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Aggression und Rücksichtlosigkeit nehmen nach Meinung vieler Befragten in Deutschland zu.

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Gereizte Gesellschaft: Die Stimmung als Spiegel der Zeit

Gleich mehrere Studien attestieren Abstiegsängste und Spannungen in der deutschen Gesellschaft. Aber ist die Lage wirklich so schlecht?

Mit Stimmungen ist es so eine Sache – sie sind Spiegel der Zeit. 2007 etwa prophezeite der Hamburger Zukunftsforscher Horst W. Opaschowski ein Ende der "German Angst". Es gebe trotz Konjunktursorgen einen ganz neuen Optimismus, er rief die Generation V aus – für Vertrauen, Verantwortung und Verlässlichkeit. Seit einigen Jahren nun wird ein Comeback der "German Angst" attestiert, bis hin zur "German Hysterie" und der ´"Republik der Angst". Die Angst vor dem Abstieg, das rapide gesunkene Vertrauen in Mitmenschen, Politik und Behörden, sind in vielen Umfragen nachgewiesen worden.

Die Entkoppelung von Realität und gefühlter Unsicherheit zeigt sich besonders in der Wahrnehmung des Flüchtlingsthemas, wenn zum Beispiel die AfD in Orten große Erfolge erringt, in denen kaum geflüchtete Menschen leben. Ebenso werden nach einem Unfall in Berlin mit vier Toten, dessen Hintergründe noch unklar sind, SUV zum lebensgefährlichen Feindobjekt erklärt – über soziale Medien verstärken sich Anti-Stimmungen. Die fragile Weltlage, der entgrenzte Kapitalismus, Unsicherheiten bei der „Generation Mitte“, steigende Mieten und Rezessionssignale bilden den Resonanzboden für zunehmend negative Stimmungen.

Wirtschaftliche Lage der "Generation Mitte" so gut wie nie - Klagen über Egoismus im Straßenverkehr und im Internet: Umfrage unter 30- bis 59-Jährigen zu Veränderungen in der Gesellschaft und zu persönlichen Erfahrungen mit Aggressivität im Alltag. / AFP / Matthias BOLLMEYER
Wirtschaftliche Lage der "Generation Mitte" so gut wie nie - Klagen über Egoismus im Straßenverkehr und im Internet: Umfrage unter 30- bis 59-Jährigen zu Veränderungen in der Gesellschaft und zu persönlichen Erfahrungen mit Aggressivität im Alltag. / AFP / Matthias BOLLMEYER

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Im Kanzleramt werden kontinuierlich demoskopische Erhebungen analysiert, nicht von ungefähr hat Kanzlerin Angela Merkel (CDU) das Thema "gleichwertige Lebensverhältnisse" zu einem übergeordneten Projekt ihrer großen Koalition erklärt: die gesellschaftliche Polarisierung, die mitunter schlechte Laune können zur Erosion der Demokratie beitragen. "Seit 2008 wissen wir, wie Stimmungen das Geschehen auf den Finanzmärkten beeinflussen; immer schon ahnten wir, dass Stimmungswechsel für politische Machtwechsel verantwortlich sind", schreibt der Soziologe Heinz Bude in seinem Buch "Das Gefühl der Welt". "Der Kapitalismus, dem mit dem Untergang des Sozialismus sein Gegenpart verloren gegangen ist, kennt keine Grenzen und kein Maß mehr", meint Bude.

30 Jahre nach dem Mauerfall gibt es ein widersprüchliches Bild: Rekordbeschäftigung und fast zehn Jahre Wachstum, aber eine Stimmung, die vielerorts schlechter ist als die Lage, hinzu kommt das Leben in eigenen Blasen. Und es gibt ein Stadt-Land-Gefälle – zum einen viel Dynamik und Bewegungen wie Fridays for Future – zum anderen teils zurückgehendes ehrenamtliches Engagement, ein Gefühl des Abgehängt-Seins und Vertrauensverlust in die Politik

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