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Palästinenser protestieren gewaltsam im Gazastreifen.

© Mahmud Hams/AFP

Update

Gewalt am Gedenktag: Tote und Hunderte Verletzte bei Zusammenstößen im Gazastreifen

Zehntausende sind bereits dem Aufruf der Hamas zu Protesten gefolgt. Mindestens vier junge Palästinenser starben, hunderte wurden verletzt.

Mehrere tausend Palästinenser sind am Samstag im Gazastreifen einem Aufruf der radikalislamischen Hamas zu Protesten an der israelischen Grenze gefolgt. Israelische Soldaten setzten Tränengas ein, um die Demonstranten von dem schwer gesicherten Grenzzaun abzuhalten, wie AFP-Reporter berichteten. Palästinenser warfen Steine auf israelische Soldaten und steckten Autoreifen in Brand.

Am Morgen starb ein 20-jähriger Palästinenser an der Grenze durch Schüsse der israelischen Armee, wie das Hamas-geführte Gesundheitsministerium im Gazastreifen mitteilte. Augenzeugen zufolge befand er sich mehr als hundert Meter vom Grenzzaun entfernt, als ihn die tödlichen Schüssen trafen. Ein Sprecher der israelischen Armee wollte sich zunächst nicht zu dem Vorfall äußern.

Zwei 17-Jährige sind nach palästinensischen Angaben bei gewaltsamen Auseinandersetzungen mit israelischen Soldaten an der Gaza-Grenze getötet worden. Einem sei in die Brust geschossen worden, teilte das Gesundheitsministerium in Gaza am Samstag mit.

Ein weiter 17-jähriger Palästinenser erlag am Morgen seinen Verletzungen nach Konfrontationen am Vorabend.

Mindestens 316 Palästinenser seien verletzt worden, darunter 64 durch Schüsse, teilte das Gesundheitsministerium in Gaza am Samstag mit. 15 hätten Tränengas eingeatmet. Die anderen wurden von Gummimantelgeschossen oder Tränengaskanistern getroffen.

Die im Gazastreifen herrschende Hamas will mit den Kundgebungen an den ersten Jahrestag des Beginns einer massiven Protestwelle an der Grenze erinnern. Moscheen in Gaza riefen am Samstag über Lautsprecher zur Teilnahme auf. Nach israelischen Armeeangaben versammelten sich bis zum Nachmittag etwa 40.000 Teilnehmer. Die Soldaten setzten "Maßnahmen gegen Randalierer" ein, erklärte die Armee.

Das Nachbarland Ägypten versuchte am Samstag weiter, zwischen Israel und der Hamas zu vermitteln. Eine ägyptische Sicherheitsdelegation besuchte einen Kundgebungsort nahe der Stadt Gaza. Ägypten will verhindern, dass die Proteste wie im vergangenen Jahr in wochenlange Gewalt mit zahlreichen Toten ausarten. Seit dem ersten "Großen Marsch der Rückkehrer" am 30. März 2018 waren bei den wöchentlichen Protesten mindestens 258 Palästinenser und zwei israelische Soldaten getötet worden.Kundgebungsteilnehmer zeigten sich am Samstag entschlossen in ihrem Widerstand gegen Israel. "Wir werden bis zur Grenze vorstoßen, selbst wenn wir dabei sterben", sagte der 21 Jahre alte Demonstrant Jusef Sijada. "Wir gehen nicht weg. Wir kehren heim in unser Land."

Palästinenser gedenken am 30. März, dem „Tag des Bodens“, massiver Landenteignungen und sechs israelischer Araber, die am 30. März 1976 in dem Ort Sachnin von der israelischen Polizei getötet worden waren. Sie hatten gegen die Beschlagnahmung arabischen Bodens protestiert.

Demonstranten fordern Aufhebung der Blockade

Die Palästinenser verlangen beim „Marsch der Rückkehr“ unter anderem eine Aufhebung der Blockade, die Israel und Ägypten über den Gazastreifen verhängt haben. Außerdem pochen sie auf ein Recht auf Rückkehr in Gebiete, die heute zu Israel gehören. Israel und Ägypten begründen die Blockade mit Sicherheitsinteressen. Die USA, Israel und die EU haben die im Gazastreifen herrschende radikalislamische Hamas als Terrororganisation eingestuft. In dem Küstenstreifen leben rund zwei Millionen Menschen unter schwierigen Bedingungen. Die Hamas und die militante Palästinenserorganisation Islamischer Dschihad warnten, dass „jegliche Aggression gegen den 'Eine-Million-Marsch' am 'Tag des Bodens' mit Widerstand beantwortet“ werde. Jihia al-Sinwar, Gaza-Chef der Hamas, kündigte an, dass die Proteste am Grenzzaun auch künftig weitergehen würden. Ägypten hat sich nach Medienberichten in den vergangenen Tagen um eine Waffenruhe zwischen Israel und der Hamas bemüht. Die linksliberale israelische Zeitung „Haaretz“ berichtete am Freitagabend, Israel und palästinensische Gruppierungen hätten eine Einigung erzielt. Danach habe die Hamas sich dazu bereit erklärt, die Demonstranten am Samstag vom Grenzzaun fernzuhalten. Israel werde sich dagegen bei der Zerschlagung der Unruhen zurückhalten und unter anderem die Einfuhr von Waren in den Gazastreifen erleichtern. Ein Sprecher von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu wollte sich zunächst nicht dazu äußern. Ein führendes Mitglied der Hamas sagte, Israel habe nach Angaben Ägyptens seine Zustimmung zu Forderungen nach einer Lockerung der Blockade um den Gazastreifen gegeben.

Palästinenserpräsident fordert unabhängigen Staat

Palästinenserpräsident Mahmud Abbas forderte zum „Tag des Bodens“ erneut einen unabhängigen Staat Palästina neben Israel in den Grenzen vor 1967 mit Ost-Jerusalem als Hauptstadt. „Das Leiden unserer Volkes in 100 Jahren und die enormen Opfer, die von diesem großartigen Volk erbracht wurden, werden nicht umsonst gewesen sein“, sagte er laut der palästinensischen Nachrichtenagentur Wafa. Das Nationalkomitee des „Marsches der Rückkehr“ aus dem Gazastreifen hatte im Vorfeld auch ähnliche Proteste in Israel, in Jerusalem und dem Westjordanland angekündigt sowie in mehreren arabischen und europäischen Ländern. Aus dem Westjordanland und Jerusalem gab es allerdings zunächst keine Berichte von größeren Aktionen. Zum Nationalkomitee gehören auch Vertreter der Hamas. Bei den Protesten wurden nach Angaben des Gesundheitsministeriums in Gaza binnen eines Jahres 268 Palästinenser getötet und Tausende verletzt. Ein israelischer Soldat wurde erschossen.

(AFP, dpa)

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