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Horst Köhler

© dpa

Gedenkfeier: Köhler kritisiert fehlende Holocaust-Kenntnisse der Jugend

Bundespräsident Horst Köhler konstatiert einen "besonders bedrückenden Befund": Der jungen Generation mangelt es an Wissen über das Naziregime und den Holocaust.

Historische Bildung sei "ein Baustein für die Humanität der Gesellschaft, in der wir morgen leben werden", sagte Horst Köhler am Dienstag beim Gedenken des Bundestages an die Opfer des Nationalsozialismus. Aus Verärgerung über frühere Veranstaltungen nahm der Zentralrat der Juden in Deutschland nicht an der Holocaust-Gedenkfeier teil.

Der Bundespräsident mahnte, die Vergangenheit dürfe nicht zum Museum werden: "Ich möchte heute das Versprechen ablegen: Wir Deutsche werden die Erinnerung an die Verbrechen des Nationalsozialismus und das Gedenken an die Opfer wach halten." Köhler, Bundestagspräsident Norbert Lammert und die Vorsitzenden der Parteien warnten vor einer Wiederkehr des Ungeistes und forderten, Extremisten entschieden entgegenzutreten.

"Wir wollen erreichen, dass die Seele jedes Menschen berührt wird vom Leid der Opfer, vom Mut der Helfer und von der Niedertracht der Täter. Das ist unser gemeinsamer Auftrag", sagte Köhler. Wer sich der eigenen Vergangenheit nicht stelle, dem fehle das Fundament für die Zukunft. Die Verantwortung aus dem Völkermord an den Juden sei Teil der deutschen Identität. "Die Trauer über die Opfer, die Scham über die furchtbaren Taten und der Wille zur Aussöhnung mit dem jüdischen Volk und den Kriegsgegnern von einst. Sie führen uns zu den Wurzeln unserer Republik."

Am 27. Januar 1945 befreit die Rote Armee Auschwitz

Die Abwesenheit des Zentralrats der Juden in Deutschland begründete sein Generalsekretär Stephan Kramer damit, dass in der Vergangenheit die Vertreter seiner Organisation kein einziges Mal begrüßt worden seien. "Es mutet schon ein wenig bitter an, dass die Überlebenden an der Spitze dieser Spitzenverbände nur als Zaungäste betrachtet werden." Links-Fraktionschef Gregor Gysi bedauerte dies und verwies darauf, dass seine Fraktion bereits 1995 einen Anstoß für diesen Gedenktag gegeben habe.

Am 27. Januar 1945 hatte die Rote Armee der Sowjetunion die Überlebenden des Konzentrationslagers Auschwitz befreit. Der nationale Gedenktag wurde 1996 vom damaligen Bundespräsidenten Roman Herzog eingeführt. 2005 erklärten die Vereinten Nationen diesen Tag zum internationalen Holocaust-Gedenktag.

"Der Name Auschwitz ist Inbegriff für die Verbrechen der Nationalsozialisten", sagte Köhler. Das Menschheitsverbrechen der Nazis habe gezeigt, "wie dünn der Firnis der Zivilisation ist, wie zweischneidig die Errungenschaften von Wissenschaft und Technik, wie zerbrechlich die kulturellen Sicherungen, auf die wir uns täglich wie selbstverständlich verlassen". Ohne Mittäter und Mitläufer, stumpfe Befehlsempfänger, bedenkenlose Profiteure und viele, die wegschauten, hätten die Nazis ihre Verbrechen nicht begehen können. Sinn des Erinnerns sei, Lehren aus der Vergangenheit zu ziehen. "Auch heute werden Menschen auf ihre Abstammung, ihre Herkunft oder andere äußerliche Merkmale reduziert und verächtlich gemacht. Auch nach Auschwitz gab und gibt es Versuche, Menschen und ganze Völker zu vernichten. In Ruanda, in Darfur, in Bosnien und anderswo."

Müntefering: "Wachsam sein und nicht schweigen"

Der Holocaust ist nach Worten Lammerts "eine immerwährende Warnung, wachsam zu sein und nicht zu schweigen, wenn wir unsere demokratischen Grundüberzeugungen oder Regeln gefährdet sehen". Der SPD-Vorsitzende Franz Müntefering erinnerte an die Verantwortung aller, den Rechtsextremismus politisch und mit allen Mitteln des Rechtsstaates zu bekämpfen. Ähnlich äußerten sich der Vorsitzende der Links-Partei, Lothar Bisky, und die Grünen-Vorsitzenden Claudia Roth und Cem Özdemir.

Köhler nannte das wiedererstandene jüdische Leben in Deutschland ein Geschenk. "Aber dass die Orte jüdischen Lebens von der Polizei vor alten und neuen Extremisten geschützt werden müssen, das ist eine Schande", sagte Köhler unter Beifall. Er forderte, Holocaust-Leugnern und Extremisten aller Art entschieden entgegenzutreten. "Wer gegen Juden und andere Minderheiten hetzt, wer anderen die Menschenwürde abspricht, hat nichts aus unserer Geschichte gelernt", sagte der Bundespräsident. Er betonte die besondere Verantwortung Deutschlands für Israel. Auch die vielen Toten und Zerstörungen des Krieges im Gaza-Streifen "sind Teil eines Teufelskreises der Gewalt, der endlich gebrochen werden muss". (mpr/dpa)

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