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Zum Abschluss: Joaquim Alvaro Pereira Leite (links), Umweltminister von Brasilien, Frans Timmermans, EU-Klimakommissar, John Kerry, Sondergesandter des US-Präsidenten für das Klima, und Xie Zhenhua, Chefverhandler von China, bei der UN-Klimakonferenz COP 26.

© Christoph Soeder/dpa

Glasgower Gradwanderung: Klimakonferenz erzielt Einigung – in letzter Minute noch abgeschwächt

Die jüngste Konferenz bringt Erfolge auf dem Weg zur Klimaneutralität. Bitter ist für viele Staaten die verwässerte Formulierung zum Kohleausstieg.

In letzter Minute haben Indien und China einen Beschlussentwurf der Klimakonferenz in Glasgow zum Ende der Kohle verändert. Statt von einem angestrebten Kohleausstieg („phase out“) ist nun nur noch von einem Herunterfahren der Kohle („phase down“) die Rede. Mehrere Staaten reagierten enttäuscht auf die Änderung. Um die Verabschiedung des gesamten Pakets, den „Glasgow Climate Pact“, nicht zu gefährden, seien sie aber bereit, „diese bittere Pille zu schlucken“, sagte die Vertreterin von Liechtenstein. COP-Präsident Alok Sharma entschuldigte sich, den Tränen nah, „für die Art, wie dieser Prozess verlaufen ist“.

Sichtlich erleichtert und mit Applaus nahmen die Delegierten dann das schnelle Durchwinken von mehreren Beschlüssen zu Artikel 6 aus dem Paris-Abkommen auf. Er betrifft den internationalen Austausch von CO2-Gutschriften. Projekte zur Minderung von Emissionen in dem einen Land können damit für die Erfüllung des Klimaziels in einem anderen Land angerechnet werden.

Wie Doppelzählungen und andere Tricks bei der Anrechnung vermieden werden könnten, war seit Jahren ein hart umkämpfter Verhandlungspunkt. Nun wurde ein Kompromiss gefunden, der auch nach Ansicht von Umweltorganisationen die größten Schlupflöcher schließt.

Um die Klimakonferenz auf die Zielgerade zu bringen, hatte EU-Klimakommissar Frans Timmermans zuletzt mit seinem großen rhetorischen Talent alle Register gezogen. Bei einer Aussprache zur Abschlusserklärung der Klimakonferenz in Glasgow holte er sein Handy hervor, zeigte das Foto seines Enkelsohns und appellierte an die Verhandelnden: „Im Jahr 2050 wird er 31 Jahre alt sein. Ich möchte nicht, dass er dann um Essen und Wasser kämpfen muss“, sagte Timmermans sichtlich angefasst.

Das Problem all dieser Appelle, an denen es auch bei dieser Klimakonferenz nicht mangelte: Bei den Verhandlungen geht es nicht darum, die Herzen zu bewegen. Es geht um Geld. Länder, die einen Großteil ihres Bruttosozialprodukts aus dem Verkauf von fossilen Energien gewinnen, werden nicht wegen der Enkelkinder anderer Leute in Regelungen einwilligen, die ihre eigene Machtbasis untergraben. Selbst, wenn es in ihrem eigenen langfristigen Interesse wäre. Denn letztendlich wird der Klimawandel auch Australien, Saudi-Arabien oder Russland treffen.

Saudis als Speerspitze fossiler Produzenten

Doch im kurzfristigen eigenen Interesse liegt der Widerstand etwa der Saudis gegen eine Formulierung in der Abschlusserklärung, die für ihr Land große Nachteile gebracht hätte: Die freiwilligen nationalen Selbstverpflichtungen zur Minderung von Treibhausgasen sollten der ersten Version der Abschlusserklärung nach so ausgerichtet werden, dass sie zusammen ausreichen, 1,5 Grad Erderwärmung nicht zu überschreiten.

An dieser Stelle muss man sogar zugestehen, dass Saudi-Arabien als Speerspitze der fossilen Produzenten im Recht war. Im Abkommen steht nicht, dass 1,5 Grad nicht überschritten werden dürfen. Die Formulierung lautet, „möglichst weit unter zwei Grad zu bleiben und möglichst nah an 1,5 Grad“ heranzukommen. Daher der Einwurf des langjährigen saudischen Chefverhandlers Ayman Shasly, es könne ja wohl nicht sein, dass die Pariser Ziele in Glasgow neu definiert würden. Die Formulierung wurde dann auch gestrichen zugunsten der weicheren Forderung, die nationalen Selbstverpflichtungen müssten an den Temperaturzielen des Abkommens ausgerichtet sein.

Es gibt durchaus Erfolge zu vermelden

Dennoch gibt es in Glasgow einige Erfolge zu vermelden. Mehrere neue Mechanismen sollen ehrgeizigere Maßnahmen bis 2030 befeuern. Hier mangelt es nämlich noch ganz erheblich an belastbaren Zusagen. Der Synthesebericht, der die Ziele auf ihre Folgen für die Erderwärmung überprüft, soll künftig jedes Jahr erscheinen.

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Ab der nächsten Klimakonferenz in Ägypten soll es jährlich einen hochrangig besetzten Runden Tisch geben, der über die Klimaambitionen bis 2030 berät. Und auch vor dem großen Kassensturz im Jahr 2023 zur Umsetzung des Paris-Abkommens soll es ein Treffen von Staats- und Regierungschefs geben.

Das hört sich erst einmal nicht nach harten Zwangsmaßnahmen an, aber die gibt es im UN-Klimaprozess ohnehin nicht. Das einzige Mittel bleibt weiterhin das Naming and Shaming, das Mit-dem-Finger-Zeigen auf Bremser und Nachzügler. Mit der Abschlusserklärung der Klimakonferenz in Glasgow gibt es für die Öffentlichkeit und für die besonders vom Klimawandel betroffenen Länder nun ein paar Möglichkeiten mehr, Klimasünder an den Pranger zu stellen.

Eine globale Allianz privater Geber

Dieser öffentliche Druck hat seit Paris schon einiges bewirkt. In Glasgow hat die Präsidentschaft des Gipfels dann ihr Bestes getan, um eine Aufbruchstimmung zu erzeugen, indem sie die Ankündigung von zahlreichen neuen Initiativen zum Klimaschutz an den Anfang der Konferenz setzte. Darunter fallen namentlich hohe Finanzzusagen für einen Kohleausstieg in Südafrika und ein Abkommen zur Minderung der stark klimaschädlichen Methanemissionen. Oder eine Allianz von privaten Gebern, die eine Milliarde Dollar für den Ausbau der erneuerbaren Energien in Ländern zur Verfügung stellt, in denen viele Menschen noch gar keinen Zugang zu Strom haben.

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Damit dies nicht nur schöne Ankündigungen bleiben, will UN-Generalsekretär Antonio Guterres eine Arbeitsgruppe einberufen. „Wir müssen jetzt die Qualität und Umsetzung der Pläne genauer betrachten, sie messen und analysieren, Berichterstattung, Transparenz und Rechenschaftspflicht prüfen“, sagte Guterres.

Was unmöglich schien, ist nun Konsens

Angesichts der bisher gelieferten Ergebnisse der Konferenz äußerte sich der Klimaforscher Hans-Joachim Schellnhuber vorsichtig optimistisch. „Noch in Paris war es undenkbar, die globale Dekarbonisierung bis 2050 zu beschließen. Das ist nun Konsens“, sagte er. Die großen Durchbrüche passierten „nicht auf den pompösen Konferenzen“, so der Forscher weiter, sondern vorher, „in bilateralen Verhandlungen und unzähligen gesellschaftlichen Veränderungen“. Diese Bewegung war in Glasgow überall zu spüren, auch wenn die Formulierungen zum Kohleausstieg und zum Ende von fossilen Subventionen abgeschwächt wurden.

Ungeklärt blieb allerdings, wie die reichen Länder, die den größten Anteil der Emissionen verursacht haben, für Schäden und Verluste durch den Klimawandel in armen und besonders verletzlichen Ländern aufkommen. Dafür ist immer noch keine Lösung gefunden. Für die nächste Klimakonferenz in Ägypten bleibt genug Arbeit übrig.

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