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Die Außenminister Heiko Maas und Sergej Lawrow – hier bei einem Treffen in Berlin im September – wollen über den INF-Vertrag reden.

© Kay Nietfeld/picture alliance/dpa

Gespräche mit Russland über den INF-Vertrag: Kaum Zeit für Diplomatie

Die Europäer setzen auf Gespräche, um einen wichtigen Abrüstungsvertrag zu retten. Doch aus Moskau kommen scharfe Töne.

Die Zeit läuft. Die US-Regierung hat in der vergangenen Woche Russland eine Frist von zwei Monaten gesetzt, um den Vertrag über die Abrüstung nuklearer Mittelstreckenraketen, den so genannten INF-Vertrag, doch noch einzuhalten. Dafür müsste Russland allerdings neue Marschflugkörper vom Typ SSC-8 zerstören. Falls die Führung in Moskau dem nicht nachkommt, werden die USA den INF-Vertrag wohl kündigen. Um einen Aufschub bis zur endgültigen Kündigung des Vertrags hatten die europäischen Nato-Mitgliedsstaaten in Washington gebeten. Sie wollen die Zeit nutzen, um Russland möglicherweise doch noch zum Einlenken zu bewegen. Ein erster Versuch sollte beim Außenministertreffen der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) unternommen werden, das am Donnerstag in Mailand begann.

Gespräche im Rahmen der OSZE

Drei Jahrzehnte nach dem Ende des Kalten Krieges ist in der internationalen Politik wieder von atomaren Mittelstreckenraketen, von Marschflugkörpern und Abschussrampen die Rede. Es geht um eine Waffengattung, die es in Europa nicht mehr gibt – und zwar nur deshalb, weil sich die USA und die Sowjetunion 1987 darauf verständigten, diese Waffen vollständig zu zerstören. Dass nun ausgerechnet die OSZE über das Thema diskutiert, weckt ebenfalls Erinnerungen an den Kalten Krieg: Denn die Organisation ist aus der Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (KSZE) hervorgegangen, die in langen Verhandlungen Grundregeln für das friedliche Zusammenleben zwischen Ost und West festlegte und damit zur Politik der Entspannung beitrug.

Bis heute ist die OSZE neben den UN eine der wenigen internationalen Organisationen, in denen Amerikaner und Russen an einem Tisch sitzen. „Die OSZE steht wie kaum eine andere Organisation für Vertrauensbildung und Dialog“, sagte der deutsche Außenminister Heiko Maas (SPD) vor seiner Reise nach Mailand. „Ohne Vertrauen in die Einhaltung fundamentaler Regeln gerät die Sicherheit Europas in Gefahr.“ Angesichts der Krise des INF-Vertrags müsse das Thema Rüstungskontrolle „stärker auf die internationale Tagesordnung“ gesetzt werde, forderte der Außenminister. Am Rande des Treffens in Mailand wollte Maas mit seinem russischen Amtskollegen Sergej Lawrow zusammenkommen.

Zugeständnisse aus Moskau wenig wahrscheinlich

Doch dass dieser in der Frage der von Moskau entwickelten Marschflugkörper Zugeständnisse machen könnte, gilt als wenig wahrscheinlich. Schließlich hatte der russische Präsident Wladimir Putin zuvor mit scharfen Tönen auf die Feststellung der Nato reagiert, dass Russland den INF-Vertrag verletzt. Putin wies die Vorwürfe des transatlantischen Bündnisses zurück und stellte für den Fall einer Vertragskündigung durch die USA eine Aufrüstung seines Landes in Aussicht. Wenn die Amerikaner wieder atomare Mittelstreckenwaffen besitzen wollten, müsse Russland reagieren. „Wie werden wir antworten? Ganz einfach: Wir werden das Gleiche tun“, sagte der Präsident am Mittwoch.

In Europa wird auch die Drohung von Russlands Generalstabschef Waleri Gerassimow gegen Staaten, die neue US-Mittelstreckenraketen stationieren, sehr aufmerksam verfolgt worden sein. „Nicht das Territorium der USA, sondern das der Länder, die die Stationierung amerikanischer Kurz- und Mittelstreckenraketen zulassen, wird bei einer Antwort Russlands zum Objekt der Zerstörung werden“, sagte er vor ausländischen Militärdiplomaten.

Für die europäische Diplomatie bleibt in den kommenden zwei Monaten angesichts solch martialischer Töne wenig Spielraum, zumal in der russischen Entscheidung für die neuen Marschflugkörper offenbar Erwägungen eine Rolle spielen, die nichts mit der Lage in Europa zu tun haben. So wies Putin darauf hin, dass bereits zehn Länder atomare Mittelstreckenraketen produzierten. Zu diesen Staaten zählen China, Indien und Pakistan. Daher kommt es Russland sogar gelegen, dass nun die Amerikaner aus einem Vertrag aussteigen wollen, den Putin selbst schon im Jahr 2007 in Frage gestellt hat.

Für den Fall einer Kündigung des INF-Vertrages rechnen europäische Diplomaten derzeit nicht damit, dass die Amerikaner unmittelbar mit einer Nachrüstung beginnen und selbst entsprechende Marschflugkörper entwickeln. Allerdings dürfte die Nato in diesem Fall verstärkt in die Raketenabwehr investieren.

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