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Greift Wladimir Putin zum letzten Mittel, der Atomwaffe?

© Sputnik/Mikhail Klimentyev/Kremlin via REUTERS

Gefahr eines Atomkriegs durch Putin: Die Standfestigkeit der USA und Nato bleibt so nötig wie riskant

Außenministerin Baerbock hat in New York gerade für atomare Abrüstung geworben. Die bleibt wünschenswert, ist aber nicht das Gebot der Stunde. Ein Kommentar.

Von Hans Monath

Das Plädoyer für atomare Abrüstung, das Außenministerin Annalena Baerbock gerade in New York vorbrachte, wirkte wie aus der Zeit gefallen. Denn der Westen wappnet sich gerade gegen die russische Aggression und will dabei nun wirklich keine Schwäche zeigen.

Deshalb scheint im Kampf Russlands gegen die Ukraine und ihre Unterstützer in den Nato-Staaten die Gefahr einer Eskalation bis hin zu einem Atomkrieg so hoch wie möglicherweise seit der Kuba-Krise 1962 nicht mehr. Damals stand die Welt am Abgrund.

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Baerbock hat die Konferenz auch genutzt, um wie ihr US-Kollege Antony Blinken Russlands Drohungen mit dem Einsatz von Atomwaffen anzuprangern. Wladimir Putin versicherte, er wolle keinen Atomkrieg vom Zaun brechen.

Es ist sein typische Doppelspiel: Einerseits versucht er, den Menschen in Nato-Ländern mit markigen Worten Angst zu machen und so den Spielraum ihrer Regierungen einzuengen. Auf der anderen Seite spielt er den verantwortungsvollen, gar friedliebenden Staatsmann, der für nichts etwas kann.

US-Geheimdienste sollen Putin Atomwaffeneinsatz zutrauen

Wie hoch ist die Gefahr, dass Putin auf den roten Knopf drückt? Gerade hat der US-Publizist Thomas L. Friedman – einer der am besten informierten Journalisten seines Landes – in der „New York Times“ darauf hingewiesen, dass die US-Geheimdienste es Putin zutrauen, in dem Moment taktische Atomwaffen einzusetzen, da seine militärische Niederlage sicher scheint. Dann müsste der Westen reagieren – nur wie?

Viele deutsche Nuklearwaffen- und Sicherheitsexperten kommen zu einem anderen Schluss: Ein Griff Putins zur Atomwaffe sei sehr unwahrscheinlich. Aber definitiv ausschließen wollen oder können die Kenner eine solche Radikalisierung Putins eben auch nicht.

Damit scheinen die Entscheider im Westen in einer Art Zwickmühle gefangen: Von Putins Psychospielchen dürfen sie sich nicht einschüchtern und Entscheidungen diktieren lassen. Aber auch wenn das Risiko, dass der Mann im Kreml Atomwaffen einsetzt, verschwindend klein sein sollte, dürfen sie es eben nicht vernachlässigen.

Putin wägt nach anderen Kriterien ab als der Westen

Einen Fehler sollten die westlichen Politiker allerdings nicht wiederholen – davon auszugehen, dass Putin Abwägungen nach ähnlichen Kriterien vornimmt wie sie selbst. Dass ihm das Leben seiner eigenen Landsleute egal ist, beweist er jeden Tag, indem er sie auf dem Schlachtfeld verheizt. Seine Karriere hatte 1999 einen Schub bekommen, nachdem fast 400 Russen bei Anschlägen auf Wohnhäuser getötet worden waren, die Putin den Tschetschenen zuschrieb.

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„Ich bin nicht naiv“, hat Baerbock in New York gleich mehrfach betont. Auch andere Politikerinnen und Politiker im Westen sind nicht naiv. Deshalb ist die Behauptung falsch, die Welt taumele wieder, wie vom Historiker Christopher Clark am Beispiel des Ersten Weltkriegs beschrieben („Die Schlafwandler“), ahnungslos ins Chaos.

Joe Biden hat außer dem hohen Alter nichts mit Österreichs Kaiser Franz Joseph gemeinsam, Olaf Scholz auch nichts mit dem deutschen Kaiser Wilhelm II.. Beide wissen um die Gefahr einer Eskalation bis hin zum Atomkrieg und unterstützen dennoch die Ukraine bei ihrer Verteidigung.

Egal wie stark sich der Westen Putins Gewalt entgegenstemmt: Russlands Präsident wird seine eigene Wahl treffen. Aus Angst vor seinem Griff zum letzten Mittel jetzt einer Erpressung nachzugeben, ist keine Option. Standfestigkeit bleibt so nötig wie riskant.

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