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Besucher:innen in der Gedenkstätte Sachsenhausen.

© Paul Zinken/dpa

Gedenkstätten: Interesse an NS-Vergangenheit ist hoch

KZ-Gedenkstätten bekommen mehr Besuch, zwei Drittel der Jungen wollen sogar verpflichtende Besuche im Lehrplan. Die Bundesregierung will teils anders fördern.

Mehr als sieben Jahrzehnte nach dem Ende der Nazi-Herrschaft gab es in den letzten Jahren verstärkt die Sorge, wie sich die Erinnerung wachhalten und das Lernen über diese Zeit ermöglichen ließe, wenn alle Zeitzeugen tot sind und der Abstand zu damals immer größer wird. In der jüngsten Autoritarismus-Studie der Universität Leipzig war die Hälfte der Befragten der Meinung, man solle sich lieber mit dem Heute beschäftigen als mit dem NS-Horror, weitere 20 Prozent waren jedenfalls teilweise dieser Ansicht.

Gerade einmal die Hälfte der Bevölkerung hat wenigstens einmal ein ehemaliges Konzentrationslager besucht, und solche Besuche sind auch weiterhin kein selbstverständlicher Teil der Schulzeit. Nur in Bayern sind sie im Lehrplan vorgeschrieben.
Die Gedenkstätten selbst haben ohnehin viel zu wenig Platz und Personal für alle Interessierten: Wie sich bei einer Anhörung im Bundestag herausstellte, müssen Klassen, die einen oder mehrere Tage in den Gedenkstätten lernen wollen, bis zu drei Jahre warten.

Besuchszahlen seit 2010 "deutlich gestiegen"

Dabei wollen vor allem junge Leute mehr erfahren: In einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur sprachen sich 56 Prozent der erwachsenen Deutschen für mindestens einen Pflichtbesuch in einer KZ-Gedenkstätte aus, von den 18- 24-Jährigen waren es sogar 64 Prozent.

Und immer mehr Menschen, alte wie junge, kommen: In ihrer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Linksfraktion im Bundestag bestätigte die Staatsministerin für Kultur und Medien Monika Grütters (CDU), „dass die Zahl der Besucherinnen und Besucher von Gedenkstätten in dem in der Frage angegebenen Zeitraum“ – gemeint sind die letzten zehn Jahre – „deutlich gestiegen ist“.

Der Bund habe zugleich seine Förderung um fünfzig Prozent gesteigert. Es gebe, anders als von der Linken in ihrer Frage behauptet, „keine strukturelle Unterfinanzierung der von der Bundesregierung institutionell geförderten NS-Gedenkstätten und Erinnerungsorte“.

Mehr Angebote für Polizei und Bundeswehr

Auf viele Fragen der Linken-Abgeordneten Brigitte Freihold und ihrer Fraktion bleibt Grütters’ Stab naturgemäß Antworten schuldig: Sowohl zu Fragen nach Verbesserungen in der Ausbildung von Geschichtslehrerinnen und -lehrern, der Zusammenarbeit von Schulen mit historischer Forschung wie auch nach anderen Lehrplänen, die den Besuch von NS-Gedenkorten verbindlich vorschreiben, verweist man auf die Kulturhoheit der Länder: Das liege „in der Zuständigkeit der Länder“.

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Die Antwort deutet aber Veränderungen für die Zukunft an, die offenbar auch Antwort sind auf die Verwicklung von Polizeibeamten und Bundeswehrangehörigen in rechte Chats und Drohungen gegen Menschen, die ihnen politisch nicht passen: Die Bundeszentrale für politische Bildung werde sich „in den kommenden Jahren verstärkt den sog. Berufsaktiven Zielgruppen zuwenden und dies bei ihrem gedenkstättenpädagogischen Engagement berücksichtigen“, heißt es im Text.

Schon jetzt fördere der Bund in der Dachauer KZ-Gedenkstätte neue Seminarkonzepte für Soldatinnen und Soldaten. In Bergen-Belsen gebe es eigene Angebote für sie und für die Polizei.

Die meiste Lehrarbeit erbringen Nicht-Festangestellte

Die Linken-Abgeordnete Brigitte Freihold, Mitglied im Kulturausschuss des Bundestags, hält die Antwort für unbefriedigend: „Wenn die Bundesregierung ihrer gesamtgesellschaftlichen Verantwortung gerecht werden will, kann sie nicht einfach auf ihre fehlende Zuständigkeit und die der Länder verweisen“, sagte Freihold dem Tagesspiegel. Für das glücklicherweise steigende Interesse brauche es mehr Unterkünfte und vor allem mehr qualifiziertes und besser bezahltes Personal.

„Aktuell wird das Gros der pädagogischen Arbeit von Nicht-Festangestellten und Guides erbracht“, sagte sie. Auch den Schutz der digitalen Infrastruktur der Gedenkstätten nehme die Regierung nicht ernst genug und tue Hackerangriffe auf sie als Einzelfälle ab.

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