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Geheimdienste: Hanning verteidigt Entscheidung gegen Kurnaz

Der Terrorverdacht gegen den Bremer Türken Murat Kurnaz war nach den Worten des früheren BND-Chefs August Hanning alles andere als aus der Luft gegriffen.

Berlin - "Der Bremer Ermittlungsstand war eindeutig", sagte Hanning vor dem Untersuchungsausschuss des Bundestages zum Anti-Terror-Kampf. Das Gesamtbild in Bremen von Polizei und Verfassungsschutz sei gewesen: "Dieser Mann ist zwar noch kein Terrorist." Aber die Menge der Indizien hätten für die Fachleute Anlass zu der Einschätzung gegeben, dass er in terroristische Aktivitäten verstrickt werden könnte. Hanning nannte unter anderem die überstürzte Abreise von Kurnaz nach Pakistan als Hinweis. Bei der Einschätzung der Sicherheitsspitzen am 29. Oktober 2002 im Kanzleramt seien die Indizien für einen Terrorverdacht ausschlaggebend gewesen.

Hanning hob hervor, dass die Teilnehmer der so genannten Präsidentenrunde im Kanzleramt einhellig zu der Einschätzung gekommen seien, dass "im Interesse unserer Sicherheit" eine Einreise von Kurnaz in die Türkei im Falle seiner Freilassung vorzuziehen sei. Bundeskriminalamt und Bundesverfassungsschutz (BfV) hätten die Ansicht vertreten, dass die Verdachtsmomente gegen den Guantanamo-Häftling nicht ausgeräumt seien. Hanning hob hervor, dass er als damaliger Chef des Auslandsgeheimdienstes BND nicht die Stichhaltigkeit der Bremer Erkenntnisse beurteilen konnte. Dies sei Sache der Sicherheitsbehörden im Inland gewesen.

Hanning ging auch ausführlich darauf ein, weshalb eine gegenteilige Bewertung von Kurnaz durch Mitarbeiter von BND und BfV nicht in die Präsidentenrunde eingegangen war. Die drei Mitarbeiter, die Kurnaz im September 2002 in Guantanamo befragt hatten, hielten eine Verbindung zu terroristischen Gruppen für unwahrscheinlich. Hanning sagte, ihm sei zwar aufgefallen, dass zwischen deren Bewertung und den Bremer Erkenntnissen "eine große Lücke klafft". Der heutige Innenstaatssekretär hob aber hervor, dass die Einschätzung der Mitarbeiter allein auf der Aussage von Kurnaz beruhte. "Die Bewertungsbasis war somit lückenhaft." Daher habe er sich die Bewertung seiner Mitarbeiter nicht zu eigen machen können.

Ohnehin sei die Aufgabe der deutschen Geheimdienst-Mitarbeiter in Guantanamo nicht gewesen, "eine Prognose abzugeben, ob Kurnaz nach seiner Rückkehr nach Deutschland gefährlich sein würde", sagte Hanning weiter. Vielmehr sei es um nachrichtendienstliche Aufklärung etwa zu "Rekrutierungsmustern" für Terroristen gegangen. Die Mitarbeiter seien insofern über ihren Auftrag hinausgegangen.

Uhrlau wird später vernommen

Nach Hanning sollten als wichtigste Zeugen im Ausschuss auch der heutige BND-Chef und damalige Geheimdienstkoordinator Ernst Uhrlau sowie der einstige Verfassungsschutz-Vize Klaus-Dieter Fritsche aussagen. Zuvor hatte der Ausschuss bereits beschlossen, die Befragung von Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) auf den 29. März zu verschieben, um zuvor noch Zeugen aus Bremen und vom BKA hören zu können. Der Ausschuss befasst sich besonders mit der Frage, ob die frühere rot-grüne Bundesregierung die Freilassung von Kurnaz aus dem US-Gefangenenlager Guantanamo verhindert hat. Steinmeier war damals Kanzleramtschef.

Bremens Innensenator Thomas Röwekamp (CDU) wies derweil jede Verantwortung für die 2002 gegen Kurnaz verhängte Einreisesperre zurück. "Die Einreisesperre gegen Kurnaz veranlasste nicht meine Behörde, sondern das Bundesinnenministerium mit der Begründung, es gehe um die Wahrung der Interessen der Bundesrepublik Deutschland", sagte er der Zeitung "Die Welt". "Das war eine alleinige Maßnahme der Bundesregierung, die von uns nicht veranlasst worden war." Außerdem seien die Erkenntnisse des Bremer Landesamtes für Verfassungsschutz über Kurnaz seinerzeit sehr vage gewesen. Die Behörde habe daher "von Anfang an darauf hingewiesen, dass die Erkenntnisse unbestätigt sind und nicht abschließend bewertet werden können". (tso/AFP/dpa)

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