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Bundesfinanzminister Olaf Scholz beim G20-Treffen in Buenos Aires.

© Natacha Pisarenko/dpa

Jörg Kukies von Goldman Sachs: Union kritisiert Scholz-Entscheidung für Investmentbanker

Der Goldman-Sachs-Mann Jörg Kukies wird Staatssekretär im SPD-geführten Finanzministerium. Die Personalie sorgt für scharfe Kritik beim Koalitionspartner.

In der Union reibt man sich die Augen: Der neue Bundesfinanzminister Olaf Scholz, Sozialdemokrat, holt sich einen Investmentbanker als neuen Staatssekretär ins Ressort. Jörg Kukies, bisher Ko-Chef der deutschen Niederlassung der US-Investmentbank Goldman Sachs, soll ausgerechnet für Banken- und Finanzmarktregulierung zuständig werden. „Ich wundere mich“, sagte der für Finanzen zuständige Unions-Fraktionsvize Ralph Brinkhaus dem Tagesspiegel. „Wenn wir das gemacht hätten, wären wir zerrissen worden.“ Und der selten um eine klare Meinung verlegene CDU-Haushaltspolitiker Eckhardt Rehberg meinte: „Da kommt jemand von der Heuschrecke.“

So bezeichnet man seit einigen Jahren in Deutschland Beteiligungsfirmen oder Finanzinvestoren, die eher im Hintergrund agieren oder mit so genannten Finanzinnovationen auf den Markt treten. Den Begriff prägte 2005 der damalige SPD-Chef Franz Müntefering: „Manche Finanzinvestoren verschwenden keinen Gedanken an die Menschen, deren Arbeitsplätze sie vernichten – sie bleiben anonym, haben kein Gesicht, fallen wie Heuschreckenschwärme über Unternehmen her, grasen sie ab und ziehen weiter. Gegen diese Form von Kapitalismus kämpfen wir“, sagte er. In der SPD wurde damals auch Goldman Sachs zu den Heuschrecken gezählt.

Kukies war einst Juso-Chef und ist SPD-Mitglied

Nun wird die Personalentscheidung von Scholz in der SPD verteidigt (wobei man wissen muss, dass Kukies einst Juso-Chef in Rheinland-Pfalz war und SPD-Mitglied ist). Swen Schulz, Berliner SPD-Bundestagsabgeordneter, sagte dem Tagesspiegel: „Das ist eine spannende Personalentscheidung, jemanden mit dieser beruflichen Erfahrung zum Staatssekretär im Finanzministerium zu machen.“ Schulz fügte hinzu: „Jörg Kukies wird aber unter Beobachtung stehen. Ich werde genau hinsehen, was er macht, und das wird die SPD-Fraktion auch tun.“

Zuvor hatte Thorsten Schäfer-Gümbel, SPD-Vize und Parteilinker, getwittert: „Freue mich sehr über die Berufung von Jörg Kukies als neuen Staatssekretär im Bundesfinanzministerium. Kenne ihn lange und schätze seinen Sachverstand und sein Verantwortungsverständnis.“

"Generalverdacht gegen kompetenten Finanzexperten"

Harald Christ, Schatzmeister des SPD-Wirtschaftsforums, wies die Kritik an der Berufung des Bankers als „abstoßend und bösartig“ zurück. Es sei unerträglich, wenn Kukies unterstellt werde, er werde als langjähriger Investmentbanker in seinem neuen Amt nicht die Interessen der Allgemeinheit, sondern der Finanzindustrie vertreten, sagte Christ dem Tagesspiegel. „Mit diesem absurden Generalverdacht soll ein hochanerkannter und kompetenter Finanzexperte diskreditiert werden.“

Wenn Spitzenmanager bei einem Wechsel in die Politik derartigen Vorwürfen ausgesetzt seien, müsse man sich nicht wundern, wenn sie nicht für politische Aufgaben zur Verfügung stünden. „Es schadet dem Standort Deutschland immens, wenn am Ende nur noch Berufspolitiker ohne langjährige Praxiserfahrung in der Verantwortung stehen.“

Jörg Kukies, künftiger Staatssekretär im Bundesfinanzministerium.
Jörg Kukies, künftiger Staatssekretär im Bundesfinanzministerium.

© Goldman Sachs/dpa

Bei Goldman Sachs war Kukies auch für Derivat-Produkte zuständig

Rehberg sagte dagegen der „Passauer Neuen Presse“, es stelle sich die Frage, ob Kukies „wirklich dem Interesse der Bundesregierung oder denen seines früheren Geschäftsbereiches dient". Die Personalie sei "eine fragwürdige Entscheidung".

Zu den Kritikern zählt auch der Grünen-Finanzpolitiker Gerhard Schick. Er gibt zu bedenken, dass Kukies seit 20 Jahren bei Goldman Sachs nicht zuletzt mit den umstrittenen strukturierten Produkten beschäftigt gewesen sei. Formen dieser Derivat-Produkte gelten als Auslöser der globalen Finanzkrise nach 2007. Schick sagte dem Tagesspiegel: „Kukies war ein einem sehr intransparenten Bereich tätig, der durch eine stärkere Regulierung zurückgestutzt werden muss.“ Es stelle sich daher die Frage, ob und wie weit Kukies das durchsetzen werde und ob es angesichts des Zusammenhangs von beruflichem Werdegang und Regierungstätigkeit eher zu Kontinuität des Handelns komme oder zu einem Perspektivwechsel.

Europa und Finanzmarktpolitik werden künftig seine Themen sein

Kukies begann nach einem Studium in Harvard und Chicago 2001 bei Goldman Sachs und rückte dort bis zum Partner und Ko-Chef der Deutschland-Filiale auf. Am Montag gab das Bundesfinanzministerium bekannt, dass der 50-Jährige als Nachfolger des beamteten Staatssekretärs Thomas Steffen für die Themen Europa und Finanzmarktpolitik zuständig werde. Der Aktienexperte solle sich vor allem um Fragen der Finanzmarktregulierung sowie die weitere Absicherung des europäischen Bankensektors und die übrigen Europadossiers kümmern, hieß es wörtlich.

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