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EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen.

© imago images/SNA

Global Challenges: "Ich reise mit einer Mischung aus Hoffnung und Entschlossenheit nach Glasgow"

Auf der kommenden Klimakonferenz muss die CO2-Absenkung verbindlich festgelegt werden. In diesem Jahrzehnt geht es um alles oder nichts. Ein Gastbeitrag.

Ein Gastbeitrag von Ursula von der Leyen

Global Challenges ist eine Marke der DvH Medien. Das Institut möchte die Diskussion geopolitischer Themen durch Veröffentlichungen anerkannter Experten vorantreiben. Regelmäßige Autoren und Autorinnen sind Prof. Dr. Ann-Kristin Achleitner, Sigmar Gabriel, Jürgen Trittin, Günther Oettinger, Prof. Dr. Bert Rürup, Prof. Dr. Veronika Grimm, Prof. Jörg Rocholl PhD und Prof. Dr. Renate Schubert. Heute ein Beitrag von Ursula von der Leyen, Präsidentin der EU-Kommission.

Bis Anfang Oktober dieses Jahres wurden in Deutschland bereits mehr Elektroautos zugelassen als im gesamten Vorjahr. Und bei den Banken und Finanzinstituten ist die Nachfrage nach grünen, nachhaltigen Anlageformen so groß wie nie zuvor. Dazu kommt die Stahlindustrie. Sie steigt in Projekte ein, die grünen Wasserstoff fördern und so in naher Zukunft für sauberen Stahl sorgen können.

Die drei Beispiele zeigen: Die Menschen und die Wirtschaft haben sich auf den Weg gemacht zu mehr Nachhaltigkeit und zur Klimaneutralität. Sie streben eine Wirtschaft an, die unserem Planeten nicht mehr nimmt als sie ihm gibt und gleichzeitig unseren Wohlstand erhält. Europa steht weltweit an der Spitze dieser Bewegung. Daher wird sich die Europäische Union auch mit großem Engagement dafür einsetzen, dass die Uno-Klimakonferenz in Glasgow ein Erfolg wird.

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Ich reise mit einer Mischung aus Hoffnung und Entschlossenheit nach Glasgow. Die Klimakrise ist eine existenzielle Bedrohung. Es geht in diesem Jahrzehnt um alles oder nichts. Die Konferenz ist für mich dann ein Erfolg, wenn es uns als internationaler Gemeinschaft gelingt, das große gemeinsame Klimaziel zu halten. Wir müssen uns auf konkrete Schritte zur Senkung der Emissionen einigen, um die globale Erwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen.

Die Ereignisse des Sommers haben uns nur allzu deutlich vor Augen geführt, warum wir handeln müssen. Extreme Wetterereignisse, wie etwa die schweren Überschwemmungen in Deutschland und Belgien oder die schlimme Waldbrände in Südeuropa. Solche Phänomene werden sich aufgrund des Klimawandels häufen. Die Vereinten Nationen haben kürzlich den Bericht des Weltklimarats vorgelegt. Er lässt keinen Zweifel. Der Klimawandel ist menschengemacht. Aber gerade weil er menschengemacht ist, können wir auch dagegen vorgehen.

Europa will der erste klimaneutrale Kontinent sein

Europas Plan dafür steht. Europa will bis zum Jahr 2050 der erste klimaneutrale Kontinent der Erde sein. Dafür werden wir bis zum Jahr 2030 den Ausstoß der Treibhausgase um mindestens 55 Prozent senken. Die Europäische Kommission hat vor zwei Jahren den Europäischen Green Deal ins Leben gerufen. Im April haben wir unsere Ziele in das erste europäische Klimaschutzgesetz gegossen.

Damit liefern wir, was Europas Unternehmen schon seit Jahren fordern: Klare, glaubwürdige und verlässliche Ziele, die ihnen Planungssicherheit für die Zukunft geben. Und viele in der Welt folgen uns inzwischen: die USA, Japan, Südkorea und Südafrika. Sie alle verpflichten sich auf verbindliche Klimaziele. Das ist gut. Aber ebenso wichtig ist es, diese Ziele mit konkreten Vorhaben zu unterfüttern.

[Lesen Sie hier bei T-Plus: Klimakonferenz in Glasgow: "Die Jugend drängt auf Beteiligung bei der COP26".]

Auch hier ist Europa Vorbild. Wir sind die erste große Volkswirtschaft, die zur Umsetzung der Ziele den Fahrplan vorgelegt hat – Sektor für Sektor, Branche für Branche. Wir setzen damit genau das um, was das Bundesverfassungsgericht und andere europäische Gerichte angemahnt haben: Wir reichen schwierige Entscheidungen nicht einfach an künftige Generationen weiter. Sondern wir handeln jetzt und zeigen den Weg nach vorne. Wir setzen dabei auf bewährte Instrumente unserer Marktwirtschaft, zum Beispiel auf einen erweiterten Emissionshandel. Der fördert die Umstellung auf saubere Energie. Wir investieren in intelligentere Autos, mehr Schnellzugverbindungen und klimaschonendere Produktionsstraßen.

Dieser Fahrplan in Richtung Klimaneutralität ist auch in unserem Haushalt finanziell hinterlegt. Das europäische Budget zusammen mit unserem Wiederaufbauplan NextGenerationEU umfasst 2,1 Billionen Euro. Mehr als ein Drittel dieser Gelder sind für den Europäischen Green Deal vorgesehen - zum Beispiel für die klimafreundliche Sanierung von Altbauten, für ein flächendeckendes Netz von Ladestationen, für Elektroautos oder den Ausbau erneuerbarer Energien.

Die Klimawende ist eine grundlegende Transformation

Wie sehr sich diese Investitionen auszahlen, zeigt der Fortschritt bei den erneuerbaren Energien: Deren Produktionskosten sind in der letzten Dekade drastisch gefallen, während etwas Gaspreise rasant anstiegen. Und sie tragen nicht nur zum Klimaschutz bei, sondern verringert auch unsere Abhängigkeit von fossilem Brennstoff aus dem Ausland.

Die Klimawende ist eine grundlegende Transformation. Sie verlangt uns vieles ab, birgt aber auch enorme Chancen. Europas Unternehmen haben das Potenzial innovativer und sauberer Technologie sehr viel früher als andere erkannt. Damit können sie die Marktführerschaft und Arbeitsplätze im europäischen Binnenmarkt mit 450 Millionen Verbraucherinnen und Verbrauchern sichern. Und sie können diesen Vorsprung auch auf den Weltmärkten nutzen.

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Aber diese Transformation wird nur erfolgreich sein, wenn wir ein Grundprinzip der sozialen Marktwirtschaft beherzigen: den sozialen Ausgleich. Deshalb haben wir für die Zukunft einen neuen Klima-Sozialfonds mit einem Volumen von mehr als 70 Milliarden Euro vorgeschlagen.

Das Weltklima können wir nur gemeinsam retten. Ähnlich wie Europa müssen auch die anderen großen Volkswirtschaften konkret darlegen, wie sie ihre Ziele erreichen wollen. Darum geht es bei der 26. UN-Klimakonferenz in Glasgow. Die Konferenz wird für die Weltgemeinschaft eine Stunde der Wahrheit sein. Jedes Land steht in der Verantwortung!

Die Vorbereitungen laufen: Glasgow wird kommende Woche Gastgeber für die 26. UN-Klimakonferenz.
Die Vorbereitungen laufen: Glasgow wird kommende Woche Gastgeber für die 26. UN-Klimakonferenz.

© imago images/i Images

Gerade weniger entwickelte Länder sind auf externe Finanzierung ihrer Klimamaßnahmen angewiesen, auch das wird Thema in Glasgow sein. Die großen Volkswirtschaften haben sich dazu verpflichtet, bis 2025 jährlich 100 Milliarden Dollar für Klimaschutzmaßnahmen der ärmsten Länder bereitzustellen.

Wir in Europa erfüllen diese Verpflichtung seit Jahren. Team Europa, also die EU und ihre Mitgliedstaaten, steuert jedes Jahr 25 Milliarden Dollar zum gemeinsamen Ziel bei. Und wir sind bereit, zusätzliche fünf Milliarden Dollar für die Finanzierung dieser Klimamaßnahmen bis 2027 zu leisten. Leider sind andere große Industrienationen bei der Umsetzung des globalen Ziels teils erheblich im Rückstand. Wir erwarten von unseren Partnern, dass auch sie ihre Finanzierungszusagen erhöhen. Der Weg zur Klimaneutralität ist eine Herausforderung für uns alle. Aber wir haben bereits bewiesen, wozu wir in der Lage sind.

Seit 1990 sind die Treibhausgasemissionen schon um 25 Prozent gesunken. Im selben Zeitraum ist unsere Wirtschaft um mehr als 60 Prozent gewachsen. Dazu kommt, dass wir heute viel besser aufgestellt sind, um unsere Einsparungsziele tatsächlich auch zu erreichen. Wir haben modernere Technologien, wir haben mehr Expertise und wir haben die notwendigen Investitionen, um klimafreundliches Wachstum zu stärken. Am wichtigsten aber ist, dass die Menschen mehr denn je hinter dem Klimaschutz stehen. Die vielen jungen Menschen, die auf die Straße gehen wie auch die Eltern und Großeltern, die ihren Kindern und Enkelinnen einen gesunden Planeten hinterlassen wollen. Ihnen insbesondere schulden wir, dass unser Europäischer Green Deal ein Erfolg wird. Gute Ergebnisse in Glasgow sind eine enorm wichtige Zwischenstation auf diesem Weg.

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