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Ein Gebetsbuch und die "AndachtsApp" der Evangelischen Landeskirche. Die Kirche wird langsam digitaler.

© Kim Zickenheiner/dpa

Glaube, Hoffnung, Smartphone: Die Kirche muss sich digitalisieren

Smartphones gehören längst zum Alltag und fast alle Deutschen unter 30 nutzen soziale Medien. Das sollten auch die Kirchen endlich ernst nehmen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Der Evangelische Kirchentag beginnt, und wenn er versuchen sollte, ein Fest der Aufklärung zu sein, dann wird er gut werden. Nicht in dem Sinn, dass programmatisch wird, was der Journalist Hans Leyendecker als Präsident repräsentiert: die Investigation. Sondern weil Kirche das Aufklärerische benötigt. Voran diese drei Fragen: Was kann ich wissen, was soll ich tun, was darf ich hoffen? Wer dem folgt, dafür Antworten sucht, der macht sich auf den Weg, Vertrauen zu stiften.

„Zukunftsvertrauen in der digitalen Moderne“ lautet denn auch ein Forum, das mit dem Bundespräsidenten. Das Thema ist ein, wenn nicht das Zeitzeichen. Und aktueller denn je, gerade nach all dem, was in den vergangenen Tagen zum Lübcke-Mord von Kassel über Hass und Hetze und anderes im Netz berichtet worden ist.

Heute redet jeder von Digitalisierung. Aber was ist das überhaupt, Digitalisierung? Sicher nicht mehr „Neuland“, wie das geflügelte Wort der Bundeskanzlerin lautete. Also jedenfalls nicht generell. Aber doch immer wieder auch Neuland, weil die Entwicklung nicht mehr Halt macht. Die Digitalisierung ist mit WLan in ICE‘s oder smarten Uhren längst nicht abgeschlossen. Oder mit „Breitband für alle“. Digitalisierung bedeutet eine Veränderung von Prozessen, von kommunikativen, technischen, ökonomischen.

Die Welt ist im Umbruch, das kann schon Angst machen. Zumal Digitalisierung die „dritte industrielle Revolution“ ist, eine, wie wir sie seit 200 Jahren nicht erlebt haben. Mittlerweile kann ja fast alles digitalisiert werden. Anfang der 2000er Jahre war es zum ersten Mal möglich, mehr digital als analog vorzuhalten. Die Veränderung kommt mit der immer weiter verbreiteten Nutzung digitaler Geräte. Computer und Smartphone und Smartwatch, Fernseher, Kühlschrank, die Heizung – digital wird’s überall. Informationen werden digital gespeichert und verarbeitet.

Die Arbeitswelt ändert sich komplett

Was bedeutet: Die Arbeitswelt ändert sich komplett. Können immer mehr Arbeiten von Maschinen erledigt werden, schneller und günstiger als von Menschen, müssen Menschen umdenken. Das ist Risiko wie Chance. Alles ist im fortwährenden Stadium der Selbstvergewisserung, alle sind betroffen, logischerweise, wo es sich doch um einen gesamtgesellschaftlichen Veränderungsprozess handelt. Um eine Transformation hin zu immer mehr Technologie und besserer Infrastruktur. Was in der Folge dazu führt, dass sich in der Gesellschaft die sogenannte Wertschöpfungskette ändert, und dass neue Denkmodelle nach neuen Geschäftsmodellen verlangen.

Denn so ist es: Zwei Drittel aller Menschen in Deutschland nutzen soziale Medien. Bei den unter 30-Jährigen sind es nach einer Fachstudie (D21) fast alle. Noch einmal, zur Verdeutlichung, was „Digitale Transformation“ umfasst: Bei den 14- bis 19-Jährigen sind es 98 Prozent, bei den 20- bis 29-Jährigen 99 Prozent, die Social Media nutzen. Und ein Großteil der Kinder nutzt schon Smartphones, bevor sie richtig lesen und schreiben können.

Smartphone gehört zum Alltag

Nach einer repräsentativen Umfrage des Digitalverbands Bitkom bei 900 Kindern und Jugendlichen gehört das Smartphone inzwischen zum Alltag von mehr als jedem zweiten Kind zwischen sechs und sieben Jahren. Bei Schulkindern in der ersten und zweiten Klasse wird es drastisch stärker genutzt als noch vor fünf Jahren, da lag die Nutzung in dieser Altersgruppe bei nur 20 Prozent.

Am Mittwochabend beginnt der 37. Deutsche Evangelischer Kirchentag in Dortmund.
Am Mittwochabend beginnt der 37. Deutsche Evangelischer Kirchentag in Dortmund.

© Bernd Thissen/dpa

Im Alter von zehn besitzen bereits drei von vier Kindern ein eigenes Gerät, ab zwölf sind es sage und schreibe 95 Prozent. Allerdings sind bei den ganz jungen Kindern im Alter von sechs bis sieben Tablets beliebter als Smartphones. Die Tablets der Eltern, wohlgemerkt. Wenn sie älter werden, 16 bis 18 sind, dann sind die Tablets nur noch bei 53 Prozent gängig, während 97 Prozent das Smartphone nutzen.

Neuer Missionsraum im Internet

Das ist die Lebenswirklichkeit, nicht zuletzt die von Kindern und Jugendlichen. Die Zahlen sprechen eine klare Sprache; eine, die auch Kirche lernen und sprechen muss. Kinder und Jugendliche, die fast alle ein Smartphone haben und die meisten auch noch einen Computer; die sich demzufolge zu mehr als 50 Prozent ein Leben ohne beides gar nicht vorstellen können; die zu 88 Prozent damit Musik hören und Videos im Internet schauen; die zu fast drei Vierteln Nachrichten damit versenden – die alle müssen adressiert werden. In der Weite des Internets entsteht auch ein neuer Missionsraum.

Der Begriff Kultur kommt, wie Transformation, aus dem Lateinischen und bedeutet so viel wie pflegen, urbar machen. In diesem Fall für die Zukunft der Demokratie. Die Digitalisierung bietet die kulturelle Chance, auf allen Kanälen, auf allen Wegen ganz nah an die Menschen in ihren Lebenswelten heranzurücken, und sei es in speziellen Zielgruppen. Kirche muss – mehr denn je, weil die Zahl der Menschen in ihr geringer wird – Autorität und Ratgeber sein, Schule des Glaubens und darin Geschichtenerzähler. Die Bibel ist ein Geschichts- und Geschichtenbuch. Das ist nicht gestrig, sondern Rüstzeug fürs Morgen.

Diskurs, Öffnung, eine neue Art der Ansprache – wer das einübt, stärkt demokratische Funktionen für die Grundlagen des Staatswesens. Nach den Grundsätzen christlicher Medienethik, die lauten: Informieren, bewusst machen, betroffen machen. Glaube, Hoffnung, Smartphone – wer das akzeptiert, erkennt Lebenswelten an. Wer sein Handeln daran ausrichtet, wer die Plattformen nutzt, erleidet den Wandel nicht, sondern gestaltet den eigenen Hallraum. Und schafft so mehr Zukunftsvertrauen in der digitalen Moderne. Einer Moderne, die ohnedies nicht aufzuhalten ist.

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