zum Hauptinhalt
Janosch Dahmen kam von der Pandemie-Front ins Parlament.

© promo

Gesundheitspolitiker Janosch Dahmen: Der Lauterbach der Grünen

Die Politik sei in der Krise zu langsam, findet Gesundheitsexperte Janosch Dahmen. Seit November sitzt er im Bundestag und erklärt in den Medien die Pandemie.

Im Unfallklinikum Duisburg reden sie auch drei Jahre nach seinem Abgang noch manchmal über Janosch Dahmen. Als Notfallmediziner muss Dahmen damals zu einem Verkehrsunfall. Ein junger Mann ist schwer verletzt, im Krankenwagen droht er zu sterben. Kreislaufstillstand. Da trifft Dahmen eine riskante Entscheidung. Er öffnet dem Patienten den Brustkorb, um Blutungen zu stoppen und das Herz zu entlasten. Ein hochkomplizierter Eingriff, eigentlich eine OP. Dahmen führt den Eingriff im rasenden Auto durch – und rettet damit ein Leben.

Marko Brade, stellvertretender Chefarzt der Anästhesie in Duisburg, erzählt diese Geschichte am Telefon. „Da war er einer der Ersten, die in Deutschland so einen Eingriff gewagt haben.“ Gemeinsam haben sie damals das Luftrettungszentrum geleitet. Wenn Brade an seinen Kollegen zurückdenkt, sagt er: „Janosch kennt nur Betriebstemperatur Blaulicht.“

Alarm macht Janosch Dahmen auch, seit er vor fünf Monaten für die Grünen in den Bundestag gezogen ist. Als Nachrücker für Katja Dörner, die Oberbürgermeisterin in Bonn wurde, kam er ins Parlament – und in die Medien.

Kaum ein Tag vergeht derzeit, an dem Dahmen nicht in einer Talkshow sitzt oder Interviews gibt. „Grüner Lauterbach“ nennt ihn eine Fraktionskollegin und meint es positiv. „Ich mache das nicht zum Selbstzweck. Das wichtigste Instrument bei der Bewältigung von Krisen ist die Krisenkommunikation“, sagt Dahmen. Eigentlich sei das ja die Aufgabe der Regierung: aufklären, informieren. Jetzt macht er das eben als Mitglied im Gesundheitsausschuss für die kleinste Oppositionspartei.

Der 39-Jährige hat die ersten neun Monate der Pandemie als Ärztlicher Leiter im Rettungsdienst der Berliner Feuerwehr erlebt. Er habe lange gezögert, seine Kameraden zu verlassen, sagt Dahmen. Doch er wollte mehr Expertise in den Bundestag bringen. Sein Zwischenfazit nach fünf Monaten? „Ich bin doch überrascht, wie weit Politik manchmal von den realen Problemen und Nöten von Medizinern und Patienten entfernt ist.“ Als die Impfreihenfolge erarbeitet wird, vergessen die Ständige Impfkommission und das Gesundheitsministerium zunächst die Rettungssanitäter, obwohl die besonders häufig ungeschützten Kontakt zu potenziellen Corona-Patienten haben. Dahmen intervenierte, die Rettungssanitäter wurden geimpft.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

An dieser Stelle finden Sie einen von unseren Redakteuren ausgewählten, externen Inhalt, der den Artikel für Sie mit zusätzlichen Informationen anreichert. Sie können sich hier den externen Inhalt mit einem Klick anzeigen lassen oder wieder ausblenden.

Ich bin damit einverstanden, dass mir der externe Inhalt angezeigt wird. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr Informationen dazu erhalten Sie in den Datenschutz-Einstellungen. Diese finden Sie ganz unten auf unserer Seite im Footer, sodass Sie Ihre Einstellungen jederzeit verwalten oder widerrufen können.

Mehr als die inhaltlichen Fehler stört den Berliner, der mit seiner Frau und den zwei Kindern in Kreuzberg lebt, die Zögerlichkeit, mit der Politik betrieben werde. „An das langsame Tempo, mit dem politische Entscheidungen getroffen werden, kann ich mich noch nicht gewöhnen“, sagt er. Gerade in einer Pandemie müsse man auch mal schnell und unkonventionell handeln. „Die Angst vor Fehlern und der Wunsch nach Perfektionismus verzögert alles.“

[Wenn Sie alle aktuellen Entwicklungen zur Coronavirus-Pandemie live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]

Für Dahmen ist das kein Phänomen der Pandemie. In den vergangenen 16 Jahren unter Kanzlerin Merkel habe man Probleme – von der Digitalisierung über Klimaschutz, bis hin zu Verkehrs- und Energiewende – immer nur aufgeschoben. Dass er aus der Praxis ins Theoretische gewechselt ist, bedauert er jedenfalls nicht: „Ich bin erleichtert, dass mein Wirken im Parlament wirkungsvoller ist, als ich befürchtet habe.“

Kordula Schulz-Asche sitzt ebenfalls für die Grünen im Gesundheitsausschuss. Einige Themen hat an Dahmen abgeben, so häufig in den Medien wie er ist sie nicht. Neidisch sei sie nicht – im Gegenteil. „Er ist eine Bereicherung für uns und es ist völlig richtig, dass wir ihn je nach Thema nach vorne lassen.“

Selbst in der CSU findet man Dahmen gut

Selbst Abgeordnete, die für andere Parteien im Gesundheitsausschuss sitzen, sprechen öffentlich positiv über Dahmen. Emmi Zeulner, Krankenschwester und CSU-Abgeordnete, beschreibt ihn als kompetent und souverän. „Ich könnte mir vorstellen, dass wir auch im echten Leben – er als Arzt und ich als Krankenschwester – gut zusammenarbeiten könnten“, sagt sie.

Doch Dahmens Zeit im Bundestag könnte sich bereits bald dem Ende nähern. Im Ennepe-Ruhr-Kreis tritt er als Direktkandidat an. Ob er auch einen guten Listenplatz in Nordrhein-Westfalen bekommt, ist noch unklar. Projekte habe er jedenfalls auch nach der Pandemie. „Die Reform der Notfallversorgung ist mir ein persönliches Anliegen und die Frage, wie wir im Gesundheitssystem wegkommen von der extremen Ökonomisierung.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false