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Digitale Identifizierung via Chip auf dem Personalausweis: Die eID wird künftig automatisch freigeschaltet, Widerspruch ist aber möglich.

© dpa

Gesichtserkennung: Wir wissen, wer Sie sind!

Gesichtserkennung im öffentlichen Raum? Soll die Terrorbekämpfung erleichtern, kann aber ebenso gut in die unkontrollierte Überwachung führen. Die Mittel wurden gerade freigegeben. Ein Kommentar

Ein Kommentar von Ariane Bemmer

Klingt doch gut, oder?, was der Bundesinnenminister da vorhat: mit automatisierter Gesichtserkennung nach Terroristen fahnden. Dass also quasi demnächst in Deutschlands Terrorabwehrstellen Lämpchen leuchten, wenn der Terrorverdächtige X im Bahnhof der Stadt Y auftaucht. Weil Software die Videokameraaufzeichnungen durchforstet und ihn erkannt hat. Und wenn die Technik funktioniere, solle sie auch an „anderen Stellen zum Einsatz kommen, an denen öffentliche Videokameras eingesetzt werden“. Das waren die Worte von Thomas de Maizière im Tagesspiegel am Sonntag.

Und einerseits ist es sicher eine schöne Vorstellung, dass die Anis Amris dieser Welt künftig erkannt und aus dem Verkehr gezogen werden, bevor sie ihre grausigen Verbrechen begehen. Andererseits jedoch kommt de Maizières Vorstoß nur ein paar Tage, nachdem der Bundestag die Ausweitung des elektronischen Personalausweises beschlossen hat, weshalb er schwer zu denken gibt.

Die sogenannte eID-Funktion neuer Personalausweise soll künftig serienmäßig freigeschaltet werden (bisher war dazu eine Einverständniserklärung der Passinhaber nötig) und eine sichere Identifizierung im Internet ermöglichen. Diese teure Zusatzleistung wurde bisher von den Bürgern so gut wie gar nicht angenommen, so dass man ihr jetzt von Gesetzes wegen zum Erfolg verhelfen will. Zu den vielen Kritikpunkten an dem Projekt gehört auch, dass Menschen, die sich bei all ihren Internetaktivitäten mit ihren sämtlichen Personalausweisdaten identifizieren, so eindeutige Spuren hinterlassen, dass es nicht schwer sein werde, ein Persönlichkeitsprofil zu erstellen. Alle Facebook- und Twitternutzer werden wissen, dass sie für die Anmeldung dort bisher keine Adresse hinterlassen mussten. Sollte daran wirklich etwas geändert werden?

Geheimdienste dürfen auf biometrische Passfotos zugreifen

Viel dramatischer aber ist die Tatsache, dass mit dem eID-Gesetz die Verwendungsmöglichkeiten von digitalisierten biometrischen Passbildern erweitert werden. Es geht um den automatisierten Zugriff der Polizeien des Bundes und der Länder, des Bundesamts für Verfassungsschutz, der Landesämter für Verfassungsschutz, des Militärischen Abschirmdienstes und des Bundesnachrichtendienstes auf die Bürgerfotos aus den Meldeämter. Das ist zwar erst für die Zeit ab 2021 vorgesehen, aber eine dringende Frage dazu stellt sich schon hier und heute, nämlich: Was soll das werden, wenn es fertig ist?

Die Videoüberwachung wird ausgebaut, und zeitgleich werden die Bürger mit elektronischen Identifizierungstools zwangsbeglückt, und Polizei und Geheimdienste dürfen sich bedienen? Dürfen die Bilder der Bürger durch die Videoüberwachungsstreams laufen lassen und hinterher wissen, dass Herr Meier am Y-Platz am Geldautomaten war und sich danach am Kopf kratzte? Dass Herr Schulz in der X-Straße den Haufen seines Pudels liegen ließ? Dass Frau Müller das Hotel Z ohne Schirm verließ, obwohl es regnete? Und etwas Rechteckiges in ihrer Handtasche steckte?

"Kaum kontrollierte Überwachung"

In einer Vorab-Stellungnahme des Chaos Computer Clubs zum Gesetz werden die Maßnahmen als „ein Schritt in eine umfassende und kaum kontrollierte Überwachung“ beschrieben. Und das dürfte kaum eine Übertreibung sein. Denn, auch das machen die Dateninsider klar, „die einfache elektronische Abfrage großer Mengen Gesichtsbilder erlaubt den Aufbau von Überwachungssystemen, bei denen die Eingabe eines Namens und eines Geburtsdatums in die entsprechende Abfragemaske ausreicht, um das persönliche Passbild abzurufen und direkt in die automatischen Gesichtserkennungssysteme einzuspeisen.“ Plus: Die Protokollierung dieser Zugriffe soll nur bei der abfragenden Stelle erfolgen, also den Geheimdiensten.

Und nun mag der eine oder die andere denken, die deutschen Sicherheitsdienste seien ja wohl menschen- und bürgerrechtlich soweit geschult und geerdet, dass keine üblen Übergriffe zu erwarten seien, und akzeptieren darum, dass der BND Persönlichkeitsprofile von ihnen erstellen könnte – schließlich geht es ja um Terrorabwehr. Aber was ist mit der Zusammenarbeit mit den Geheimdiensten anderer Länder und dem dazugehörigen Datenaustausch? Will irgendjemand riskieren, dass auch der iranische, russische oder türkische Geheimdienst alles über die Bürger hier wissen? Vermutlich nicht.

Der ganze Weg ist falsch. Mehr Überwachung führt nicht zu mehr Sicherheit, sondern zu weniger Freiheit. Aber um die geht es doch. Oder schon nicht mehr?

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