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Schnellere Termine für Kassenpatienten will Gesundheitsminister Jens Spahn durch ein neues Gesetz ermöglichen.

© arifoto UG/dpa

Gesundheitspolitik: Spahn plant Gesetz für schnellere Arzttermine

Gesundheitsminister Jens Spahn will, dass Kassenpatienten schneller Termine beim Arzt bekommen. Bezogen auf die Ärzte hat er dafür ein Doppelrezept: Zuckerbrot und Peitsche.

Fordern und Fördern. Unter diesem Rubrum lässt sich – bezogen auf die Ärzte – der neueste Gesetzentwurf von Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) ganz gut beschreiben. Spahn selber wählte am Montag für die Inhalte seines Terminservice- und Versorgungsgesetzes (TSVG) sogar noch eine heftigere Formulierung. Er sprach von „Zuckerbrot und Peitsche“. Zusammengefasst: Mediziner und Kassenarzt-Funktionäre sollen sich künftig stärker für gesetzlich Versicherte ins Zeug legen. Zur Belohnung für schnellere Termine und bessere Versorgung gibt’s dann ein höheres Salär.

Mehr Honorar für Hausbesuche und neue Patienten

500 bis 600 Millionen Euro werde der „Zuckerbrot“-Teil seines Gesetzes wohl kosten, sagte Spahn bei der Präsentation seiner Pläne. Besser bezahlt werden sollen den Kassenärzten etwa Hausbesuche, Akut- und Notfälle während der Sprechstunden sowie ganz generell die sogenannte „sprechende Medizin“. Mehr Geld gibt es zudem die Vermittlung eines Facharzttermins durch den Hausarzt, für die Behandlung von Patienten, die über eine Terminservicestelle vermittelt wurden sowie für die Aufnahme und Behandlung von neuen Patienten in der Praxis.

Mit all dem werde sich, so ist sich der Minister sicher, die Versorgung von gesetzlich Krankenversicherten verbessern. Viele Ärzte machten bei der Terminvergabe zwar keinen Unterschied zwischen Privat- und Kassenpatienten, dennoch werde dieser Unterschied bisher „zu oft“ gemacht. Mit extrabudgetärer Vergütung und höherer Bewertung schaffe man einen Anreiz für Ärzte, sich stärker um Kassenpatienten zu kümmern behandeln und zusätzliche Termine zu vergeben. Das bringe mehr als eine „sozialistische Lösung“, sagte Spahn unter Anspielung auf die von SPD, Grünen und Linken geforderte Bürgerversicherung.

Mindestens 25 Stunden pro Woche für Kassenpatienten

Allerdings verlangt der CDU-Politiker den Kassenärzten dafür auch einiges ab. So wird ihre Sprechstundenzeit für gesetzlich Versicherte nun per Gesetz von bisher 20 auf mindestens 25 Stunden in der Woche erhöht. Das sei kein Misstrauensvotum, versicherte Spahn. Es schütze vielmehr diejenigen, die jetzt schon mehr arbeiteten, vor denen, die ihren Versorgungsauftrag als Kassenarzt nicht erfüllten. Schließlich stünden Mediziner in manchen Regionen ja auch „Schlange, um eine Praxis eröffnen zu dürfen“.

Des weiteren haben Kassenärzte künftig mindestens fünf Stunden pro Woche als „offene Sprechstunde“ anzubieten.In dieser Zeit sind gesetzlich Versicherte dann auch ohne vorherige Terminvereinbarung zu behandeln. Die Regelung gilt nicht nur für Haus- und Kinderärzte, sondern für alle Arztgruppen der unmittelbaren und wohnortnahen Versorgung, also etwa auch für Frauenärzte, HNO-Mediziner oder konservativ tätige Augenärzte. Stärker an die Kandare nimmt der Minister zudem die Kassenärztlichen Vereinigungen, Ihre Terminservicestellen müssen künftig unter einer bundesweit einheitlichen Rufnummer (116117) rund um die Uhr erreichbar sein.

Terminvermittlung auch nachts um zwei

„Im Zweifel“, so Spahn, „können sich Kassenpatienten dann also auch nachts um zwei einen Termin vermitteln lassen“. Der Anspruch auf Terminvermittlung wird von Fachärzten und Psychotherapeuten nun auch auf Haus- und Kinderärzte erweitert. Und wer will, soll diese Dienstleistung auch online oder per App abrufen können.

Auch an anderer Stelle treibt der Minister die Digitalisierung voran. Bis spätestens 2021, so seine Vorgabe, haben die Krankenkassen ihren Versicherten eine elektronische Patientenakte zur Verfügung zu stellen und sie darüber zu informieren. Der Zugriff – ein besonderes Anliegen Spahns - muss dann auch über Smartphone oder Tablet möglich sein.

Dem Ärztemangel auf dem Land widmet sich der Gesetzentwurf ebenfalls. Mediziner, die dort praktizieren, sollen künftig verlässlich regionale Zuschläge erhalten. Bisher stand dies im Ermessen der jeweiligen Kassenärztlichen Vereinigung. Zudem werden diese KVen verpflichtet, bei drohender Unterversorgung eigene Praxen oder Versorgungsalternativen anzubieten. Der Kreativität seien dabei keine Grenzen gesetzt, sagte Spahn. Denkbar seien im Bedarfsfall beispielsweise auch Patientenbusse, mobile Praxen oder digitale Sprechstunden.

Kasse muss Krebskranken das Einfrieren von Ei oder Samenzellen bezahlen

Für die Patienten ist auch eine Erweiterung des Leistungskatalogs ist vorgesehen. Dazu gehört etwa die Öffnung der Pflegeversicherung für reine Betreuungsdienste, also auch für Haushaltshilfe, Einkaufsdienste oder Vorlesen. Bisher sind solche Jobs nur abrechnungsfähig, wenn sie von Pflegefachkräften erbracht werden. Versicherte mit erhöhtem HIV-Infektionsrisiko müssen Beratung, Untersuchung und Arzneimittel zur Prävention bezahlen. Und bei Paaren, wo eine Krebserkrankung den Kinderwunsch vereiteln könnte, werden nun auch die Kosten für die Kryokonservierung von Keimzellgewebe, Ei- und Samenzellen erstattet. Das gelte aber nicht für Männer und Frauen, die das Kinderkriegen auf solche Weise ins höhere Alter verschieben wollten, beeilte sich der Minister zu versichern.

In Kraft treten werde das Gesetz aller Voraussicht nach zum April 2019, kündigte Spahn an. Eine weitere Vereinbarung des Koalitionsvertrages wird, wie zu hören ist, aus Kostengründen noch etwas länger aufgeschoben: die Erhöhung des Kassenzuschusses auf Zahnersatz. Das Versprechen, Kassenpatienten hier künftig nicht mehr nur 50, sondern 60 Prozent der Kosten zu erstatten, schlägt dem Vernehmen nach nämlich genauso heftig ins Kontor wie das ganze restliche Gesetzespaket des Ministers. Es kostet nochmal 500 bis 600 Millionen Euro im Jahr.

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