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Beamte der Spurensicherung sichern in einem Faltpavillon im August 2019 Spuren an einem Tatort im Kleinen Tiergarten.

© Christoph Soeder/dpa

Gab der Kreml den Auftrag?: Berliner Prozess zum Tiergartenmord begonnen

Die Richter sollen auch herausfinden, ob der Mord an einem Georgier im Kleinen Tiergarten im Auftrag staatlicher russischer Stellen geschah. Merkel drohte bereits mit Konsequenzen.

In Berlin hat der Prozess um den sogenannten Tiergartenmord begonnen. Angeklagt ist ein 55-jähriger Russe, der vor mehr als einem Jahr am helllichten Tag im Berliner Park Kleiner Tiergarten einen 40 Jahre alten Georgier tschetschenischer Abstammung erschossen haben soll. Die zentrale Frage, die das Kammergericht der Hauptstadt klären muss, ist, ob es ein Auftragsmord war. Der Prozess findet international große Beachtung.

In ihrer Anklage geht die Bundesanwaltschaft davon aus, dass der Angeklagte von „staatlichen Stellen der Zentralregierung der Russischen Föderation“ beauftragt wurde. Hintergrund sei „die Gegnerschaft des späteren Opfers zum russischen Zentralstaat, zu den Regierungen seiner Autonomen Teilrepubliken Tschetschenien und Inguschetien sowie zu der pro-russischen Regierung Georgiens“. 

Nach Angaben einer Gerichtssprecherin wurden für den ersten Verhandlungstag noch keine Zeugen geladen. Die ersten von ihnen sollten am Donnerstag kommen. Sie sollen zum Tatzeitpunkt in dem Park gewesen sein. Der Prozess ist zunächst bis Ende Januar terminiert.

Der Ausgang des Prozesses dürfte erhebliche Auswirkungen auf das deutsch-russische Verhältnis haben. Wegen des vermuteten politischen Hintergrundes hatte die höchste deutsche Anklagebehörde die Ermittlungen übernommen. 

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Tiergartenmord-Prozess: Nur wenige Besucher erlaubt

Die Verhandlung wird von einem Staatsschutzsenat des Berliner Gerichts geführt. Für den Prozess wurden verstärkte Sicherheitsvorkehrungen angeordnet. Kontrollen auf Waffen und gefährliche Werkzeuge sind vorgesehen. 

Die Zahl der Besucher ist auch wegen der Corona-Pandemie eingeschränkt. Die Plätze für Journalisten wurden ausgelost. Die Verhandlung im Hochsicherheitssaal wird wegen der begrenzten Presseplätze per Ton auch in einen separaten Medienraum übertragen.

Der Mörder kam mutmaßlich mit dem Fahrrad

Am 23. August 2019 soll sich der angeklagte Russe auf einem Fahrrad dem 40-Jährigen, der seit Ende 2016 als Asylbewerber in Deutschland lebte, im Kleinen Tiergarten genähert haben. Aus nächster Nähe soll er mit einer Schalldämpfer-Pistole den Mann erschossen haben. 

Der mutmaßliche Täter wurde noch am selben Tag gefasst und sitzt in Untersuchungshaft. Er soll erst kurz vor der tödlichen Attacke mit Alias-Namen nach Deutschland gekommen sein. Der 40-Jährige starb am Tatort. Er war von russischen Behörden als Terrorist eingestuft worden.

[Was ist bekannt über den Tiergartenmord? Welche Indizien sprechen gegen den Angeklagten? Was wissen Behörden über die Verwicklung staatlicher russischer Stellen? Lesen Sie hier die große Tagesspiegel-Rekonstruktion des Falles (T+)]

Merkel kündigt Konsequenzen an

Sollte es das Gericht als erwiesen ansehen, dass der Angeklagte einen Auftrag zum Töten aus Moskau bekam, wäre dies eine weitere Belastung für das ohnehin schlechte Verhältnis beider Länder. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat für diesen Fall auch Konsequenzen angekündigt.

Die Bundesregierung wirft der russischen Regierung zudem fehlende Kooperation vor. Wenige Wochen nach dem Mord wurden zwei russische Diplomaten ausgewiesen. Russlands Präsident Wladimir Putin hatte auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit Merkel den Ermordeten einen „Banditen“ und „Mörder“ genannt. Auch zwei deutsche Diplomaten wurden aus Moskau ausgewiesen. (dpa)

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