anzunehmen, der darin steckt.

Man hört, applaudiert, ist möglicherweise kurzzeitig ergriffen, und fährt fort, in der realen Welt so zu handeln, wie man in der realen Welt eben handelt. Für die Marke Greta Thunberg bedeutet das auch, dass die Frage näherrückt, ob sie ein Entlastungsgimmick für Klimakonferenzen wird, eine Art rituell vorgeschaltete Mahnfigur, deren Wirkung zwangläufig nachlassen wird.

Irgendwann bleiben die ersten Stühle leer

Irgendwann wird gekichert werden, wenn sie spricht, dann bleiben die ersten Stühle leer, am Ende ist der halbe Saal vor der Tür und raucht, während sie auf dem Podium vor sich hin gretert, letztlich berechtigt, letztlich richtig, und ebenso letztlich wirkungslos. Greta als Klimaclown? Das wäre tragisch.

Mit ihr ist die Stimme derjenigen laut geworden, die mit dem leben müssen, was gerade verursacht beziehungsweise nicht verhindert wird. Sie ist eine Stimme aus der Zukunft. Die entstandene Prominenz hat nun ihre eigenen Tücken. Ein „Nice to have“ darf nicht zu anstrengend werden, sonst wird es ausgetauscht.

Die Erkenntnisse der Wissenschaftler sollten gelten

Und angreifbar ist ihr Aufstieg in die Weltliga natürlich, weil: Was weiß sie schon? Wie viele Klimawissenschaftler, auf deren Studien und Argumente Greta Thunberg sich beruft, kennt die Welt mit Namen? Kaum einen, gar keinen? Daran hat auch Greta Thunberg nichts ändern können.

Die Wissenschaftler aber sind diejenigen, um deren Erkenntnisse es gehen sollte. Die fühlen sich offenbar seltener zum Lautwerden berufen, als widerspreche das dem Forscherethos, der von Frage zu Frage hangelt. Darum sind sie leichter zu überhören und zu ignorieren. Aber nicht nur mit den Leisen kann man sein Spiel treiben.

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