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Walerij Gerassimow ist Russlands dritthöchster Militär.

© Mikhail Metzel/ITAR-TASS

Gerüchte über verletzten Gerassimow: Wie nah kamen ukrainische Truppen Putins wichtigstem Mann?

General Gerassimow soll selber in Frontnähe gereist sein. Das ist nicht ungefährlich für den dritthöchsten russischen Militär. Was dahinterstecken könnte.

Es war ein ungewöhnlicher Besuch. Die Nachricht, dass General Walerij Wassiljewitsch Gerassimow vergangenen Samstag die Ost-Front bei Isjum besucht haben soll, fand nicht nur aufgrund seines hohen Ranges Einzug in die Berichterstattung internationaler Medien.

Gerassimow, der nach Präsident WladimirPutin und Verteidigungsminister Sergej Schojgu Russlands dritthöchster Militär ist, sei bei seinem Besuch in der Ost-Region verwundet worden, hieß es. Kurzzeitig machten sogar Gerüchte von seinem Tod die Runde. Die USA, die mit ihren Geheimdiensten immer sehr gute Informationen haben, konnten die Berichte allerdings nicht bestätigen. Ebenso wenig die ukrainische Seite.

Sergej Schoigu (r), Verteidigungsminister von Russland, und Waleri Gerassimow, Generalstabschef der russischen Streitkräfte.
Sergej Schoigu (r), Verteidigungsminister von Russland, und Waleri Gerassimow, Generalstabschef der russischen Streitkräfte.

© Alexei Nikolsky/dpa

Dennoch ist es aus Sicht von Beobachtern bemerkenswert, dass der 66-Jährige überhaupt so nah an die Front gereist ist. Eine mögliche Erklärung liefert das aktuelle Fortschreiten der russischen Armee: Die Truppen kommen in ihrer Ost-Offensive im Donbass kaum voran und liegen nach US-Einschätzungen hinter dem eigenen Zeitplan.

Das britische Verteidigungsministerium spricht – mit Berufung auf den eigenen Geheimdienst – in einer aktuellen Einschätzung von strategischen Fehlern und Mängel bei der Umsetzung, die dazu geführt hätten, dass die Russen ihre Kampfstärke nicht in einen entscheidenden Vorteil hätten umwandeln können. Dazu kommen Berichte von geschwächter Moral und bröckelnder Disziplin innerhalb der verschiedenen Einheiten.

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Ein Mann wie Gerassimow, Chef des Generalstabs, der sein gesamtes Berufsleben beim Militär verbrachte und einen Sohn in der Armee hat, sollte die Truppen wohl motivieren. Wie schon andere Generäle zuvor, die versucht haben nah an der Armee zu sein und einzugreifen.

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Dass er dazu nach Isjum reiste, könnte folgende Gründe haben: Die knapp 50.000-Einwohner-Stadt liegt im ostukrainischen Gebiet Charkiw und ist einer der zentralen Kriegsschauplätze. Sie gilt als Zugangstor in den Donbass, russische Truppen würden dort ihre Kräfte konzentrieren, um von der Stadt aus weiterzukommen.

Das Ziel ist offenbar, von Isjum aus einen Kessel um die ukrainischen Truppen zu schaffen, um das Gebiet in der Ostukraine einzunehmen. Bisher nehmen die Russen zwar Dörfer ein, doch die verschanzten Truppen der Ukrainer leisten Widerstand. Immer wieder kommt es zu Gefechten oder kleinen Rückeroberungen.

Mehr zum Ukraine-Krieg auf Tagesspiegel Plus:

Gerassimow-Doktrin zur hybriden Kriegsführung

Gerassimow ist neben Verteidigungsminister Schojgu eine der Personen, die zentral für die Planung dieses Krieges verantwortlich ist. Zuvor war er für die Organisation des Streitkräfteeinsatzes in Syrien zuständig und bekam infolgedessen den Titel Held der Russischen Föderation verliehen.

Und nicht nur das. Er gilt als Kopf der „hybriden Kriegsführung“, der sogenannten Gerassimow-Doktrin. Dabei sollen militärische Ziele in Kombination mit anderen Mitteln erreicht werden - wirtschaftlich, politisch oder medial. Zum Beispiel durch das Verbreiten von Fake News durch pro-russische Propagandaseiten. In Deutschland hat man mir dieser Vorgehensweise Erfahrung. Immer wieder gab es Cyberangriffe, der größte fand 2015 statt und richtete sich gegen den Bundestag.

Die frühere Kanzlerin Angela Merkel sprach 2020 bei einer Befragung durch Abgeordnete im Bundestag von einer Strategie der „hybriden Kriegsführung“ Russlands, die auch „Desorientierung“ und „Faktenverdrehung“ beinhalte. 

Zehn Generäle sind bereits tot

Eine schlechte Planung vor Ort soll auch dafür verantwortlich sein, dass Russland seit Beginn des Krieges zehn Generäle verloren hat. Zuletzt sei der hochrangige Generalmajor Andrej Simonow in der Nähe von Isjum bei einem Angriff des ukrainischen Militärs getötet worden. Neben ihm wären auch 100 weitere Soldaten ums Leben gekommen, schreibt die „Kyiv Post“.

Dass die ukrainischen Streitkräfte häufig hochrangige Ziele mit wichtigen Militärs ausfindig machen, könnte am Austausch mit den USA liegen, die mit ihnen spezifische Koordinaten teilen, um russische Stellungen ausfindig zu machen, wie ein US-Militärvertreter dem Sender NBC mitteilte. Als die Ukrainer am Samstag in Isjum eine von den Russen zur Kommandozentrale umgewandelte Schule angriffen, soll Gerassimow allerdings bereits abgereist gewesen sein, berichtet die New York Times.

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