zum Hauptinhalt
Der EU-Chefunterhändler Michel Barnier fordert die britischen Verhandlungspartner zum Einlenken auf.

© AFP

Gespräche zwischen EU und London: Nächste Runde im Handelspoker

Am Dienstag beginnt die nächste Runde bei den Verhandlungen zwischen London und der EU. Wegen des Zeitdrucks hat sie eine besondere Bedeutung.

Der britische Chefunterhändler für die Handelsgespräche mit der EU, David Frost, legte neulich in einer öffentlichen Anhörung ziemlich viel britisches Understatement an den Tag. Auf die Frage, in wie fern die Corona-Pandemie die Verhandlungen mit Brüssel beeinträchtige, antwortete der 55-Jährige, dass im März zwar die zweite Verhandlungsrunde ausgefallen sei. Aber den Rückstand habe man seither wieder wettgemacht, so Frost. In Wahrheit drehen sich die Gespräche zwischen London und Brüssel über das künftige Verhältnis zwischen beiden Seiten seit Monaten im Kreis.

[Alle aktuellen Entwicklungen in Folge der Coronavirus-Pandemie finden Sie hier in unserem Newsblog.  Über die Entwicklungen speziell in Berlin halten wir Sie an dieser Stelle auf dem Laufenden.]

Am kommenden Dienstag beginnt nun die vierte Verhandlungsrunde zwischen Großbritannien und der EU. Als Frost und der EU-Chefunterhändler Michel Barnier Mitte Mai das letzte Mal auseinandergegangen waren, hatte Barnier seine Frustration offen gezeigt. Er sei „enttäuscht über den mangelnden Ehrgeiz der britischen Seite“, hatte der Franzose gesagt.

Drei Knackpunkte bei den Verhandlungen

Es hakt bei den Gesprächen bislang vor allem an drei Punkten: Zum einen verlangt die EU von Großbritannien die Einhaltung von Sozial- und Umweltstandards nach dem Muster der Gemeinschaft, um Wettbewerbsverzerrungen zu vermeiden. Zweitens fordert die EU für die Flotten in Mitgliedstaaten wie Frankreich oder Dänemark auch für die Zukunft einen möglichst ungehinderten Zugang zu den britischen Fanggründen, was London aber ablehnt. Und drittens möchte die EU erreichen, dass in Streitfällen künftig der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg für die Schlichtung zuständig ist. Auch dies will die britische Regierung nicht mitmachen.

Ein umfassendes Abkommen lässt sich bis Jahresende kaum aushandeln

Nach dem Austritt Großbritanniens aus der EU im vergangenen Januar bleibt die Insel während einer Übergangsphase bis Ende des Jahres im EU-Binnenmarkt und in der Zollunion. Experten haben indes immer wieder darauf hingewiesen, dass es bis Ende 2020 kaum möglich sein dürfte, mit Großbritannien ein umfassendes Handelsabkommen auszuhandeln. Doch auf eine Fristverlängerung um ein oder zwei Jahre, wie sie die EU vorgeschlagen hat, will sich der britische Premierminister Boris Johnson nicht einlassen.

Vor diesem Hintergrund könnte die bevorstehende vierte Verhandlungsrunde eine entscheidende Bedeutung bekommen. Denn bei einem Gipfeltreffen mit der EU soll im Juni beraten werden, wie es bei den Gesprächen über das Post-Brexit-Verhältnis weitergeht. Unlängst hat Barnier in einem Brief an die britischen Oppositionsführer bestätigt, dass die EU zu einer zweijährigen Verlängerung der Übergangsperiode bereit ist. Dies könnte theoretisch auch beim Gipfel beschlossen werden. In dieser Frage liegt der Ball allerdings in London.

[Wenn Sie alle aktuellen Entwicklungen zur Coronavirus-Krise live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere runderneuerte App, die Sie hier für Apple-Geräte herunterladen können und hier für Android-Geräte.]

Johnson setzt derweil offenbar darauf, dass die EU unter dem Zeitdruck einige ihrer wesentlichen Verhandlungspositionen noch räumen wird. In dem Poker, in dem ohne ein Abkommen zum Jahresende eine Abwicklung des Handels nach den Regeln der Welthandelsorganisation WTO drohen würde, bietet nun inzwischen auch Barnier kräftig mit. In einem Interview mit der „Sunday Times“ erklärte er: „Wir wollen ganz klar eine Vereinbarung, aber dies kann keine Vereinbarung um jeden Preis sein.“ 

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false