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Umweltverbände und Waldbesitzer warnen vor einem massiven Waldsterben

© Martin Schutt/dpa

Gestresst durch die Klimakrise: Ein neues Waldsterben droht

Angesichts der Dürresommer schlagen Umweltverbände und Waldbesitzer Alarm. Agrarministerin Julia Klöckner lädt am Donnerstag zu einem „Waldgipfel“ ein.

„Heute Tannen, morgen wir“ - diese Parole stand auf Plakaten, mit denen Bürgerinitiativen Anfang der 80er Jahre gegen das Waldsterben protestierten. Zehntausende gingen damals auf die Straße, die Sorge um den deutschen Wald vereinte langhaarige Ökoaktivisten und Heimatvereinsmitglieder in Trachtenkleidung. Auch bei der Bundestagswahl 1983 spielte das Thema eine große Rolle, befördert von den Grünen, die erstmals ins Parlament einzogen. Die Bundestagsabgeordnete Marieluise Beck überreichte Helmut Kohl zu seiner Wahl als Bundeskanzler einen vertrockneten Tannenzweig anstelle von Blumen.

Die massiven Proteste führten dazu, dass es strengere Umweltauflagen gab. Die Folge: Die Luft wurde sauberer und der Ausstoß von Schwefeldioxid ging zurück, der für den „sauren Regen“ verantwortlich war. Auch deswegen, so sagen etliche Wissenschaftler im Rückblick, sei das befürchtete großflächige Waldsterben ausgeblieben.

Es droht ein "Waldsterben 2.0"

Mehr als drei Jahrzehnte später schlagen Umweltverbände wieder Alarm. Es drohe ein „Waldsterben 2.0“, warnt etwa der Bund für Umwelt- und Naturschutz (BUND). In Deutschland seien die Wälder am stärksten von der Klimakrise betroffen: Durch Trockenheit und Hitze seien Waldböden und Wälder ausgedorrt, die Bäume durch Überdüngung und Luftschadstoffe geschwächt. Nach Angaben des Bunds Deutscher Forstleute gingen seit dem vergangenen Jahr bundesweit etwa 120.000 Hektar Wald verloren. Bis Ende des Jahres dürfte sich die Fläche voraussichtlich auf 250 000 Hektar verdoppeln – das entspricht etwa der Fläche des Saarlands.

Nicht nur Nadelwälder, die ohnehin als besonders anfällig gelten, sind betroffen. Problematisch sei die Lage auch für resistentere Laubbäume wie Buchen, die derzeit ebenfalls vertrockneten, warnen die Forstexperten. Das Klima ändere sich schneller, als sich das Ökosystem Wald anpassen könne. Hinzu kommt: Bei warmen Temperaturen und Trockenheit können Schädlinge wie der Borkenkäfer am besten brüten, die wiederum erhebliche Schäden an den Bäumen anrichten.

Wälder sind Verbündete im Kampf gegen die Klimakrise

Beunruhigend sind diese Zahlen auch deshalb, weil die Wälder eigentlich als „Verbündete“ im Kampf gegen die Klimakrise benötigt werden, wie die Grünen vor kurzem in einem Positionspapier zum Waldschutz schrieben. „Sie sind Wasserspeicher, Luftfilter, Bodenschützer, und sie sind Klimaschützer, indem sie Kohlenstoff speichern und als Senken für den Im zweiten Klimakiller C02 (Kohlendioxid) fungieren“, heißt es dort. Laut dem Umweltverband BUND werden jährlich über 127 Millionen Tonnen C02 durch den Wald und seinen Rohstoff Holz gespeichert – das entspricht rund 14 Prozent des jährlichen Ausstoßes der deutschen Volkswirtschaft.

Es sei „höchste Zeit“, dass die Bundesregierung das Waldsterben in Deutschland stoppe, verlangt der Vorsitzende der Grünen-Bundestagsfraktion, Anton Hofreiter. „Waldschutz ist Klimaschutz“, sagte er dem Tagesspiegel. Agrarministerin Julia Klöckner (CDU) forderte er auf, den Waldumbau voranzubringen. „Das heißt: mehr Ökowälder anstelle von Baumplantagen, denn abwechslungsreiche Laub- und Mischwälder können der Klimakrise besser trotzen.“

An diesem Donnerstag will die Agrarministerin mit mehreren Verbänden beraten, wie der Wald für den Klimawandel gewappnet werden kann. Bei einem „Waldgipfel“ am 25. September sollen dann konkrete Beschlüsse gefasst werden. Klöckner macht sich für ein Wiederaufforstungsprogramm stark, für das sie bisher rund 500 Millionen Euro aus dem Klimafonds der Bundesregierung in Aussicht gestellt hat.

Keine Monokulturen, sondern einheimische Laubbäume

Ein solches Programm fordert auch der Präsident des Verbands der privaten Waldeigentümer (AGDW), Hans Georg von der Marwitz. Er hält es darüber hinaus für nötig, das 2018 und 2019 angefallene beschädigte Holz in den Wäldern zu beseitigen. Insgesamt seien durch Stürme, Dürre und den Befall mit Borkenkäfern rund 70 Millionen Festmeter Schadholz angefallen. Dessen Beseitigung allein koste mindestens zwei Milliarden Euro, rechnet er vor. Der Präsident des Deutschen Forstwirtschaftsrates, Georg Schirmbeck, sagte, die Probleme des Waldes müssten von der ganzen Gesellschaft ernst genommen werden. „Mittlerweile sehen alle Spaziergänger, dass da nicht alles so ist, wie es immer gewesen ist“, sagt er.

Der Naturschutzverband BUND empfiehlt, vor allem Nadelhölzer wie Kiefer oder Fichte nicht mehr in Monokultur anzubauen. Angesichts der Klimakrise müssten die Wälder umfassend zu Laubmischwäldern umgebaut werden – vor allem mit einheimischen Bäumen. Es sei aber auch mehr Personal im Wald erforderlich, etwa um den Befall von Bäumen mit Borkenkäfern frühzeitig zu erkennen. Zehn Prozent der Waldflächen in Deutschland sollen nach dem Willen der Naturschützer außerdem Naturwälder werden, in die kein Förster eingreift. In diesen „Urwäldern von morgen“ würden nicht nur seltene Tiere, Pflanzen und Pilze besonders geschützt. sondern hier könne auch erforscht werden, wie der Wald sich in der Klimakrise selbst helfen könne.

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