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Greenpeace-Protest mit symbolischen Pflanzengift-Fässern vor dem Wirtschaftsministerium, die Organisation ist für den Stopp des EU-Mercosur Handelsabkommens.

© dpa

Greenpeace findet viele Pestizid-Rückstände: Das Mango-Problem für Bayer und BASF „made in Brasil“

Proben zeigen: Supermarkt-Früchte aus Brasilien sind belastet mit teils giftigen Stoffen. Mit einem neuen Handelsabkommen könnte der Import stark steigen.

Deutsche Bauern sehen die Pläne mit großer Sorge, einige haben Existenzängste. Und ausgerechnet Greenpeace liefert ihnen nun neue Argumente gegen das geplante Freihandelsabkommen zwischen der EU und den südamerikanischen Mercosur-Staaten Brasilien, Argentinien, Paraguay und Uruguay.

Mit Sternfahrten nach Berlin und Traktorprotesten haben sie immer wieder gefordert, das Projekt zu stoppen, durch das sie massive Wettbewerbsnachteile fürchten, sie tauften ihre Proteste: "Farmers for Future".

2019 gab es eine Grundsatzeinigung für diese riesige Freihandelszone, die fast 800 Millionen Menschen umfassen soll, Zölle im Wert von über vier Milliarden Euro pro Jahr sollen wegfallen.

Auch durch den Druck von Umweltschutzorganisationen wie Greenpeace wurden deutsche Landwirte hierzulande zu immer strengeren Dünge- und Pestizidregeln verpflichtet. Nun hat Greenpeace aber von Laboren mal genauer untersuchen lassen, welche Pestizide eigentlich beim Obst aus Brasilien zum Einsatz kommen, immerhin könnte der Import durch das Abkommen massiv zunehmen.

Getestet wurden Mangos, Papayas, Melonen, Feigen und Limetten, die in deutschen Supermärkten, Discountern und Großmärkten verkauft werden. Von 70 getesteten Früchten aus Brasilien enthielten 59 Pestizid-Rückstände, das geht aus den Ergebnissen hervor, die dem Tagesspiegel vorliegen. Die Mehrzahl der Wirkstoffe gehöre in die Kategorie hochgefährliche Pestizide. „Zwölf der gefundenen Wirkstoffe werden auch von Bayer vertrieben und sieben können auch BASF zugeordnet werden“, betont Greenpeace.

Eine Gefahr für den Obstsalat?

Elf der Wirkstoffe seien in der EU nicht zugelassen, einige Wirkstoffe seien hochgiftig für Bienen oder gelten sogar als krebserregend. „Auch deutsche Chemieriesen schaden in Brasilien Menschen, Tieren und Natur. Ein toxischer Kreislauf, denn die belasteten Früchte landen wiederum in Deutschland in unserem Obstsalat“, meint der Greenpeace-Handelsexperte Jürgen Knirsch.

Dabei geht es um Fungizide, Herbizide und Insektizide. Zum Beispiel sind Wirkstoffe wie Chlorthalonil, Carbendazim, Chlorfenapyr und Fenpropathrin in der EU nicht mehr zugelassen, werden aber in Brasilien vertrieben und gelten nach Einstufung des internationalen Pestizid-Netzwerks (PAN) als hochgefährliche Wirkstoffe - nicht jedoch nach Einstufung der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Und das macht den Fall kompliziert.

Unbestritten ist, dass in Brasilien die Regeln laxer sind und der Pestizideinsatz gewaltig. Wer einmal auf brasilianischen Plantagen unterwegs war, spürt oft eine große Stille, es gibt dort kaum die üblichen Insektengeräusche.

Seit Monaten wächst auch der Druck auf die Bundesregierung von Kanzlerin Angela Merkel (CDU), dass die EU das Abkommen verschärfen oder stoppen soll.

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Bauern fahren bei einer Protestaktion gegen das EU-Mercosur-Freihandelsabkommen mit ihren Treckern um die Siegessäule.
Bauern fahren bei einer Protestaktion gegen das EU-Mercosur-Freihandelsabkommen mit ihren Treckern um die Siegessäule.

© dpa

Bayer und BASF wehren sich  

Ein Sprecher von Bayer betont, dass unter anderem Beta-Cyfluthrin, Imidacloprid, Indaziflam und Spirodiclofen als Inhaltsstoffe, die keine Zulassung in der EU haben, für den Obst- und Gemüseanbau in Brasilien vertrieben werden. Unter den daraus hergestellten Pflanzenschutzmitteln seien aber keine mehr, die von der Weltgesundheitsorganisation als besonders toxisch eingestuft werden“, betont Holger Elfes, Sprecher von Bayer Crop Science. Für ihn ist auch die Gleichung nicht in der EU zugelassen = hochproblematisch schlicht zu simpel.

„Allein die Tatsache, dass ein Pflanzenschutzmittel nicht in der EU zugelassen ist, sagt nichts über seine Sicherheit aus“, betont er. Auch viele andere Zulassungsbehörden auf der ganzen Welt verfügten über gute Regulierungssysteme zum Schutz der menschlichen Gesundheit und der Umwelt.

„Ihre Sicherheitsbewertungen spiegeln die spezifischen agronomischen Bedingungen der jeweiligen Länder wider und stellen mitnichten einen von einigen NGOs vorgeworfenen Doppelstandard dar.“ Zahlreiche in Brasilien verbotene Pflanzenschutzmittel seien andersherum in der EU durchaus zugelassen. Beispiele für die durch die klimatischen Bedingungen oder Anbaukulturen bedingten teils ganz anderen Herausforderungen seien zum Beispiel die aktuelle Heuschreckenplage in Teilen Afrikas und Asiens oder die Ausbreitung des Herbstheerwurms in Afrika.

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Ein Bauer versprüht auf seinem Feld Pestizide.
Ein Bauer versprüht auf seinem Feld Pestizide.

© AFP

Schädlinge und Klimabedingungen erfordern andere Antworten

Diese Bedrohungen kenne die Landwirtschaft in der EU glücklicherweise nicht. „In anderen Teilen der Welt gefährden sie das Leben vieler Menschen, da ohne den entschiedenen Einsatz von Pflanzenschutzmitteln deren Ernährungsgrundlage zerstört würde.“

Auch bei BASF wird darauf hingewiesen, dass es nunmal eine große Vielfalt an Kulturpflanzen, Böden, klimatischen Voraussetzungen, Schädlingen und Anbaupraktiken gebe. Pflanzenschutzprodukte würden eingesetzt, um verheerende Krankheiten, Unkräuter und Schädlinge zu kontrollieren und so Ernte- und Qualitätsverluste zu vermeiden. BASF verkaufe Pflanzenschutzmittel nur, wenn sie die Anforderungen Weltgesundheits- und der Welternährungsorganisation erfüllen.

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Ein "Autos für Agrarprodukte-Deal"?

Aus Sicht von Greenpeace aber sind diese Standards nicht streng genug und die Menge der nachgewiesenen, problematischen und teils krebserregenden Stoffe besorgniserregend. Die Organisation wirft den Konzernen daher ein Beschwichtigen aus Geschäftsinteresse vor: Denn wenn das EU-Mercosur Abkommen abgeschlossen werde, sinken die Zölle auf Pestizide, die aus der EU nach Brasilien, Argentinien, Paraguay und Uruguay exportiert werden.

Dies würde den Absatz der Mittel noch steigern. Der Pestizideinsatz in Brasilien habe aber jetzt schon verheerende Folgen für die Bevölkerung, Umwelt und Artenvielfalt. Greenpeace aber auch das bischöfliche Hilfswerk fordern höhere Nachhaltigkeitsstandards und strengere Regeln, gerade auch was zum Beispiel den Schutz des Regenwaldes betrifft

Greenpeace-Handelsexperte Knirsch kritisiert schon lange, dass es vor allem eine Art „Autos für Agrarprodukte-Deal“ sei. Umweltschutz sei hier zweitrangig. Am Donnerstag verhandeln die EU-Handelsminister erneut über das Abkommen. Knirsch fordert von Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU), es in seiner jetzigen Form zu stoppen und nicht „die Interessen weniger deutscher Großkonzerne über die Gesundheit der Menschen und den Umweltschutz“ zu stellen.

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