zum Hauptinhalt
Ex-FBI-Direktor James Comey

© AFP/Brendan Smialowski

Gefeuerter FBI-Chef James Comey: „Trump ist eine Katastrophe, die den USA helfen kann“

Nach seinem Rauswurf durch den US-Präsidenten besucht James Comey auf seiner Lesereise Berlin. Der Ex-FBI-Direktor ist sich sicher: Amerika wird den „Waldbrand“ Donald Trump überleben.

Von Anna Sauerbrey

Ja, stimmt, er ist wirklich unfassbar groß. „Die Giraffe“ nennt sich der von Donald Trump gefeuerte ehemalige Direktor des US-Inlandsgeheimdienstes, James Comey, selbst. Und an diesem Dienstagabend bewegt sich die „FBI-Giraffe“ mit lässiger Gemächlichkeit, also sehr giraffenhaft, auf die Bühne des „Kino International“. Comey ist für ein Buchgespräch gekommen. „A Higher Loyalty“ heißt sein Buch auf Englisch, „Größer als das Amt“ auf Deutsch.

Es ist eine „Autobiographie“ in dicken Anführungszeichen. Tatsächlich ist es ein Buch über Donald Trump. Mitte April ist es gleichzeitig in den USA und Deutschland erschienen (Droemer, 384 Seiten, 19,99; Buchkritik hier) Hier in Berlin hat Comey früher seine Kollegen aus den deutschen Sicherheitsbehörden getroffen. Heute kommt er als eine Mischung aus Politgroupie-Entertainer und Evangelist.

Ein bisschen jungenhaft, mit Einstecktuch, aber ohne Krawatte: Das ist also der Mann, von dem manche meinen, ihm habe die Welt Donald Trump zu verdanken. Nur zwei Wochen vor der US-Präsidentschaftswahl 2016 machte James Comey öffentlich, dass das FBI Ermittlungen gegen Hillary Clinton wieder aufgenommen hatte. Clinton hatte als Außenministerin vertrauliche dienstliche Emails von einem privaten Mailserver verschickt. Das hatte das FBI schon festgestellt, aber keine Anklage erhoben. Nun, kurz vor der Wahl, waren weitere Emails auf dem Laptop des Ehemanns einer engen Mitarbeiterin Clintons aufgetaucht, Anthony Weiner, eine ziemlich schillernde Persönlichkeit.

Ein Aufschrei ging durch das Land. Trump hatte die Email-Affäre ohnehin zu einem zentralen Bestandteil seiner Kampagne gemacht, jetzt bekam er kurz vor der Wahl neues Futter. Anhänger Clintons hingegen sahen in Comeys Veröffentlichung den Versuch der politischen Einflussnahme. Dass das FBI schon damals Kontakten von Trumps Wahlkampfteam zu Russland nachging, also die „Russlandaffäre“ untersuchte, die mögliche Einflussnahme Russlands auf die US-Präsidentschaftswahl, wurde erst nach der Wahl Donald Trumps ein Thema.

Geschadet haben Trump Comeys Enthüllungen nicht

Als habe er die Wahl Trumps wieder wettmachen wollen, hat Comey danach auch Informationen veröffentlicht, die das Zeug gehabt hätten, den Präsidenten zu Fall zu bringen, würden die alten politischen noch gelten. Trump, so hat Comey vor dem Kongress ausgesagt und so schreibt er ausführlich in seinem Buch, habe ihn dazu gedrängt, die Ermittlungen gegen Michael Flynn einzustellen, den ehemaligen Nationalen Sicherheitsberater des Präsidenten, der während des Wahlkampfs Kontakte zum russischen Botschafter Sergej Kisljak hatte. Trump hat außerdem laut Comey von diesem in einem Vieraugengespräch „Loyalität“ eingefordert, ein unerhörter Vorgang. Comey hat darüber schon kurz nach dem Gespräch ein Memo verfasst und den Vorgang öffentlich gemacht - geschadet hat es Trump nicht.

Die Ermittlungen in der Russlandaffäre führt mittlerweile Robert Mueller. Im Mai 2017 hat Donald Trump James Comey entlassen. Am Dienstagabend schildert Comey den Moment, als er von seiner eigenen Entlassung erfuhr, eine Szene, die auch im Buch ausführlich beschrieben wird. Comey war für ein Rekrutierungsevent des FBI nach Los Angeles gereist. Vor der Veranstaltung sprach er in einem Raum zu Mitarbeitern des lokalen FBI-Büros. Hinter der Gruppe, an der Wand des Raumes, waren Fernseher angebracht. Auf mehreren Nachrichtensendern begann plötzlich die Eilmeldung durchzulaufen: „Comey fired.“ „Ich fühlte mich überrumpelt und etwas desorientiert“, sagt Comey lakonisch. Er erzählt, er habe sich in ein Büro zurückgezogen, um sich erst einmal seine eigene Entlassung bestätigen zu lassen. Als er den Raum wieder verließ, hätten manche Mitarbeiter geweint.

Falls ihn die Ereignisse der letzten Jahre heute noch anfechten, so ist davon an diesem Abend in Berlin allerdings wenig zu spüren. „Haben Sie die Wahl beeinflusst?“, fragt Holger Stark, Chef der Investigativabteilung der „Zeit“, der das Gespräch mit Comey führt. „Ich weiß es nicht. Ich hoffe und bete, dass es nicht so ist“, antwortet Comey.

Comey scheint sich wohl zu fühlen in seiner neuen Rolle als Gegenwartschronist und Unterhalter. Er ist ein guter Erzähler, er beschreibt Situationen detailreich: die Farbe der Tapeten im Weißen Haus, die Topographie von Räumen, oder zum Beispiel jene Szene im Weißen Haus kurz nachdem Donald Trump sein Amt angetreten hatte: Bei einem öffentlichen Treffen mit den Chefs der amerikanischen Geheimdienste versucht Trump coram publico Comey zu umarmen - jenen Mann, von dem Amerika sagt, er habe ihn ins Amt gebracht. Comey gelingt es halb die Geste abzuwehren, im Fernsehen sieht es aus, als würde Trump ihn küssen und Comey sagt, er sei heute noch fassungslos, wie instinktlos (oder auch nicht) Trump gehandelt hat.

Das alles ist auf erschreckende Art und Weise unterhaltsam, so wie Trump nun einmal auf erschreckende Weise unterhaltsam ist. Und dennoch beschleicht einen auch ein ungutes Gefühl bei dieser vorzeitigen Historisierung, der humoristischen Distanz des ehemaligen FBI-Direktors.

Als wolle er das wettmachen, beendet Comey den Abend mit einem leidenschaftlichen und pathetischen Plädoyer für das Vertrauen in die Kraft der amerikanischen Demokratie und Zivilgesellschaft - so wie auch sein Buch endet. Trump nennt er erneut „moralisch ungeeignet“ für das Amt und erhält dafür großen Applaus vom Berliner Publikum. Die USA, so Comey, würden aufstehen wie Phoenix aus der Asche des „Waldbrandes“, als den er Trump sieht.

Amerika sei stark, der „Riese“ werde wieder erwachen, so Comey. „Ich sehe das in den Schülerprotesten gegen den Waffen, in den vielen Frauen, die nun für den Kongress kandidieren, in den vielen Familien, die mit ihren Kindern wieder über die Wahrheit diskutieren“, sagt er. „Auf seltsame Art und Weise haben wir Donald Trump gebraucht, er ist die Katastrophe, die uns helfen kann, die Polarisierung zu überwinden.“ Na, dann. Amen.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false