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Was geht's uns gut!

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Gesellschaft: Politik für Genießer von Rotwein und Buddenbrooks

Die "gehobene Mittelschicht" ist für konservative Politiker eine Projektionsfläche. Sie spiegelt die eigenen Werte und den sozialen Ehrgeiz ihrer Wähler. Eine Kolumne.

Eine Kolumne von Ursula Weidenfeld

Im Kamin glimmt ein Feuer, in einem bauchigen Weinglas nähert sich eine vertretbare Menge Bordeaux der Zimmertemperatur. Der Kandidat nimmt auf einem sehr alten Ledersessel Platz. Er schlägt ein Buch auf, Buddenbrooks, zum dritten Mal. Der Fragenkatalog zur theoretischen Jagdschein-Prüfung liegt auch bereit. Der Kandidat blickt zufrieden auf sein Leben.

Gehobene Mittelschicht. Rund ein Viertel der deutschen Gesellschaft ist hier zu Hause. Sie ist der Sehnsuchtsort der unter Wert beschäftigten Akademiker, der Handwerksmeister und mancher Vertriebsleute bei Siemens. Sie würden es auch gern so gut haben wie die obere Mitte. Die prägt den Lebensstil. Sie schreibt die Regeln für alle, die an den eigenen Aufstieg glauben, oder ihn für ihre Kinder erhoffen. Für konservative Politiker ist diese Schicht eine Projektionsfläche. Sie spiegelt die eigenen Werte und den sozialen Ehrgeiz ihrer Wähler. Dagegen der Reichtum. Gerade einmal ein Prozent der Bevölkerung ist tatsächlich reich.

Berlusconi und Trump machten mit protzigem Lebensstil politische Karriere

Anders als in den USA machen sich die deutschen Bürger kaum Illusionen über die Chance, gesellschaftlich in die obersten 10.000 aufzusteigen. Mehr als eine Stufe geht es pro Generation kaum weiter. Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung rechnet vor, dass eine Hartz-IV-Familie auf diese Weise sechs Generationen bräuchte, um auch nur in die Mitte der Gesellschaft aufzusteigen. Wie lange würde sie brauchen, um reich zu werden?

Rund 750 Familien haben in Deutschland ein Vermögen von über je 50 Millionen Euro zur Geldanlage, schätzt die Deutsche Bank – von der Zustimmung einer so kleinen Gruppe kann ein Politiker nicht leben. Die Erfolge von Silvio Berlusconi oder von Donald Trump zeigen aber, dass auch Reiche mit offensiv-protzigem Lebensstil politisch Karriere machen können. Doch das funktioniert nur mit einem populistischen Programm. Für die Führung einer konservativen Partei in Deutschland kommt das (noch) nicht in Frage. Da bleibt man fürs Erste lieber bei einem Glas Rotwein und den Buddenbrooks. In der gehobenen Mittelschicht.

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