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Kletterübungen. Offiziersanwärter trainieren an einem Mast auf dem Gelände der Marineschule Mürwik das Aufentern in die Takelage. Das Gerät wurde nach dem tödlichen Sturz einer Kadettin aus dem Mast der Gorch Fock angeschafft.

© Bundeswehr

Gorch Fock: Das Segelschulschiff bildet wieder Kadetten aus

Zwei Jahre nach dem Tod einer Offiziersanwärterin sticht der Dreimaster der Marine wieder in See. Die Kadetten müssen jetzt mehr trainieren als vorher. Aber ein Risiko bleibt.

Für die Marine ist es ein Neuanfang, für das Segelschulschiff Gorch Fock ein Stück wiedererlangte Kontinuität: Am Dienstag sticht das Segelschulschiff erstmals seit zwei Jahren wieder mit Offiziersanwärtern an Bord in See. Nach dem tödlichen Sturz einer 25-jährigen Kadettin aus der Takelage bei einem Hafenaufenthalt in Salvador de Bahia (Brasilien) war die Ausbildung auf dem Traditionssegler Ende 2010 eingestellt, der Kommandant des Schiffs ausgetauscht worden. Danach waren Fragen nach der Sinnhaftigkeit der Ausbildung, dem Drill und der Sicherheit an Bord der Gorch Fock laut geworden. In den folgenden Monaten befasste sich eine Expertenkommission mit der Frage, wie Unfälle auf dem Schiff verhindert und die Ausbildung auf dem Großsegler verbessert werden können. Teile der Ausbildung wurden daraufhin modifiziert sowie einige technische Veränderungen auf dem Dreimaster vorgenommen.

Die Marine setzt bei der Offiziersausbildung künftig vor allem auf körperliche Fitness. Bevor die Kadetten ihr „seemännisches Grundpraktikum“ auf der Gorch Fock beginnen, müssen sie an der Marineschule Mürwik (MSM)in Flensburg ein intensives Sporttraining absolvieren. Zwei- bis dreimal pro Woche üben sich die Kadetten etwa im Freihandklettern, machen Ausdauer- und Geschicklichkeitsläufe. „Die durchschnittliche Fitness der Deutschen ist heute deutlich schlechter als vor 30 Jahren“, sagt Fregattenkapitän Achim Winkler, der viele Jahre als Ausbilder auf der Gorch Fock tätig war. „Da gibt es sehr viele Defizite.“ Diese Zustandsbeschreibung treffe leider auch auf so manchen Offiziersanwärter zu, bestätigt Gabriele Kohlisch, Leitende Sportlehrerin an der MSM: „Einige Kadetten, die zu uns kommen, können nicht einmal schwimmen.“ Dabei sei körperliche Ertüchtigung für Seeleute nicht nur wichtig, um für den Einsatz an Bord gewappnet zu sein. „Die jungen Leute sollen sich quälen, um die Grenzen ihres Körpers auszutesten“, sagt sie. Nur wenige Offiziersanwärter seien sich über ihre Leistungsfähigkeit bewusst. Hinzu käme bei manchen „eine gewisse Trägheit“; man müsse sie fortwährend zum Training antreiben.

Wenn der Wind in die Segel bläst, die See sich auftürmt und das Schiff sich schräg legt, sind auf der Gorch Fock nicht nur Kraft und Ausdauer, sondern auch Tempo und Geschicklichkeit gefragt. Zieht etwa ein Sturm auf, bleiben den Marine-Soldaten oft nur wenige Minuten, um in die Takelage aufzuentern und die Segel einzuholen. Bei dieser Tätigkeit sind die Offiziersanwärter auf der Gorch Fock nicht durchgehend gesichert. Dass das nicht ganz ungefährlich ist, zeigt ein Blick auf die Todesfälle an Bord: Sechs Soldaten kamen seit Indienststellung des Schiffs im Jahr 1958 auf dem Großsegler zu Tode – fünf davon stürzten aus der Takelage.

Für Fregattenkapitän Achim Winkler ist daher ein Übungsmast an der Marineschule Mürwik die größte neue Errungenschaft für die angehenden Marineoffiziere. Zwar ist der mit seinen 28 Metern rund 20 Meter niedriger als sein Pendant auf der Gorch Fock. „Das reicht für die Ausbildung aber völlig aus“, ist sich Fregattenkapitän Winkler sicher. An dem Übungsmast könnten sich die Kadetten gesichert an die Höhe, das Auf- und Abentern in der Takelage und weitere Abläufe an Bord gewöhnen. Bislang gab es diese Übungsphase an Land nicht: Die Offiziersanwärter mussten sich 14 Tage nach Ausbildungsbeginn auf der Gorch Fock mit der Technik und den Befehlen vertraut machen. „Den Übungsmast hätte man schon viel früher aufbauen sollen“, sagt Fregattenkapitän Winkler. „Aber wie so oft musste erst etwas passieren, dass man auf solche Ideen kommt.“ Den Ausbildern gäbe das Übungsentern zudem die Möglichkeit, die Höhentauglichkeit der Offiziersanwärter schon vor dem „Ernstfall“ zu testen – und fürs Klettern Ungeeignete noch an Land herauszufiltern. „Diese Leute müssen ihre Ausbildung nicht abbrechen, sie bekommen nur kein Zertifikat für Höhentauglichkeit“, erläutert Winkler. Das bedeutet, dass die Kadetten im weiteren Verlauf der Ausbildung nicht in die Takelage steigen dürfen, an Bord aber andere Aufgaben übernehmen.

Neben dem aufwendigen Training hat die Marine auch in die Sicherheitstechnik auf der Gorch Fock investiert. So wurden an den Querverstrebungen an den Masten feste Übersteigsicherungen installiert, an denen sich die Soldaten künftig mit Karabinerhaken „einpiken“ und die Kante überklettern können.

Ob all diese Vorsichtsmaßnahmen greifen, muss sich in der Praxis erst noch erweisen. Diesmal soll der Wind die Gorch Fock von Gran Canaria auf die Azoren, nach Lissabon und London tragen.

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