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Jens Spahn (CDU), Bundesminister für Gesundheit, befürwortet die Widerspruchslösung in der Organspende-Debatte.

© Monika Skolimowska/dpa

Gesundheitsminister Spahn: Wenn die Organspende zur Pflicht werden soll

Bei Organspenden und den Plänen von Gesundheitsminister Spahn geht es um viel – und um mehr als bisher. Vieles ist zu erklären. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Stephan-Andreas Casdorff

Diese Diskussion muss in der Tat geführt werden – die Diskussion darum, was mit unser aller Organe passieren soll, wenn wir nicht mehr leben. Das Wort „Wir“ trifft es in diesem Fall am besten, weil es ja alle treffen kann und soll, wenn es nach Gesundheitsminister Jens Spahn geht. Die Abgabe von Organen soll zur Pflicht gemacht werden, der man nur entgeht, wenn man widerspricht. Das immer noch unter dem Begriff Organ-„Spende“ zu führen, müsste eigentlich jeden Konservativen und dazu jeden Liberalen mit dessen Vorstellung von der Freiheit des Menschen zum energischen Widerspruch herausfordern. Wobei Spahn kein Liberaler ist.

Eine Spende beruht nicht nur auf Freiwilligkeit, sie ist ein Akt der Freiwilligkeit. Wenn nun diese Spende von jedem verlangt wird, dann sollte das auch nicht ansatzweise begrifflich verschleiert werden. Denn das wäre kein redlicher Ausgangspunkt für eine Diskussion mehr. Also dann konsequent: Organentnahme. Und die Möglichkeit dazu wird vorangetrieben, obwohl die Diskussion noch nicht beendet, geschweige denn bis zum Ende geführt worden ist. Bloß ein Beispiel: Der Ethikrat mit seinem Hinweis darauf, dass der Körper ja nun nicht staatlicherseits sozialpflichtig ist – ist der überhaupt ausreichend gehört worden?

Die "Deformation der Selbstbestimmung"

Von den Kirchen fast zu schweigen. Nicht ganz deshalb, weil die CDU doch nach dem Namen und ihrem Grundsatzprogramm eine Christlich-Demokratische Partei sein will. Was nur zu oft vergessen wird; nicht zuletzt von erstaunlich vielen, die für sie Verantwortung tragen. Wie Spahn. Und da wird es jetzt scheinheilig: Man ist in diesen Kreisen gegen Abtreibungen, gegen Sterbehilfe, immer mit dem Hinweis, dass man nicht in die Schöpfung(en) Gottes eingreifen soll. Aber dass der Mensch, die Schöpfung Gottes, benutzt, manche sagen: bei Bedarf ausgewaidet werden soll – das soll in Ordnung sein? Oder vielmehr: geradezu unbedingt notwendig? Noch dazu gibt es genügend Warner, die neben dem Genannten vor einer Art Organspende-Industrie warnen (mit der Frage, wie Organtransplantationen finanziert werden), was als ethische Herausforderung auch nicht zu unterschätzen ist.

Das alles wird erklärungsbedürftig. Ist diskussionswürdig. Der Argumentation wert, wenn die freie Entscheidung zu etwas in ihr Gegenteil verkehrt werden soll. Will heißen: Im Sinne der Freiheit – hier kommt das liberale Moment – des Menschen in seinen persönlichen Entscheidungen muss jede Einschränkung oder als Einschränkung empfundene Veränderung dem Souverän vorgelegt werden. Alles andere, sagt FDP-Chef Christian Lindner, wäre eine „Deformation der Selbstbestimmung“.

Das wird Minister Spahn, Kanzler im Hoffnungsstand, jetzt aber gar nicht gerne hören. Um die Komplexität für den Konservativen nun noch einmal zu erhöhen: Was ist mit der Sicht, dass es auf seine Initiative hin eine Versicherung auf Gegenseitigkeit geben könnte, gewissermaßen genossenschaftlich? Nach dem Motto: Wer als möglicher Kranker eine Organspende erwartet, der muss selbst bereit sein, eine zu geben. Das klingt dann schon fast wie eine Lösung à la Angela Merkel. Und damit so gar nicht nach CDU und konservativ.

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