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Ein als US-Präsident Trump ausstaffierter Mensch vor dem Trump Tower in New York (USA) bietet an, sich kostenlos "mit Trump" fotografieren zu lassen.

© Michael Brochstein/ZUMA Wire/dpa

Gewalt von Charlottesville: Trump setzt Gegendemonstranten mit Neonazis gleich

Die Abkehr von der Abkehr. Nach Trumps erster Reaktion zur Rassisten-Kundgebung in Charlottesville hat er nun doch "beiden Seiten" die Schuld gegeben.

Im Trump Tower von New York, an jenem Ort, an dem er vor mehr als zwei Jahren seine Präsidentschaftskandidatur bekanntgab, ist Donald Trump zu seinen populistischen Wurzeln zurückgekehrt. Und wie. Nachdem er zu Wochenbeginn noch unter dem Druck der Öffentlichkeit die rechtsextremen Ausschreitungen in der Stadt Charlottesville verurteilt hatte, verteidigte der US-Präsident rund 24 Stunden später die Teilnehmer an dem rechten Aufmarsch und wies den Gegendemonstranten eine Mitschuld an der Gewalt zu.

Seine Sympathie mit den rechtsgerichteten Marschierern war so offensichtlich, dass sich führende Politiker seiner republikanischen Partei entsetzt distanzierten.

Mit der Stellungnahme im Trump Tower hat der Präsident den Konsens der bürgerlichen Politik der USA verlassen. Die Relativierung rechtsextremistischer Gewalt durch den Präsidenten der Vereinigten Staaten ist ein bisher noch nie dagewesener Tabubruch. Der konservative Kolumnist John Podhoretz schrieb in der an sich Trump-freundlichen Boulevard-Zeitung „New York Post“, die neuen Äußerungen der Präsidenten gehörten zu den niederschlagendsten Erlebnissen seines Lebens.

Bei seinem Auftritt vor der Presse vor den vergoldeten Aufzügen des Trump Tower in New York legte der 71-jährige jede Zurückhaltung ab. Er beschimpfte die Journalisten, überhäufte sich selbst mit Eigenlob und stellte die in Charlottesville aufmarschierten Rechtsradikalen auf eine Stufe mit Gegendemonstranten.

Eine Frau getötet, 19 Menschen von mutmaßlichen Neonazis verletzt

In der Stadt in Virginia waren am Samstag eine Frau getötet und 19 weitere Menschen von einem mutmaßlichen Neonazi verletzt worden. Teilweise schwer bewaffnete rechte Gruppen aus dem ganzen Land protestierten in Charlottesville gegen den geplanten Abriss eines Denkmals für den General Robert Lee, der im amerikanischen Bürgerkrieg für die sklavenhaltenden Südstaaten gekämpft hatte.

Nachdem er in einer ersten Stellungnahme am Samstag scharfe Kritik an den Rechtsradikalen vermieden und damit einen Sturm der Entrüstung ausgelöst hatte, ruderte Trump am Montag mit einer ausdrücklichen Verurteilung von Neonazis zurück. Doch am Dienstag folgte im Trump Tower die erneute Kehrtwende. „Nicht alle dieser Leute waren Neonazis“, sagte er. Linke Gegendemonstranten seien „sehr gewalttätig“ gegen die rechten Demonstranten vorgegangen.

Kritik übte Trump auch an den jüngsten Entscheidungen vieler Kommunen im amerikanischen Süden, Denkmäler zu Ehren des Kampfes der Südstaaten für die Skalverei im Bürgerkrieg von 1861 bis 1865 abzureißen. Damit werde Geschichte und Kultur verändert, sagte Trump. Möglicherweise seien demnächst auch Denkmäler für Staatsgründer Geoge Washington an der Reihe, denn auch dieser sei Sklavenbesitzer gewesen.

Trump ignorierte bei dieser Bemerkung den Fortschritt zwischen Washingtons Zeit im späten 18. Jahrhundert, als die Sklaverei zur Normalität gehörte, und der zweiten Hälfte des 19. Jahrhundert, als sie geächtet wurde.

Mit der Verurteilung der Neonazis am Montag habe Trump noch versucht, die von ihm selbst verschuldeten Wunden mit ein paar Stichen zu behandeln, analysierte die „Washington Post“ in ihrer Online-Ausgabe. „Am Dienstag riss er die Nähte wieder auf und streute Salz in die Wunden.“

Mit dem geäußerten Verständnis für die rechten Demonstranten von Charlottesville zeigt der Präsident, dass es ihm in dem Streit vor allem um die Gefolgschaft rechter Wähler geht. Er lehnt damit die klassische Aufgabe des Präsidenten ab, der das Land in Zeiten der Krise zusammenführen soll.

Kritik prominenter Republikaner

US-Medien berichteten, das Weiße Haus habe republikanische Politiker aufgefordert, in öffentlichen Äußerungen die These des Präsidenten zu bestätigen, wonach sowohl rechte Protestierer als auch Gegendemonstranten für die Gewalt in Charlottesville verantwortlich gewesen seien. Dennoch übten prominente Republikaner wie Paul Ryan, der Präsident des Repräsentantenhauses, sowie mehrere Senatoren zum Teil scharfe Kritik an Trump. Niemand dürfe Rechtsextremismus, Hass und Rassismus tolerieren, schon gar nicht der amerikanische Präsident, erklärte Senator Jerry Moran.

Vertreter der Wirtschaft wenden sich ebenfalls von Trump ab. Mehrere Chefs von Großkonzernen und Gewerkschaftsverbänden traten aus Protest gegen Trumps Haltung nach der Gewalt von Charlottesville aus einem Wirtschaftsbeirat des Präsidialamts aus. Nach seinem Bekenntnis zugunsten der radikalen Rechten dürfte es für Trump noch schwieriger werden, wichtige Gesetzentwürfe durch den Kongress zu bekommen.

Lob erhielt Trump vom rechten Rand. Er sei „wirklich stolz“ auf den Präsidenten, erklärte Richard Spencer, der Gründer der so genannten Alternativen Rechten, die sich an den Protesten in Charlottesville beteiligt hatte. David Duke, ein ehemaliger Anführer des rassistischen Ku-Klux-Klans, dankte Trump für „Ehrlichkeit und Mut“, die er an den Tag gelegt hatte. Für das kommende Wochenende sind laut dem Fernsehsender CNN neue Kundgebungen rechtsradikaler Gruppen geplant.

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