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Der Historiker Saul Friedländer spricht beim Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus zu den Abgeordneten.

© Kay Nietfeld/dpa

Update

Gedenkstunde im Bundestag: Holocaust-Überlebender Friedländer warnt vor Nationalismus

Überall auf der Welt sei der Fremdenhass auf dem Vormarsch, sagt der Historiker Saul Friedländer. Deutschland müsse für Demokratie kämpfen.

Der Holocaust-Überlebende und Historiker Saul Friedländer hat die Deutschen aufgerufen, sich gegen Hass auf Minderheiten und gegen Nationalismus zu wehren. „Antisemitismus ist nur eine der Geißeln, von denen jetzt eine Nation nach der anderen schleichend befallen wird“, sagte Friedländer in seiner Rede in der Gedenkstunde des Bundestags für die Opfer des Holocausts am Donnerstag in Berlin. „Der Fremdenhass, die Verlockung autoritärer Herrschaftspraktiken und insbesondere ein sich immer weiter verschärfender Nationalismus sind überall auf der Welt in besorgniserregender Weise auf dem Vormarsch“, sagte er.

Deutschland habe sich aus der Erfahrung der Nazi-Zeit zum starken Bollwerk gegen diese Gefahren entwickelt, sagte Friedländer, der den Holocaust im Versteck überlebte, während seine Eltern im Vernichtungslager Auschwitz ermordet wurden. Er hoffe, dass Deutschland die moralische Standfestigkeit besitze, für Toleranz und Inklusivität, Menschlichkeit und Freiheit - „kurzum für die wahre Demokratie“ - zu kämpfen, sagte der Holocaust-Forscher.

Seine komplette Rede im Wortlaut können Sie hier lesen.

Friedländer, der 1948 nach Israel auswanderte, beklagte zunehmenden Antisemitismus in Form einer Infragestellung des Existenzrechts Israels aufseiten der extremen Rechten und Linken. „Für Juden wie mich und für Juden überall, die einen eigenen Staat brauchten und ersehnten, war dessen Erschaffung lebensnotwendig“, sagte er. Das Existenzrecht des Staates zu verteidigen, sei eine grundsätzliche moralische Verpflichtung.

Der 1932 geborene Friedländer schilderte vor dem Bundestag bewegend die Geschichte seiner Familie. Das Parlament würdigte seine Rede mit stehenden Ovationen. Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) hatte zuvor gefordert, die Verbrechen der Nazis nicht in Vergessenheit geraten zu lassen. Erinnerungskultur sei Aufgabe der Zivilgesellschaft und des Staates, sagte Schäuble.

Katholisch getauft, später konvertiert

Friedländer kam am 11. Oktober 1932 in Prag als einziger Sohn von Jan und Elli Friedländer zur Welt. Seine Eltern waren nicht religiös und typische Vertreter des assimilierten jüdischen Bürgertums in Mitteleuropa, wie Friedländer später in seiner Autobiografie „Wenn die Erinnerung kommt“ schrieb. Als die Deutschen 1939 die Tschechoslowakei besetzten, flüchtete die Familie nach Frankreich.

1942 wollten die Eltern weiter in die Schweiz fliehen, wurden jedoch von Schweizer Polizisten nach Vichy-Frankreich zurückgeschickt und schließlich nach Auschwitz deportiert. Friedländer wurde erst nach dem Krieg von einem katholischen Priester über den Holocaust aufgeklärt. Seine Eltern hatten vor ihrer Flucht zugestimmt, dass ihr Sohn im Internat katholisch getauft und erzogen wurde.

Friedländer konvertierte in der Folge zum Judentum und wanderte nach Palästina aus. Dort erlebte er die Gründung des israelischen Staates. Nach einem Studium der Politikwissenschaft in Tel Aviv und Paris begann er seine akademische Laufbahn in Genf, wo er 1967 Professor wurde. Später übernahm er Geschichts-Professuren in Tel Aviv und Los Angeles. (epd)

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