zum Hauptinhalt
Wenn Menschen mit Brillen und Gerätschaften in virtielle Welten tauchen, entstehen ganz neue Kulturen. Das Foto zeigt eine Präsentation auf der Messe Gamescom in Köln.

© Patrik Stollarz/AFP

Gamescom in Köln: Gesellschaft der Spieler

Das Image von Computerspielen könnte besser sein. Dabei steuern Videospieler der ersten Stunde schon aufs Rentenalter zu. Mit den Spielen und Computertechnik entstehen ganz neue Kulturen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Kurt Sagatz

Haben Sie mit der „Quizduell-App“ zuletzt gewonnen oder verloren? Hat Ihnen die Urversion der „Angry Birds“ auch am besten gefallen? Und suchen Sie auf einem neuen Computer auch immer das „Solitär“-Icon? Egal, wie die Antwort ausfällt, bereits die Beschäftigung mit diesen Fragen zeigt, dass die Unterhaltung mit interaktiven Computerspielen nicht erst bei „Assassin’s Creed“ oder „Star Wars Battlefront“ anfängt. Und dass viel mehr Menschen in der einen oder anderen Form Computerspieler sind, als sie selbst es für möglich halten.

Noch bis zum heutigen Sonntag ist Köln im Ausnahmezustand. Die Ringstraßen der Messestadt müssen in diesen Tagen regelmäßig gesperrt werden, um die Zuschauerströme zur Videospielmesse Gamescom zu bewältigen. Im vergangenen Jahr pilgerten 335.000 Spielefans an den Rhein, in diesem Jahr werden es wohl nochmals ein paar tausend mehr sein. Die einzigen, die das stört, sitzen in Leipzig. Zum Schlimmsten, was der sächsischen Stadt nach der Wiedervereinigung passiert ist, gehört sicherlich, dass die Messe die Gamescom 2009 an Köln verloren hat.

Digitale Spiele sind längst ein Volkssport - inzwischen nicht mehr nur für junge Leute

30 Millionen Deutsche spielen mehr oder minder regelmäßig digitale Spiele, ob am Fernseher auf einer TV-Konsole, mit dem Computer oder mit Tablets oder Smartphones. Tatsächlich sind Jahrzehnte nach „Pong“ oder „Tetris“ Spiele aus Bits and Bytes längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen; einige der Videospieler der ersten Stunde steuern inzwischen auf das Rentenalter zu und können ihren Enkeln von ihren „Pacman“-Tricks erzählen. Die Gamesindustrie ist inzwischen ein bedeutender Wirtschaftszweig. Am Umsatz gemessen wurde die Filmwirtschaft bereits vor Jahren überholt. In diesem Jahr setzen die Publisher und Entwicklerstudios an, die Drei-Milliarden-Euro-Umsatzmarke in Deutschland zu knacken.

Bei den Hardcoregamern stehen Actiontitel weiterhin besonders hoch im Kurs. Doch die Gleichsetzung Computer- oder Videospiel gleich gewaltdominierter Ego-Shooter war immer falsch und ist es noch. Während der Fernsehfilm fast nur noch Krimis kennt, kommt der überwiegende Teil der digitalen Spiele ohne Mord und Totschlag aus. Andere Länder haben ohnehin viel geringere Berührungsängste zu Computer- und Videospielen. Während in Deutschland das Image der Games in einigen Bevölkerungsgruppen kaum besser ist als das von Atomkraftwerken, haben zum Beispiel die Briten ein deutlich unverkrampfteres Verhältnis zu dieser Unterhaltungskultur. Es wird spannend zu beobachten sein, wie die Kulturkritik darauf reagiert, wenn in den Kinder- und Wohnzimmern Menschen mit Virtual-Reality-Brillen auf dem Kopf und vom Kopfhörer beschallt in ihre Computerwelten abtauchen.

Dabei sollten die Gefahren, die mit niemals endenden Herausforderungen wie speziell im Onlinerollenspiel „World of Warcraft“ einhergehen, keineswegs verharmlost werden. WoW, wie es die Spieler selbst nennen, hat enormes Suchtpotenzial und wird vor wichtigen Prüfungen besser vom Computer gelöscht. Dass langjähriges Ego-Shooter-Spielen ebenfalls nicht folgenlos bleibt, darüber streitet zwar die Wissenschaft. Fest steht jedoch, dass nicht nur die US-Armee Rekruten mit Ballerspielerfahrungen schätzt. Gegen eine Runde „Candy Crush Saga“ oder „Temple Run“ ist dagegen zur Entspannung nichts einzuwenden.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false