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Obskures Objekt der Begierde: An Internetknotenpunkten wie dem der Firma De-Cix in Frankfurt am Main zapft der BND Daten ab.

© dpa

Geheimdienste: Spionieren unter Aufsicht

Ausspähen ja, aber nur nach strengen Regeln und gut kontrolliert - so entschied das Bundesverfassungsgericht im Mai. Nun muss die Regierung das Urteil umsetzen.

Von Hans Monath

Die Arbeit des Bundesnachrichtendienstes (BND) im Ausland soll künftig von einer Kontrollbehörde überwacht werden, die eigens dafür geschaffen wird. Das geht aus dem Entwurf für ein neues BND-Gesetz hervor, das nun zwischen den Ressorts abgestimmt wird. Die Bundesregierung will mit Zustimmung des Bundestags einen „Unabhängigen Kontrollrat“ aus sechs hochrangigen Juristen und etwa 25 Mitarbeitern schaffen, um die Arbeit des BND umfassend zu beaufsichtigen. Anders als das Parlamentarische Kontrollgremium (PKGr) des Bundestags, in dem Abgeordnete die Kontrolle ausüben, wird das neue Gremium eine Oberste Bundesbehörde sein.

Damit kommt die Regierung einem Urteil des Bundesverfassungsgerichts nach. Es hatte im Mai nach einer Verfassungsbeschwerde ausländischer Journalisten entschieden, dass deutsche Behörden auch im Ausland die Grundrechte beachten müssen. Deshalb verpflichteten die Richter den BND, das Fernmeldegeheimnis und die Pressefreiheit zu achten. Bis dahin konnten Ausländer im Ausland ohne Einschränkung abgehört werden.
Laut dem Urteil ist die heimliche Überwachung im Ausland für die Betroffenen zwar ein schwerer Eingriff, sie ist aber grundsätzlich zulässig. Es gebe ein überragendes öffentliches Interesse „an einer wirksamen Auslandsaufklärung im Interesse der außen- und sicherheitspolitischen Handlungsfähigkeit der Bundesrepublik Deutschland“, schrieben die Richter und würdigten damit die BND-Arbeit.

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Zugleich verpflichtete das Verfassungsgericht den Bundestag dazu, das BND-Gesetz nachzubessern und die Kontrolle der strategischen Fernmeldeaufklärung des BND im Ausland zu verstärken. Das Parlament muss demnach vorgeben, wieviel und wo überwacht werden darf.

Die Richter forderten dafür ein schlagkräftiges Gremium, das über eigenes Personal und ein eigenes Budget verfügt. Sogar für die Zahl der Mitarbeiter gaben die Richter vor. Bislang hatte ein „Unabhängiges Gremium“ aus drei Juristen die strategische Aufklärung des BND kontrolliert. Dies hatte die Regierung bei der letzten BND-Reform im Jahr 2016 den Kritikern zugestanden. Damit reagierte sie damals auf die Enthüllungen des Whistleblowers Edward Snowden im NSA-Skandal und auf Vorwürfe, wonach der BND bei seiner Datenaufklärung im Ausland auch Deutsche ins Visier genommen hatte.

Als riesige Datenkrake - so sahen die Kläger in Karlsruhe den BND. Und hatten mit ihrer Verfassungsbeschwerde Erfolg.
Als riesige Datenkrake - so sahen die Kläger in Karlsruhe den BND. Und hatten mit ihrer Verfassungsbeschwerde Erfolg.

© dpa

Der Begriff strategische Fernmeldeaufklärung beschreibt die Durchsuchung großer Datenströme auf relevante Informationen ohne bestimmten Verdacht. Laut BND werden jeden Tag ungefähr 154000 Kommunikationsbeziehungen erfasst, von denen sich am Ende etwa 260 als relevant herausstellen. Deutsche dürfen so nicht überwacht werden. Der BND versucht deshalb, ihre Kommunikation vor der inhaltlichen Auswertung auszusortieren. In dem Entwurf heißt es dazu: „In der Praxis verwendet der Bundesnachrichtendienst hierzu ein mehrstufiges, automatisiertes Filtersystem, um solche Verkehre zu erkennen und unwiederbringlich zu löschen.“ 

Das neue Gremium soll aber auch kleinere Überwachungsmaßnahmen schon prüfen, bevor sie umgesetzt werden. Zudem soll es alle vom BND verwendeten Suchbegriffe kontrollieren können.

Die Partner schauen misstrauisch auf die neuen Vorgaben

Partnerdienste des BND dürften die neuen Regeln skeptisch sehen. Der deutsche Auslandsgeheimdienst ist zur Aufklärung von Gefahren auf Informationen der Partner angewiesen, die aber in der Regel nur unter der Maßgabe geliefert werden, dass sie nicht an Dritte weitergegeben werden. Aufgabe der Bundesregierung dürfte deshalb nun sein, die Partner davon zu überzeugen, dass deren Informationen zwar vom „Unabhängigen Kontrollrat“ eingesehen werden können, dieses streng geheim tagende Gremium aber keinesfalls verlassen können.

Anfang des Jahres 2022 soll nicht nur das neue Gesetz in Kraft treten, die neuen Kontrollstrukturen und -mechanismen sollen dann auch wirksam und eingespielt sein. Damit setzten die Karlsruher Richter Kanzleramt und Bundestag massiv unter Zeitdruck. 

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