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Mann ohne Maske - zum eigenen Schaden: Präsident Donald Trump nimmt seine Maske im Weißen Haus demonstrativ ab.

© Evan Vucci/AP/dpa

Gelingt Trump ein Comeback?: Realität schlägt „Soap Opera“

Trump will rasch in den Wahlkampf zurück. Doch die Wähler reagieren negativ auf sein Auftreten, von der TV-Debatte bis zum Umgang mit Corona. Eine Analyse.

Es zieht ihn in den Wahlkampf zurück – um jeden Preis, wie es aussieht. Obwohl Donald Trump mit Corona infiziert ist, nach den offiziellen Regeln als ansteckend gilt und in Isolation bleiben müsste, entlässt er sich selbst aus dem Krankenhaus. Er kehrt ins Weiße Haus zurück – und will so rasch wie möglich zurück in die Schlacht um die Wiederwahl.

Der Blick in die Umfragen setzt ihn unter Druck. Seit Tagen fällt er zurück, der Vorsprung von Joe Biden wächst, in den nationalen Erhebungen und ebenso in den entscheidenden „Battleground States“. Noch beunruhigender für Trump: Er verliert an Rückhalt unter Senioren. Dieser Wählergruppe hatte er den Wahlsieg 2016 zu verdanken.

Wie will Trump das Blatt wenden? Er verhält sich, als wäre diese Phase des Wahlkampfs eine „Soap Opera“. Hauptsache, er verbreitet mit Tweets und Bildern den Eindruck eines gesunden und tatkräftigen Präsidenten, selbst wenn die in auffälligem Widerspruch zu den Fakten stehen.

"Trump reloaded" oder "Game over"

Schon im Walter Reed Hospital war er auf seine Außenwirkung bedacht. Er setzte 18 Tweets binnen einer Stunde ab, ließ sich kurz im Auto herumfahren, um sich seinen Anhängern hinter den Panzerglasscheiben zu zeigen – und inszeniert seine Ankunft im Weißen Haus wie ein Heldenepos. Ohne Maske.

Aber: Erreicht er damit den gewünschten Zweck? Was wirkt stärker, die Kraft der Bilder oder das Wissen, dass der Präsident infiziert ist und mit seinem Auftreten die Gesundheit anderer aufs Spiel setzt? Zugespitzt formuliert lauten die Alternativen nun: „Trump reloaded“ samt der Botschaft, dass die Vorsehung noch einiges mit ihm vorhat. Oder er besiegelt mit diesem Verhalten seine Niederlage – „Game over“.

Bidens Vorsprung in den Umfragen wächst

Momentan sieht es danach aus, dass der Präsident seinen Niedergang beschleunigt. Im Schnitt der nationalen Umfragen ist Bidens Vorsprung seit dem 29. September, dem Tag der TV-Debatte, gewachsen, von 6,1 auf 8,5 Prozentpunkte. In den „Top Battlegrounds“ ist die Dynamik weniger deutlich. Bidens Führung wuchs dort von 3,5 auf 4,1 Prozentpunkte.

Besonders beunruhigend für Trump ist der Blick auf einzelne Staaten wie Florida und Michigan. Und dort wiederum auf die älteren Wähler. Sie gehen in hoher Zahl zur Wahl.

Mann mit Maske - und mit Vorsprung: Herausforderer Joe Biden.
Mann mit Maske - und mit Vorsprung: Herausforderer Joe Biden.

© Andrew Harnik/AP/dpa

Umschwung bei den Senioren in Florida

Bei der Wahl 2016 hatte Trump unter Wählerinnen und Wählern im Alter von 65 Jahren oder älter in Florida einen Vorsprung von 17 Prozentpunkten. Nun liegt er in dieser Gruppe Kopf an Kopf mit Biden. Freilich hat Biden Florida noch lange nicht gewonnen. Im Schnitt der Umfragen in allen Wählergruppen führt er mit zwei Prozentpunkten; das liegt innerhalb der statistischen Fehlerquote solcher Erhebungen.

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Zudem ist Biden in Florida nicht im Aufwind. Er erlebt ebenso wie Trump einen Abwärtstrend. Er kann dort weder von Trumps unverschämten Auftreten in der TV-Debatte noch von dessen verantwortungslosem Umgang mit seiner Corona-Infektion profitieren. Diese offene Lage in Florida mit leichten Vorteilen für Biden ist jedoch eine klare Verbesserung für die Demokraten im Vergleich mit 2016.

In Michigan bevorzugen Weiße über 65 jetzt in hoher Zahl Biden

In Michigan ist die Entwicklung eindeutiger. 2016 hatte Trump den Staat, der früher das Herz der amerikanischen Autoindustrie war und in dem zumeist die Demokraten vorne lagen, knapp gewonnen. In der jüngsten Umfrage führt Biden mit 8,8 Prozentpunkten. Die Demoskopen nennen die Fernsehdebatte als Grund, warum Biden seinen Vorsprung in Michigan ausbauen konnte.

Und auch dort gibt die Altersgruppe 65 und älter den Ausschlag. Senioren bevorzugen Biden (59 Prozent) nun mit 30 Prozentpunkten Vorsprung vor Trump (29 Prozent). Unter älteren Weißen, 2016 eine Kerngruppe für Trump, haben die Demoskopen seit Anfang September einen Umschwung um 22 Prozentpunkte von Trump zu Biden beobachtet.

Fürs erste sehen die Schlussfolgerungen düster für Trump aus. Er braucht einen „Gamechanger“, um die Dynamik zu ändern. Doch derzeit gilt: Realität ist den Wählern wichtiger als „Soap Opera“.

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