zum Hauptinhalt
In Spanien erlaubt: Der Faschistengruß findet bei Franco-Anhängern noch rege Anwendung.

© REUTERS/Paul Hanna

Grabstätte des Diktators Franco: Unerwünschter Wallfahrtsort für Faschisten

Die spanische Regierung will die Gebeine des Diktators Franco umgebettet lassen - doch das ist gar nicht so einfach.

Jeden Tag liegen frische Blumen auf der Grabplatte. Darunter steht in Granit gemeißelt „Francisco Franco“. Ein Mann mittleren Alters verharrt andächtig vor dem Grab. Dann nimmt er Haltung an und reckt ehrerbietig den rechten Arm in die Höhe. In Spanien ist der Faschistengruß, anders als etwa in Deutschland, nicht verboten. Andere Besucher nähern sich und lassen sich vor dem Franco-Grab ablichten. Bis ein Sicherheitsbeamter herbeieilt und ruft: „Keine Fotos!“ Befolgt wird diese Anweisung nicht: Kaum hat sich der Wachmann umgedreht, werden die Handys wieder hervorgeholt und Bilder von Spaniens umstrittenster Grabstätte geschossen.

Seit 1975 liegen die Überreste von Spaniens Ex-Diktator Franco unter einer Granitplatte in einer Bergbasilika im sogenannten Tal der Gefallenen. Das 150 Meter hohe Steinkreuz über der Berggruft, die vom Staat unterhalten und von Benediktinermönchen gehütet wird, ist weithin sichtbar. Hunderttausende, darunter viele Touristen, besuchen jedes Jahr dieses Mausoleum, das 55 Kilometer von Madrid entfernt in der Sierra de Guadarrama liegt. Am 20.November, dem Todestag Francos, marschieren jährlich Tausende seiner Anhänger im Tal der Gefallenen auf, um ihren „Caudillo“ hochleben zu lassen. Die Gruft ist zum Wallfahrtsort für Alt- und Jungfaschisten aus ganz Europa geworden. Doch damit soll Schluss sein.

„Eine Demokratie kann nicht einen Diktator verehren“, erklärte Spaniens sozialistischer Regierungschef Pedro Sánchez. Er ordnete an, die Gebeine von General Franco zu exhumieren und an einen öffentlich nicht zugänglichen Ort zu bringen. So ähnlich wie es in Deutschland in 2011 mit dem Sarg des Hitler-Stellvertreters Rudolf Heß geschah, der aus dem Grab im bayerischen Wunsiedel geholt, eingeäschert und auf See bestattet wurde.

Doch eines unterscheidet die beiden Fälle: Die Exhumierung der Heß-Gebeine und die Beseitigung des Grabes geschah im Einvernehmen mit der Familie. Im Falle Francos wehren sich die Nachfahren gegen die Umbettung des Diktators, der in seinem Land zunächst einen Bürgerkrieg (1936-1939) gegen die linke Republik begann und nach seinem Sieg in Spanien mit eiserner Hand regierte (1939-1975). Annähernd ein halbe Million Menschen kamen im Bürgerkrieg um. Während der nachfolgenden Rechtsdiktatur wurden linke Oppositionelle systematisch verfolgt. Mehr als 100000 Regimegegner, die hingerichtet und irgendwo in Massengräbern verscharrt wurden, sind bis heute verschwunden.

Francos Nachfahren wehren sich gegen eine Umbettung

Die Franco-Familie will einer Exhumierung des Tyrannen nur unter einer Bedingung zustimmen: Wenn die Gebeine vom Tal der Gefallenen in die Kathedrale Madrids verlegt und dort mit militärischen Ehren beigesetzt werden. In der Krypta der vielbesuchten Kathedrale, die sich neben dem historischen Königspalast erhebt, besitzt die Familie eine Grabstätte, in der 2017 bereits Francos einzige Tochter beerdigt wurde.

Die Opfer der Diktatur empfinden den Vorschlag, Franco in der Kathedrale beizusetzen, als Provokation. „Das ist eine Demütigung für die Opfer und ihre Angehörigen“, empört sich Julián Rebollo. Er ist Sprecher jener Plattform, deren Mitglieder jede Woche in Madrids City dafür demonstrieren, dass Francos Menschenrechtsverbrechen endlich aufgeklärt werden. „Wie kann man nur auf die Idee kommen, einen Mörder in der Kathedrale beizusetzen?“ Der Hausherr der Kathedrale, Madrids Erzbischof Carlos Osoro, gab zu verstehen, dass ihm die Idee, Franco im prominentesten Tempel der Hauptstadt zu beherbergen, nicht behagt. Offiziell hält er sich aus dem Streit heraus.

Die Regierung stellte derweil klar, dass ein Umzug Francos in die Kathedrale nicht in Frage kommt. „Wir werden nicht erlauben, dass sich der Diktator an einem öffentlichen Ort befindet und dort verherrlicht wird“, sagte Regierungsprecherin Isabel Celaá. Stattdessen wolle man Franco an einen „privaten Ort“ überführen. Als neue Ruhestätte Francos favorisiert die Regierung einen kleinen Waldfriedhof in der Nähe des Dorfs El Pardo, das sich etwa 20 Kilometer nördlich Madrids befindet. In El Pardo hatte Franco früher seine Residenz. Auf dem Friedhof wurde vor 30 Jahren Francos Ehefrau Carmen in einem staatlichen, aber öffentlich nicht zugänglichen Grabtempel beigesetzt. Auch zahlreiche ehemalige Franco-Minister ruhen dort.

Doch der Plan der Umbettung entzweit Spanien. Umfragen zufolge bevorzugen zwischen 40-50 Prozent der Bevölkerung, Francos einbalsamierten Leichnam im Mausoleum zu belassen. Entsprechend enthielt sich die konservative Opposition Spaniens, bestehend aus der Volkspartei und der Partei Ciudadanos (Bürger), als das Parlament die Umbettung Francos absegnete.

Wann Francos Gebeine umgesiedelt werden, steht noch nicht fest. Der Termin musste wegen des Widerstands der Nachfahren mehrmals verschoben werden. Um Demonstrationen zu vermeiden, soll der genaue Zeitpunkt nicht bekanntgegeben werden. Aber es soll offenbar nachts, ohne Kameras und möglichst bald geschehen. Spaniens Regierungschef Sánchez sagt: „Im Jahr 2019 wird es kein Mausoleum mehr geben, mit dem Franco geehrt wird.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false