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Eine Gas-Station im ukrainischen Uschhorod.

© Gleb Garanich/File Photo/REUTERS

Update

Gasversorgung in Deutschland gewährleistet: Ukraine sucht laut Habeck nach neuen Wegen für Gas-Transit

Die Ukraine ist ein wichtiges Durchleitungsland für russisches Gas nach Europa. Nun wird ein Teil des Transits gestoppt – mit Verweis auf die schweren Kämpfe.

Zweieinhalb Monate nach dem Einmarsch russischer Truppen hat die Ukraine kriegsbedingt die Lieferungen von russischem Gas in Richtung Europa reduziert. Über das besonders umkämpfte ostukrainische Gebiet Luhansk floss seit Mittwochmorgen kein russisches Gas mehr in Richtung Westen, wie übereinstimmend aus ukrainischen und russischen Quellen hervorging.

Aufgrund der russischen Besatzung sei es unmöglich geworden, den Punkt Sochraniwka sowie die Verdichterstation Nowopskow zu kontrollieren, hieß es. Der Betreiber berief sich auf einen Fall „höherer Gewalt“. Sochraniwka ist Teil der Sojus-Pipeline, die vom russischen Gebiet Orenburg bis ins ukrainische Uschhorod führt.

Größere Auswirkungen auf Deutschlands Versorgung hat das nach Behördenangaben bislang aber nicht. „Die Gasversorgung in Deutschland ist stabil. Die Versorgungssicherheit ist weiterhin gewährleistet“, meldete die Bundesnetzagentur in ihrem täglichen Lagebericht.

Die Gasmengen, die über die Ukraine im bayerischen Waidhaus ankommen, seien infolge der Transit-Reduzierung gegenüber Dienstag um gut 25 Prozent zurückgegangen. „Diese Mengen werden aktuell durch höhere Flüsse insbesondere aus Norwegen und aus den Niederlanden ausgeglichen“, so die Behörde. Auch sei kein nennenswerter Anstieg der Großhandelspreise zu verzeichnen.

Die Ukraine sucht nach Worten von Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) nach neuen Transportwegen für russisches Gas nach Westeuropa. Der Ausfall sei kompensierbar, sagte Habeck. Er gehe davon aus, dass das auch über den Sommer der Fall sei.

„Die Frage ist natürlich, was kommt noch.“ Wenn auf Dauer ein Drittel fehle, „dann wird es irgendwann natürlich eine Herausforderung“. Anlass, nun eine weitere Stufe des Notfallplans Gas auszurufen, sehe er nicht.

Das Bundeswirtschaftsministerium hielt sich mit Prognosen zunächst zurück. Aktuell sei die Versorgungssicherheit in Deutschland gewährleistet, betonte eine Sprecherin.

Die Füllstände der Gasspeicher stiegen aktuell auch weiter. Aktuell seien diese zu 38,6 Prozent gefüllt. „Was jetzt morgen passiert oder in einer Woche - das ist ja noch unklar“, sagte die Sprecherin. Man könne aus der aktuellen Entwicklung noch keine Schlüsse für die Zukunft ziehen, auch Voraussagen zu Preisentwicklungen seien nicht möglich. Der Großteil des russischen Gases erreiche Deutschland ohnehin über eine andere Pipeline, Nord Stream 1.

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Gazprom betont Lieferverpflichtungen

Für die Durchleitung durch die Sojus-Pipeline in Richtung Westen wurden für diesen Tag nur noch Aufträge des russischen Energieriese Gazprom russischen Energieriesen Gazprom angenommen, bei denen Gas in eine Station auf russischem Staatsgebiet gepumpt wird, wie aus GTSOU-Daten von Mittwochmorgen hervorgeht.

Auch Nachrichtenagenturen in Moskau beriefen sich auf diese Angaben. Eine offizielle Mitteilung mit einer Bestätigung des tatsächlich erfolgten Teil-Transitstopps gab es von ukrainischer Seite zunächst nicht.

Der russische Energieriese Gazprom bestätigte, dass weniger Gas durch die Ukraine in Richtung Europa geleitet wird. „Gazprom liefert am 11. Mai russisches Gas im Umfang von 72 Millionen Kubikmetern für den Transit durch das Gebiet der Ukraine“, sagte Unternehmenssprecher Sergej Kuprijanow der Agentur Interfax zufolge. Am Vortag habe das Auftragsvolumen noch bei 95,8 Millionen Kubikmetern gelegen.

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Am Mittwochmorgen sanken die Buchungen für den russischen Gastransit über die Schlüsselroute Sochraniwka nach Europa auf null. Das geht aus Daten der GTSOU hervor.

Die nun wegfallenden Lieferungen stattdessen direkt an den Punkt Sudscha, der auf russischem Gebiet in Grenznähe zur Ukraine liegt, durchzuleiten, sei technisch nicht möglich, sagte Kuprijanow. b eine Kompensierung über ganz andere Routen möglich sei, ließ er zunächst offen. Das russische Energieunternehmen Gazprom betonte einmal mehr, alle seine Verpflichtungen gegenüber europäischen Kunden zu erfüllen.

GTSOU zufolge fließt über Sochraniwka fast ein Drittel des Erdgases, das von Russland über die Ukraine nach Europa geleitet wird.

Die Ukrainer deuteten an, dass Russen den Betrieb der Anlagen zuletzt gestört hätten. Gazprom wiederum, der zuletzt täglich fast 100 Millionen Kubikmeter Gas durch die Ukraine in Richtung Europa gepumpt hatte, erklärte, man habe „keinerlei Bestätigungen über Umstände höherer Gewalt“ erhalten. Die Ukrainer hätten in den vergangenen Wochen ganz „ungestört“ in Sochraniwka gearbeitet.

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Russische Offensive beeinträchtigt Gastransit massiv

Die vertraglich mögliche maximale Auslastung für den ukrainischen Gastransit nach Europa liegt bei 109 Millionen Kubikmetern pro Tag. Die Hauptroute für russisches Gas nach Europa ist allerdings die Ostsee-Pipeline Nord Stream 1. Russischen Angaben zufolge liefen über Nord Stream 1 zuletzt jährlich 60 Milliarden Kubikmeter Gas pro Jahr nach Europa.

Ein Ausweichen auf die fertig gestellte Pipeline Nord Stream 2, die am Ende nicht in Betrieb genommen wurde, schloss die Sprecherin des Bundeswirtschaftsministeriums aus. „Nord Stream 2 ist nach dem russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine wirklich gestorben, und da denkt jetzt keiner daran, hierauf auszuweichen.“

[Lesen Sie zudem: „Das ist jetzt doof mit der Abhängigkeit, klar“: Schwedt – die Stadt an Moskaus langer Leine (T+)]

Zweieinhalb Monate nach dem Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine hatte Moskau am Dienstagvormittag mitgeteilt, gemeinsam mit prorussischen Separatisten bis an die Verwaltungsgrenzen von Luhansk vorgedrungen zu sein.

Mehr zum Ukraine-Krieg auf Tagesspiegel Plus:

Der Chef des ukrainischen Energieversorgers Naftogaz, Jurij Witrenko, hatte jüngst gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) gewarnt, dass der Transit russischen Gases durch die Ukraine nach Westeuropa in Gefahr geraten könne, wenn Russland seine Angriffe auf die ukrainische Infrastruktur fortsetzen sollte.

Deutschland ist stark von russischem Gas abhängig. Forderungen etwa nach einem Gasembargo sind daher sehr umstritten.

[Der Ukraine-Krieg und Berlin - immer wieder Thema in den bezirklichen Newslettern vom Tagesspiegel, kostenlos bestellen unter leute.tagesspiegel.de]

Jüngsten Angaben des Wirtschaftsministeriums zufolge sank die Abhängigkeit Deutschlands von russischem Gas seit Kriegsbeginn immerhin von zuvor 55 Prozent auf etwa 35 Prozent. Bis Sommer 2024 ist demnach eine schrittweise Verringerung auf zehn Prozent des Gasverbrauchs möglich.

In der nun anstehenden wärmeren Jahreszeit wird Deutschland weniger Gas verbrauchen. Allerdings müssen die Speicher für den kommenden Winter aufgefüllt werden. Ein neues Gesetz sieht Mindestfüllmengen zu bestimmten Stichtagen vor: Am 1. Oktober eines Jahres 80 Prozent, am 1. November 90 Prozent und am 1. Februar 40 Prozent. (dpa, Reuters)

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