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Tino Chrupalla (rechts), nach seiner Wahl als AfD-Chef

© Julian Stratenschulte/dpa

Generationswechsel an der AfD-Spitze: Wohin steuert die Partei nach Gaulands Rückzug?

Auf Alexander Gauland folgt sein Wunschkandidat Tino Chrupalla an der AfD-Spitze. Was bedeutet das für den Kurs der Partei?

Es ist auch eine Abschiedsrede, die Alexander Gauland zu Beginn des AfD-Parteitages in Braunschweig hält. „Wenn ich heute Platz mache für einen Jüngeren, dann geschieht das in Freundschaft“, sagt der 78-Jährige. Der scheidende AfD-Chef hofft, dass die Partei zumindest noch einmal seiner Empfehlung folgt.

Eine geordnete Nachfolge an der AfD-Spitze wäre die Krönung seiner politischen Karriere. In seiner Rede wirbt Gauland für einen „solidarischen Generationenwechsel“. Es bestehe jetzt die Chance, dass die AfD erwachsen werde, Gauland bezeichnet den Parteitag als „Meilenstein“.

Seine Worte zeigen Wirkung. Am Samstagabend ist klar: Es kommt so, wie es Gauland und die Parteispitze geplant haben. AfD-Chef Jörg Meuthen bleibt im Amt. Den sächsischen AfD-Abgeordneten und Malermeister Tino Chrupalla wählen die Delegierten zum Nachfolger für Gauland. Das Projekt „Generationenwechsel“ ist geglückt. Aber ist die AfD deshalb jetzt „erwachsen“ – wie es auch Meuthen nach seiner Wahl ausdrückt? Wohin steuern die Rechtspopulisten nun?

Dass die Planungen der Parteispitze aufgehen, war keineswegs sicher. Im Vorfeld hatte sich ein chaotischer Parteitag abgezeichnet, ein Showdown womöglich mit unvorhersehbarem Ausgang. Es gab Unmut, weil Mitglieder den Eindruck hatten, die Personalie Tino Chrupalla sei im Hinterzimmer ausgeklüngelt worden. Eine Praxis, die AfD-Mitglieder mit den von ihnen so genannten „Altparteien“ verbinden. „Das ist nicht die AfD, die wir mal gegründet haben“, beschwerte sich ein Funktionär.

Gauland versucht den Kritikern entgegen zu kommen. Erwachsen werden bedeute nicht „angekommen und schon gar nicht angepasst“, betont er. Und skizziert, welchen Kurs er sich für die AfD in der Zukunft wünscht. Er warnt vor Revolutionsgedanken, die einige seiner Parteikollegen offensichtlich hegen.

Gauland ruft zur Mäßigung auf

Nur bei demokratischen Wahlen, sagt Gauland, könne die AfD so stark werden, „dass es nicht länger möglich sein wird, uns von der Gestaltungsmacht dieses Landes auszuschließen“. Und Gauland ruft seine Parteifreunde zur verbalen Mäßigung auf. „Eine Partei ist eine Kampfgemeinschaft zur Erreichung bestimmter Ziele. Deshalb ist die Meinungsfreiheit des Grundgesetzes auch weiter als die Meinungstoleranz in einer Partei.“

Gauland hat in der Vergangenheit selbst verbal einige rote Linien überschritten – Stichwort „Vogelschiss“. Doch seit einiger Zeit verfolgt er das Ziel, die AfD als „bürgerliche Partei“ zu verkaufen – er will es der CDU schwer machen, ihrer Basis zu erklären, warum sie nicht mit der AfD koaliere.

Er warnt: Die Chance, die sich der AfD derzeit böte, „kommt nicht zurück, wenn sie vertan ist“. Als sich Parteichef Jörg Meuthen bei ihm für seine Arbeit bedankt und ihm die Delegierten stehend applaudieren, ist Gauland sichtlich gerührt.

Wunschnachfolger wird gewählt

Seinen Wunschnachfolger Tino Chrupalla schlägt Gauland persönlich vor. Gauland hofft, dass der 44-Jährige als Identifikationsfigur für den Osten dienen kann und gleichzeitig bürgerlich genug wirkt, um auch im Westen anzukommen. Als Bedrohung für Chrupalla war im Vorfeld vor allem der Physiker und Kirchenmusiker Gottfried Curio gesehen worden, der mit seinen demagogischen Bundestagsreden eine wachsende Fangemeinde im Netz bedient.

In der AfD rechneten sie damit, Curio werde auch in Braunschweig eine scharfe und lange vorbereitete Rede halten. Doch Curio schafft es nicht, den Saal mitzureißen. Das Motto seiner Rede: „Die AfD ist der Problemlöser.“

Malermeister Tino Chrupalla wirbt dagegen damit, dass er bei der Bundestagswahl 2017 als Direktkandidat in seinem Görlitzer Wahlkreis gegen den sächsischen Ministerpräsidenten Michael Kretschmer gewann. Und dass die AfD in Görlitz fast den Bürgermeister gestellt hätte. Ganz im Sinne von Gauland ruft er: „Das große Wählerpotenzial sehe ich im bürgerlichen Lager“. Um dieses zu erreichen, brauche es keine „drastische Sprache“.

Es ist fraglich, ob Chrupalla im Zweifel gegen Rechtsausleger wie Höcke durchgreifen würde

Nur fiel Chrupalla in der Vergangenheit selbst mit radikalen Aussagen auf. So sagte er zum Tag des Mauerfalls über Kanzlerin Angela Merkel: „Ich bedaure, dass sie uns nicht verrät, welche Herrschafts- und Zersetzungsstrategien sie damals bei der FDJ gelernt hat.“

Bei einer Veranstaltung in Sachsen ließ er verlauten, in Deutschland finde eine „Umvolkung“ statt. Und im Januar dieses Jahres schickte er ein Schreiben an die Mitglieder seines Kreisverbandes, in dem es hieß: „Hintergrundinformationen über als Journalisten getarnte Zersetzungsagenten sind immer willkommen.“

Chrupalla ist zwar nicht Teil des radikalen „Flügels“, war aber bei seiner Wahl auf Stimmen aus diesem Lager angewiesen. Es ist fraglich, ob er im Zweifel gegen Rechtsausleger wie Björn Höcke durchgreifen würde. Parteichef Meuthen, der sich in der Vergangenheit mit dem „Flügel“ arrangiert hat, distanziert sich dagegen in seiner Rede vom extrem rechten Rand.

Nicht nur Vernunftkandidaten

Er werde sein Gesicht nicht für eine Partei hergeben, die extremistische Tendenzen toleriere, ruft Meuthen. Er wird mit knapp 70 Prozent wiedergewählt – bei zwei Gegenkandidaten.

Dass die Partei aber bei weitem nicht nur auf Vernunftkandidaten setzt, zeigt sich bei der Wahl der Stellvertreter. Nach Fraktionschefin Alice Weidel wird der Bundestagsabgeordnete Stephan Brandner zum Vize gewählt. Er ist erst kürzlich als Vorsitzender des Rechtsausschusses abgesetzt worden – wegen seiner Tweets nach dem rechtsextremen Anschlag in Halle.

Und um ein Haar wäre auch der Bundestagsabgeordnete Stephan Protschka zum Vize bestimmt worden – er steht in der Kritik, weil er für einen Gedenkstein spendete, in dem Historiker eine „skandalöse Verherrlichung nationalsozialistischer Verbände“ sehen. Der eher gemäßigte Berliner Landeschef Georg Pazderski wurde dagegen abgestraft und nicht wieder als stellvertretender AfD-Vorsitzender gewählt. Nach einer Mäßigung sieht es also auch in Braunschweig nicht aus.

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