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Zurück zu den Kommunikationswurzeln: Donald Trump und First Lady Melania müssen vielleicht dauerhaft auf das gute alte Festnetz zurückgreifen.

© AFP

Gesetzgeber versus Tech-Riesen: Sollen Konzerne über politische Äußerungen entscheiden?

Seit Trump in sozialen Netzwerken gesperrt ist, rücken Tech-Giganten wieder in den Fokus. In Deutschland soll es nun ein Gesetz gegen Hass im Netz geben.

Von Miriam Schröder

Darf man einem gewählten Präsidenten das Wort verbieten? Diese Frage bewegt nach den dramatischen Ereignissen im US-Kapitol die Gemüter – auch in Europa. Am vergangenen Wochenende hatten alle großen sozialen Netzwerke die Accounts von Donald Trump geschlossen. Ihm bleibt zwar noch der offizielle Account @potus, den schon Barack Obama in seiner Zeit als US-Präsident nutzte. Sein privater Account @realdonaltrump mit über 80 Millionen Followern ist auf unbestimmte Zeit gesperrt. „Wir glauben, dass die Risiken, dem Präsidenten zu erlauben, unseren Dienst während dieser Zeit weiter zu nutzen, einfach zu groß sind“, schrieb Facebook-Chef Mark Zuckerberg in einem Statement.

Facebook löscht auch Beiträge von Trump-Unterstützern, die den Begriff „Stop the Steal“ verwenden, um irreführende Informationen über die US-Wahl zu verbreiten. Unter Beobachtung stehen auch Anhänger der Verschwörungstheorie QAnon. Seit dem vergangenem Freitag seien mehr als 70.000 Accounts gelöscht worden, teilte Twitter am Dienstag mit.

Zunächst sah es so aus, als könnten Trump und seine Truppen zu Parler abwandern. Das alternative soziale Netzwerk mit zuletzt rund zehn Millionen Mitgliedern wirbt damit, die Inhalte seiner Nutzerinnen und Nutzer nicht zu zensieren. Doch auch diese Lücke haben die Tech-Konzerne aus dem Silicon Valley geschlossen. Apple und Google entfernten die Parler-App aus ihren App-Stores. Auch Amazon Web Services (AWS), eine Tochterfirma des Konzerns von Jeff Bezos, die unter anderem Webseiten hostet, erklärte, nicht länger für einen Kunden arbeiten zu können, der „nicht in der Lage ist, Inhalte zu entfernen, die Gewalt gegen andere fördern oder anstacheln.“ Parler-Chef John Matze bezeichnete das Vorgehen von Apple, Google und AWS als „koordinierten Angriff der Tech-Giganten“.

Die einen begrüßen, dass die Tech-Konzerne nun Verantwortung übernehmen für die Inhalte, die auf ihren Plattformen veröffentlicht werden – die anderen warnen vor Instrumenten der Zensur in den Händen privater Unternehmen.

EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton zog eine Parallele zu den Terroranschlägen am 11. September 2001. So wie jener Tag einen Paradigmenwechsel für die globale Sicherheit markiert habe, würden wir 20 Jahre später Zeuge eines Davor und Danach mit Blick auf die Rolle digitaler Plattformen in unseren Demokratien. Soziale Netzwerke könnten ihre Verantwortung gegenüber der Gesellschaft fortan nicht mehr hinter dem Argument verbergen, dass sie nur Hosting-Dienste seien, schrieb der Franzose in einem Gastbeitrag für das Magazin „Politico“.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hingegen hält die Sperrung von Trumps Twitter-Konto für problematisch. In das Grundrecht auf Meinungsfreiheit könne nur eingegriffen werden „innerhalb des Rahmens, den der Gesetzgeber definiert, nicht nach dem Beschluss der Unternehmensführung von Social-Media-Plattformen“, sagte Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag. „Unter dem Aspekt sieht die Bundeskanzlerin es als problematisch an, dass die Konten des US-Präsidenten jetzt dauerhaft gesperrt wurden.“

Es sei Aufgabe des Gesetzgebers, einen „nachvollziehbaren Rahmen“ zu setzen, „in dem sich die Kommunikation in sozialen Netzwerken zu bewegen hat“, so Seibert. Die Bundesregierung halte es aber zugleich für „grundsätzlich problematisch“, was es im Internet „an lügenhaften, an verfälschenden, an gewaltfördernden Tweets und Posts insgesamt gibt“.

Bereits am Mittwoch findet im Bundestag die erste Lesung des Gesetzes statt

Was hierzulande in den sozialen Netzwerken geschrieben werden darf und was nicht, regelt das Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG). Es benennt Straftatbestände wie Beleidigung und Volksverhetzung und verpflichtet Anbieter sozialer Netzwerke dazu, das Verbreiten von illegalen Inhalten auf ihren Plattformen zu unterbinden. In der Praxis aber komme es selten zur Anwendung, sagt der Medienrechtler Rolf Schwartmann: „Die Unternehmen löschen viele Inhalte, die zwar unfreundlich und unerwünscht, aber deshalb nicht gleich verboten sind“. Gelöscht wird nach den Allgemeinen Geschäftsbedingungen, also quasi dem Hausrecht der Anbieter, das strenger sei als das Gesetz.

Nach einem Entwurf der Koalitionsfraktionen für eine Novelle des NetzDG, die derzeit im Parlament diskutiert wird, sollen sich Nutzer künftig gegen Lösch-Entscheidungen der sozialen Netzwerke wehren können.

Nach den jüngsten Ereignissen in den USA haben die Koalitionsfraktionen zudem das umstrittene Gesetz gegen Hass im Netz (RechtsHassG) kurzfristig auf die Tagesordnung des Bundestags gesetzt. Darin geht es vor allem um eine Pflicht der Anbieter, illegale Inhalte auf ihren Plattformen an die Strafverfolgungsbehörden weiterzuleiten. Das Gesetz wurde schon im Vorjahr beschlossen, sein Inkrafttreten aber wegen verfassungsrechtlicher Bedenken durch den Bundespräsidenten gestoppt. Nun soll ein sogenanntes Reparaturgesetz noch im Januar vom Parlament verabschiedet werden. An diesem Mittwoch findet die erste Lesung statt.

Für Grünen-Politiker Konstantin von Notz kommt das viel zu spät. Es sei ein „Offenbarungseid sondergleichen, dass es aufseiten der Bundesregierung offensichtlich erst der Ereignisse von Washington bedurfte, um einzusehen, dass echte Handlungen zum Schutz von Demokratie und Rechtsstaat überfällig sind“, sagt er dem Tagesspiegel. Für ihn steht fest: „Wir dürfen es nicht wenigen Tech-Firmen überlassen, die viel zu oft aus rein ökonomischen Gesichtspunkten entscheiden.“

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