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Vertreter der Herero und Nama vor dem US-District Court in New York.

© dpa/Johannes Schmitt-Tegge

Genozidprozess in New York: Herero verklagen die Bundesregierung

Die Bundesregierung will mit ihnen nicht über den Völkermord an ihren Vorfahren durch kaiserliche Truppen reden. Deshalb klagen Vertreter der Herero und Nama aus Namibia vor einem New Yorker Gericht.

Es war ein erbarmungsloser Krieg, den der preußische General Lothar von Trotha am Anfang des 20. Jahrhunderts führte. In der Kolonie „Deutsch-Südwestafrika“, dem heutigen Namibia, ging er mit roher Gewalt gegen die einheimischen Herero und Nama vor. Unzählige wurden in Konzentrationslager gesperrt und ermordet. Vielen Toten ließen die Kolonialtruppen sogar die Haut abziehen und das Fleisch von den Knochen schaben. Die Schädel und Gebeine verschifften sie zur „Rasseforschung“ nach Deutschland. Die Bilanz des Feldzugs: zehntausende Tote, der erste Völkermord des 20. Jahrhunderts.

Mehr als 100 Jahre ist das her und immer noch tut sich die Deutschland schwer, einen würdigen Umgang mit seiner Kolonialgeschichte zu finden. Bis heute warten die Nachfahren der Opfer auf eine offizielle Entschuldigung, ganz zu schweigen von einer angemessenen Entschädigung.

Deshalb haben Herero- und Nama-Vertreter im Mai 2017 in New York Klage gegen die Bundesregierung eingereicht. Der Grund: Seit 2015 verhandelt Berlin mit der namibischen Staatsführung über die „Vergangenheitsbewältigung“. Es geht um die Anerkennung der deutschen Schuld und Wiedergutmachung für die historischen Verbrechen. Die Gespräche finden allerdings hinter verschlossenen Türen statt, ohne die Herero- und Nama-Verbände. Deshalb wollen die Opfervertreter vor dem New Yorker Gericht ihren Platz am Verhandlungstisch einklagen.

Berlin verärgert die US-Regierung

Am Donnerstag geht das Verfahren in die nächste Runde. Monatelang wurde der Prozess immer wieder vertagt, da sich die Bundesregierung partout nicht daran beteiligen wollte. Weder akzeptierte das Auswärtige Amt die Klageschrift, noch schickte es einen Vertreter nach New York. „Die Bundesregierung hat sich systematisch den Gesprächen verweigert“, kritisiert der Linken-Bundestagsabgeordnete Niema Movassat. In der Tat hatte Berlin die Opferverbände Jahre lang ignoriert und versucht, das Thema totzuschweigen. Dass die Sache nun vor Gericht gelandet ist, wird von Kritikern deshalb als diplomatisches Armutszeugnis gewertet. Offiziell Stellung beziehen will das Auswärtige Amt dazu nicht – auf Tagesspiegel-Anfrage wird auf das laufende Verfahren verwiesen.

Inzwischen scheint das Verhalten der Bundesregierung aber den Zorn der Amerikaner auf sich gezogen haben. Dass sich die Deutschen über ein US-Gericht hinwegsetzen und keinen Vertreter nach New York schicken wollten, kam in Washington offenbar nicht gut an. Hinter den Kulissen forderten die Amerikaner im November 2017 die deutsche Regierung nachdrücklich auf, endlich vor Gericht zu erscheinen. Ansonsten riskiere Deutschland, „dass ein Urteil ohne Aussagen und ohne Vorlage von Beweismitteln zu seinen Ungunsten erlassen wird“, heißt es in einer diplomatischen Note der Berliner US-Botschaft. Der Bundesregierung drohte ein sogenanntes Versäumnisurteil.

Der außenpolitische Druck aus Washington hat offenbar gewirkt: Vor kurzem nahm sich die Bundesregierung einen Anwalt, den US-Juristen Jeffrey Harris. Der verlangte im Auftrag Berlins Mitte Januar die Einstellung des Herero-Verfahrens. Seine Argumentation: Da die Opfer des Völkermords Einwohner einer deutschen Kolonie waren, sei die Causa wie eine innenpolitische Angelegenheit zu behandeln. Das New Yorker Gericht sei deshalb nicht zuständig. Auch sei das „legale Konzept des Genozid“ hier nicht „anwendbar“. Es ist die gleiche Position, die das Bundesaußenministerium seit jeher vertritt: Das Wort „Völkermord“ geht vielen im diplomatischen Dienst nur schwer über die Lippen, lieber sprechen sie von „Grausamkeiten“.

Linke und Grüne fordern Aufarbeitung der Kolonialgeschichte

Linke und Grüne fordern von der Regierung mehr deutsches Engagement in der Namibia-Frage. Movassat findet, Berlin müsse einen offiziellen Vertreter nach New York entsenden – und nicht nur einen x-beliebigen US-Juristen. „Nur den Anwalt zu schicken zeigt, dass die Bundesregierung die politische Dimension des Verfahrens ignoriert und eine bloße juristische Erledigung will“, sagt er. Die Kolonialvergangenheit müsse politisch aufgearbeitet werden, fordert Movassat. Die Opferverbände aus Namibia wollen, dass der Bundestag eine entsprechende Resolution verabschiedet, wie im Falle Armeniens aus dem Jahr 2016. Dass es bald dazukommt, ist aber unwahrscheinlich, vor allem seit dem Rechtsruck bei der vergangenen Bundestagswahl.

So setzen die Opferverbände ihre Hoffnung auf das Verfahren in New York. Bleibt abzuwarten, wie die zuständige Richterin am Donnerstag entscheidet. Sollte sie dem Antrag der Bundesregierung stattgeben und das Verfahren einstellen, wäre das ein Rückschlag für die Herero und Nama. Sie hätten aber wohl noch eine andere Chance: Jeffrey Harris, der Anwalt der Bundesregierung, findet, dass New Yorker Verfahren sollte am besten verlegt werden. So schrieb er es an das New Yorker Gericht. Nicht die USA, sondern Deutschland sei der beste Ort für eine Völkermordklage sei. Es klingt wie eine Einladung an die klagenden Herero und Nama, bald nach Berlin zu reisen.

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