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Die Quote kommt, jetzt auch für den Vorstand in börsennotierten Unternehmen.

© picture alliance / dpa

Gleichstellung per Gesetz: Auch die Quote steckt in der Krise

Die neue Regelung für Top-Positionen in der Wirtschaft kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass Frauenpolitik Rückschläge erlitten hat. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Jost Müller-Neuhof

Die Quote war mal ein Aufregerthema in der Politik, nun ist sie in deren Niederungen angekommen. Oder steckengeblieben, je nach Sichtweise. Zum zweiten Mal hat das Kabinett ein Gesetz zur Führungspositionenvergabe beschlossen, kurz FüPoG II, um nun unter anderem den Geschlechtermix im Vorstand börsennotierter Unternehmen abzusichern; zugunsten von Frauen.

Wirtschaftsliberale Kritiker, die dergleichen als Entmündigung geißelten, sind im Ruhestand. In einem ehedem für männliche Sichtweisen bekannten Wirtschaftsmedium war zu lesen, das neue FüPoG sei eine „Verschärfung“ des alten.

Das klingt nach Strafgesetz oder so, als mache man sich per Herrenwitz über die FüPoGs lustig – hätte dies nicht eine Frau geschrieben, die das FüPoG II durchaus begrüßt. Es zeigt sich, die Quote wird Normalität. Mit ersten Anzeichen von Banalität.

Es bleibt Parteien überlassen, Frauen zu fördern. Oder eben nicht

Dieser Erfolg der Ministerinnen Lambrecht (Justiz) und Giffey (Familie) kann jedoch nicht darüber hinwegtäuschen, dass dem Gestaltungsauftrag des Grundgesetzes, wonach der Staat auf die „Beseitigung bestehender Nachteile“ zwischen Männern und Frauen hinzuwirken habe, zuletzt nur eingeschränkt entsprochen wurde.

Die in Thüringen und Brandenburg verabschiedeten Paritätsgesetze, mit denen Frauen in Parlamente gebracht werden sollten, scheiterten vor den Verfassungsgerichten. Nun bleibt es im Jahr 2021 mit einer Bundestags- und sechs Landtagswahlen den Parteien überlassen, Frauen zu fördern. Oder eben nicht.

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Symbolisch für den Missstand steht die Kandidatenriege für den CDU-Parteivorsitz. Zwei Männer und ein Doppel-Mann-Team. Frauenpower (so hieß das früher) vermisst man auch bei Grünen und SPD, wo sich die letzte Hoffnung mit dem Männernamen Olaf verbindet.

Stattdessen richtet sich eine gewisse öffentliche Aufmerksamkeit darauf, welche Frau an jeweils welchen Mannes Seite diesen bei seinem Kandidatenauftritt schmücken darf. Am Grund der Dinge ein anti-emanzipatorisches Trauerspiel.

Chauvinismus, getarnt als Einfalt

Ein weiterer Tiefpunkt war die kommentarlose Erledigung eines Gesetzentwurfs aus dem Hause Lambrecht, der durchgängig im Femininum geschrieben war. Ein im Prinzip überfälliger Gedanke, der zumal deshalb angebracht war, weil es bei der im letzten Herbst anstehenden Insolvenzrechtsreform um juristische Gesellschaften wie GmbHs oder Aktiengesellschaften ging.

Die sind nun mal Gläubigerinnen oder Schuldnerinnen. Der Einwand aus Horst Seehofers Innenministerium, das Gesetz könne verfassungswidrig sein, weil es nur für Frauen gelte, darf als Chauvinismus gelten, der sich als Einfalt tarnt. Oder andersherum.

Dass Lambrecht diesem Einwand folgte und ihr Projekt nach der üblichen „Bild“-Dosis öffentlicher Empörung kassierte, zeigt, dass auch in der SPD immer noch die SPD wichtiger ist als jedes Frauenthema.

Das Coronavirus wurde nun auch noch als weiterer Killer weiblicher Job-Ambitionen beschrieben. Wenn das stimmt, sind weitere FüPoGs absehbar zu wenig. Dann braucht es die Bazooka.

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