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In der Steuerpolitik ist internationale Kooperation gefragt - über Europa hinaus.

© imago images/Jens Schicke

Global Challenges: Nur gemeinsam sind wir stark

Die weltweite Kooperation bei der Mindeststeuer sollte auch in der Klimapolitik Schule machen. Ein Gastbeitrag,

Ein Gastbeitrag von Veronika Grimm

Global Challenges ist eine Marke der DvH Medien. Das neue Institut möchte die Diskussion geopolitischer Themen durch Veröffentlichungen anerkannter Experten vorantreiben. Heute ein Beitrag von Veronika Grimm, Professorin für Volkswirtschaft an der FAU-Universität Erlangen-Nürnberg und seit 2020 Mitglied im Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. Weitere AutorInnen sind Sigmar Gabriel, Günther H. Oettinger, Prof. Dr. Ann-Kristin Achleitner, Prof. Jörg Rocholl PhD, Prof. Dr. Bert Rürup. Prof. Dr. Renate Schubert und Jürgen Trittin.

Die Einigung der G20-Länder auf eine globale Mindeststeuer ist ein großer Erfolg. Nachdem schon länger über ein System effektiver globaler Mindeststeuern verhandelt worden war, verständigten sich zunächst die G7-Staaten, dann 132 OECD-Länder und letztlich die G20 auf das Vorhaben. Im Oktober sollen die Staats- und Regierungschefs der G20 nach Klärung weiterer Details ihre Zustimmung geben – die Reform könnte dann schon 2023 in Kraft treten.

Ein Entgegenkommen der USA nach dem Regierungswechsel ermöglichte die Entwicklung. Auch die Pläne für eine europäische Digitalsteuer dürften einen Einfluss gehabt haben – sie ist nicht im Interesse der USA, die ihre Zustimmung zur globalen Steuerreform nun davon abhängig machen, dass die EU ihre Digitalsteuerpläne beerdigt.

Das multilaterale Vorgehen erleichtert es, Praktiken zurückzudrängen, bei denen durch geschickte Buchhaltung Milliarden an Gewinnen gar nicht oder nur in geringem Umfang versteuert werden. Vor allem mit dem Wachstum digitaler Geschäftsmodelle ist das besonders einfach geworden. Patente und immaterielle Vermögenswerte sind leicht ins Ausland zu verschieben, und Digitalkonzerne können in Märkten tätig sein, ohne vor Ort eine Betriebsstätte im steuerrechtlichen Sinn zu haben. Neben Digitalkonzernen werden auch andere international tätige Großunternehmen von der globalen Steuerreform betroffen sein.

Die globale Steuerreform besteht aus zwei Säulen. Die erste Säule umfasst Regelungen zur internationalen Umverteilung von Besteuerungsrechten in den Marktstaaten: Unternehmen müssten dann nicht mehr vor allem dort Steuern zahlen, wo sie beheimatet sind, die Besteuerung würde vielmehr stärker davon abhängen, wo sie ihren Umsatz erzielen.

Nur wenige Großunternehmen sind betroffen

Diese Regelungen sollen nur auf sehr große Konzerne angewandt werden, die einen Jahresumsatz von mindestens 20 Milliarden Euro und eine Profitabilität von mindestens zehn Prozent aufweisen. Nach aktuellen Einschätzungen liegt die Zahl der betroffenen deutschen Unternehmen im unteren einstelligen Bereich. Digitalkonzerne wie Apple, Google, Facebook und Amazon müssten mehr Steuern in Europa zahlen. Allerdings würde sich wohl auch ein Teil der Steuerzahlungen großer deutscher Konzerne in andere Länder wie etwa China verlagern.

Die zweite Säule umfasst Regelungen zur effektiven globalen Mindestbesteuerung in Höhe von 15 Prozent. Diese Säule betrifft Unternehmen mit einem Jahresumsatz von mindestens 750 Millionen Euro. Laut Statistischem Bundesamt lägen etwa 800 Unternehmen mit rechtlichem Sitz in Deutschland über dieser Umsatzschwelle.

Durch die Einschränkung des internationalen Steuerwettbewerbs und dem Wegfall von „kreativen“ Steuerplanungen sind weltweit höhere Einnahmen aus der Körperschaftsteuer zu erwarten. Außerdem wird die Reform Steuereinnahmen zwischen Staaten verschieben. Die OECD rechnet weltweit mit zusätzlichen Einnahmen von 150 Milliarden US-Dollar pro Jahr und einer Verschiebung von Unternehmenssteuern von 100 Milliarden Dollar.

Länder mit großen Märkten profitieren

Profiteure werden vor allem Länder mit großen Märkten wie die USA, China oder Indien sein, denen es besser gelingen dürfte, insbesondere die Digitalkonzerne zu besteuern. Deutschland wird nach Schätzung des Bundesfinanzministeriums ebenfalls profitieren, allerdings nicht in ähnlichem Umfang: Wegen der deutschen Exportstärke stehen den Mehreinnahmen Mindereinnahmen durch die Verlagerung von Besteuerungsrechten in Marktstaaten gegenüber.

Schätzungen gehen von einem zusätzlichen Aufkommen von rund 700 Millionen bis zu einer Milliarde Euro aus. Die Schätzung des zusätzlichen Steueraufkommens wird durch noch ungeklärte Regelungen zur Bemessungsgrundlage erschwert. So gibt es beispielsweise noch keine gemeinsame Definition des zu versteuernden Gewinns. Außerdem sollen verschiedene Sektoren wie etwa die Finanzindustrie oder auch die Öl- und Gasindustrie womöglich nicht der Mindeststeuer aus Säule zwei unterliegen. Zu erwarten ist auch, dass Unternehmen Möglichkeiten nutzen werden, sich der Mindestbesteuerung zu entziehen – etwa durch neue Eigentumsstrukturen, so dass sie die Umsatzschwellen unterschreiten.

Man sollte also nicht erwarten, dass die globale Steuerreform die Steuervermeidung oder den Steuerwettbewerb vollständig eindämmen kann. Gleichwohl wird Steuervermeidung schwieriger werden. Da die Reform die Komplexität des internationalen Steuerrechts erheblich erhöhen wird, ist die Beschränkung auf große Unternehmen richtig. Klar ist: Je mehr Staaten mitmachen, desto effektiver lässt sich das Konzept umsetzen. Es gibt aber Gründe, warum Staaten den Vorstoß ablehnen. Denn Länder können durch günstige Steuersätze Standortnachteile ausgleichen. Das ermöglicht Ländern wie Estland oder Irland eine schnellere wirtschaftliche Entwicklung. Es ist wichtig, einen sinnvollen Steuerwettbewerb zwischen Staaten nicht zu unterbinden.

Vor diesem Hintergrund ist der moderate Mindeststeuersatz von 15 Prozent ein möglicher Weg, einen Konsens etwa in der Europäischen Union herzustellen. Gelingt dies wegen des Einstimmigkeitsprinzips nicht, bliebe der Weg einer verstärkten Zusammenarbeit der Nicht-Veto-Staaten.

Was ist die Bemessungsgrundlage?

Wichtige Details der Reform sind noch zu klären, bevor im Oktober die Staats- und Regierungschefs die Mindeststeuer beschließen sollen. Das gilt besonders für die Definition der Bemessungsgrundlage, also die Spezifikation des zu besteuernden Gewinns. Diese Definition ist deutlich schwieriger als die Festlegung des Steuersatzes, wird aber letztlich entscheidend für die Effektivität der globalen Mindeststeuer sein.

Die Einigung auf die globale Steuerreform wird auch davon abhängen, ob die Europäische Union ihre Pläne für eine europäische Digitalsteuer tatsächlich aufgibt und einzelne Mitglieder ihre nationalen Digitalsteuern zurücknehmen. Angesichts der aktuellen Möglichkeit, eine globale Mindeststeuer-Kooperation zu erreichen, wäre dies der richtige Schritt. Sollten die Digitalsteuern fallen, waren sie dennoch nicht vergebens, weil sie die Einigung auf eine globale Steuerreform fördern konnten.

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Nicht nur in punkto Mindeststeuer besteht wieder mehr Offenheit der USA für ein gemeinsames Vorgehen in globalen Fragen. Kaum war die Steuer vereinbart, sprachen die G20 prompt auch über den Klimaschutz. Ein Klimaclub wurde ins Spiel gebracht, der die Politik der großen Wirtschaftsräume koordiniert, die potenzielle Konkurrenz durch fossile Geschäftsmodelle abmildert und dadurch allen mehr Ambitionen beim Klimaschutz ermöglicht.

Bestünde für die USA die Möglichkeit, Pläne der EU für einen CO2-Grenzausgleich zu stoppen, so könnte dies eine Einigung befördern. Der Nutzen für die Weltgemeinschaft wäre noch deutlich größer als bei der Mindeststeuer. Globale Kooperation ist ein mühsamer Weg. Ob wir die großen Herausforderungen unserer Zeit meistern, wird aber immer mehr davon abhängen, gemeinsame Wege zu finden.

Veronika Grimm

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