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Bei der OB-Wahl im Frühjahr waren CDU und AfD noch Konkurrenten. Inzwischen ist die Abgrenzung weniger strikt.

© Florian Gärtner/imago images/photothek

Gegen die Vorgaben der Parteizentrale: So häufig kooperieren CDU und AfD in ostdeutschen Kommunen

Fraktionsgemeinschaft mit einem Neonazi, gemeinsame Abstimmungen mit der AfD: In zahlreichen Gemeinden testen CDU-Leute die Annäherung an die Rechten.

Von Matthias Meisner

Es war zwei Tage nach der sächsischen Landtagswahl, bei der sich die CDU Anfang September mit knappem Vorsprung vor der AfD behaupten konnte: In Radebeul, einem Vorort von Dresden, hatten die Parlamentarier im Stadtentwicklungsausschuss die Wahl. Zu entscheiden war über eine "sachkundige Persönlichkeit für die Jury des Bauherrenpreises", es kandidierten der Informatiker Matthias Hoffmann, Stadtrat der AfD, und die Projektmanagerin Angela Zscheichler, Stadträtin der Fraktion Bürgerforum/Grüne/SPD.

In geheimer Wahl entschied Hoffmann die Kampfabstimmung mit sechs zu fünf Stimmen für sich. Wer sich die Mehrheitsverhältnisse im Ausschuss betrachtet, für den ist offenkundig: Neben der AfD und vermutlich einem Stadtrat der Freien Wähler haben offenbar alle drei CDU-Stadträte in dem Gremium für den AfD-Mann gestimmt.

Grünen-Stadtrat Martin Oehmichen ist empört: "Zwischen der CDU und der flüchtlingsfeindlichen, völkischen und tendenziell rassistischen Partei AfD bestehen in Radebeul kaum Berührungsängste", sagt er dem Tagesspiegel. Bereits zur konstituierenden Stadtratssitzung nach der Kommunalwahl im Frühjahr habe die CDU ohne Not der AfD die Zusammenarbeit angeboten. "Ohne Rücksicht auf Verluste arbeitet der blau-schwarze Haufen zusammen", sagt Oehmichen: "Es ist einfach nur gruselig."

Ein AfD-Mann lobt die "konspirative" Zusammenarbeit

Radebeul - ein Beispiel unter Dutzenden. Das Portal "Endstation Rechts" listete zahlreiche weitere Fälle von Kooperationen auf: Chemnitz, Pirna, den Kreisrat von Mittelsachsen. In Chemnitz wurde um die Besetzung des Jugendhilfeausschusses gestritten. Vertreter von freien Trägern oder Wohlfahrtsverbänden, die mitunter bereits in dem Gremium saßen, gingen leer aus. Das galt als Erfolg der CDU, die aus den Reihen von FDP, AfD und der rechtsextremen Lokalpartei "Pro Chemnitz" unterstützt wurde. AfD-Stadtrat Lars Franke, früher bei "Pro Chemnitz", jubilierte auf Facebook: "Es ist gut, dass die konservativen demokratischen Kräfte im Chemnitzer Stadtrat konspirativ und nicht gegeneinander arbeiten."

Aus Görlitz, Heimatstadt von Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU), wurde eine Zusammenarbeit von AfD und CDU schon kurz vor der Landtagswahl publik. Dort wählten viele CDU-Stadträte einen AfD-Mann in den Umwelt- und Ordnungsausschuss, einen, der als Waffennarr und Anhänger der rechtsextremen Identitären Bewegung gilt. Die Grünen-Landtagsabgeordnete Franziska Schubert sagte: "Keine Zusammenarbeit mit der AfD – so das Versprechen des Ministerpräsidenten. Hier ist sein Wahlkreis; das ist seine Basis-CDU. Wir glauben nicht, dass das Versprechen des Ministerpräsidenten im Großen gilt, wenn es im Kleinen eine andere Realität gibt."

Im elf Mitglieder zählenden Gemeinderat von Gohrisch in der Sächsischen Schweiz bildeten zwei von der CDU vorgeschlagene Räte, ein von den Grünen aufgestelltes Ratsmitglied und einer von der AfD eine Fraktion, wie vergangene Woche die "Sächsische Zeitung" berichtete. Die AfD sah darin kein Problem, CDU und Grüne distanzierten sich. Sachsens CDU-Generalsekretär Alexander Dierks schrieb auf Twitter: "Es ist vollkommen klar, dass dieser Vorgang nicht auf Zustimmung trifft. Keiner der Gemeinderäte in Gohrisch ist CDU-Mitglied."

"Endstation Rechts" schrieb: "Man könnte diese punktuelle Zusammenarbeit abtun, schließlich herrscht auf kommunaler Ebene oftmals ein anderer Ton." Dort gehe es eher um Sachpolitik als um Parteiprogramme. Andererseits: "Dahinter dürfte auch ein Signal an die Parteispitze stehen: In der Basis scheint der Handschlag mit der AfD deutlich mehr Zustimmung zu finden, als bei der Führungsebene."

Ein Problem nicht nur in Sachsen: Laut Recherchen des ARD-Magazins "Report Mainz" gibt es in 18 Kommunen Hinweise auf eine Zusammenarbeit von AfD und CDU. Demnach wählten im thüringischen Saale-Holzland-Kreis laut Teilnehmern CDU-Abgeordnete einen AfD-Kandidaten, der beim rechtsextremen Pegida-Ableger Thügida aufgetreten war.

In Eilsleben holte die CDU einen Rechtsextremisten in die Fraktion

Der wohl spektakulärste Fall: In der Gemeinde Eilsleben bei Magdeburg bildete die CDU eine gemeinsame Fraktion mit einem Rechtsextremisten, Gemeinderatsmitglied der AfD. Der Mann, Martin Ahrendt, hatte laut "Report Mainz" in der Vergangenheit an mehreren Neonazi-Aufmärschen teilgenommen und auf Facebook regelmäßig rechtsextreme Inhalte geteilt. CDU-Fraktionschef Gunter Czyrnik begründete die Kooperation mit den Worten, man habe dem AfD-Mann die Mitarbeit in den Ausschüssen ermöglichen wollen. Czyrnik sagte: "Wir haben uns darauf geeinigt, dass wir das beenden, sobald ein Pressezirkus entsteht." Als Reaktion auf den TV-Bericht beendete die CDU dann tatsächlich die Kooperation.

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Wirklich gern spricht die CDU nicht über die Vorfälle. Hinter vorgehaltener Hand versuchen Funktionäre, sie als "Unfälle" abzutun. Nur knapp teilt die CDU-Parteizentrale auf Twitter mit: "Die CDU lehnt Koalitionen und ähnliche Formen der Zusammenarbeit mit Linkspartei wie mit AfD ab. Beschluss ist für Mitglieder und Verbände bindend. Wo dagegen verstoßen wird, sind zuständige Gliederungen aufgerufen, Maßnahmen nach Statut und Parteiengesetz durchzusetzen." CDU-Generalsekretär Paul Ziemiak äußerte sich zuletzt nicht mehr zum Thema.

Der sächsische CDU-Bundestagsabgeordnete Marco Wanderwitz, der seit Jahren strikt vor jeglicher Annäherung an die AfD warnt, sagt dem Tagesspiegel: "Einerseits schauen wir da in allen Fällen genau hin, um gegebenenfalls Maßnahmen zu ergreifen. Andererseits werden leider nicht selten vermeintliche ,Skandale' herbeigeredet."

In Radebeul begann Maaßen seine Wahlkampftour

Vermeintliche Skandale - oder hat die Kooperation in den Kommunen doch eine Türöffner-Funktion? In Radebeul sitzt für die CDU im Stadtrat auch Sven Eppinger, stellvertretender Landesvorsitzender der "Werte-Union". Er hat gemeinsam mit CDU-Landtagspräsident Matthias Rößler eingefädelt, dass Ex-Verfassungsschutzpräsident Hans-Georg Maaßen seine Wahlkampftour durch Sachsen in Radebeul begann. Jetzt, nachdem CDU, Grüne und SPD Sondierungsgespräche über eine neue Landesregierung aufnehmen, warnt er vor einem Kenia-Bündnis: Es gebe mit den Grünen einfach zu wenige Schnittmengen. Eppinger wünscht sich für Sachsen eine CDU-Minderheitsregierung - obwohl diese in der Praxis eine Kooperation mit der AfD durch die Hintertür bringen könnte.

Zur Kritik an einer Zusammenarbeit mit der AfD in Radebeul sagt Eppinger: "Aufgebauschtes Zeug. Es gibt keine Zusammenarbeit, die über das normale Maß in den Kommunen hinausgeht." Es gehe im Stadtrat nicht um "parteipolitisches Denken", sondern um "vernünftige Sacharbeit". Und: "Es sind Menschen, mit denen arbeitet man zusammen." Die Vorwürfe der örtlichen Grünen bezeichnet Eppinger als "Hetze". Wirklich verwundert ist er darüber nicht. Schließlich sei die Öko-Partei in Radebeul "eher linksradikal" eingestellt.

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