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G20-Gipfel Hamburg: Um was es geht: Der Gipfel in 20 Punkten

In Hamburg treffen sich Staats- und Regierungschefs, Demonstranten und Polizei. Ein Überblick über wichtige Themen und Fakten.

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Am Freitag beginnt in Hamburg das Treffen der großen Wirtschaftsmächte, der G-20-Gipfel. Schwierige Verhandlungen stehen bevor. Kritiker haben einen alternativen Gipfel einberufen. Die Sicherheitsbehörden wappnen sich für die bevorstehenden Demonstrationen. Wir werfen ein paar Blicke voraus.

Format aus Krisenzeiten

Die Runde der Staats- und Regierungschefs der G20 kam erstmals 2008 in Washington zusammen und trifft sich seitdem jedes Jahr. Zuvor gab es seit 1999 Treffen der Finanzminister. Mit dem ersten Gipfel in den USA reagierten die G-20-Staaten auf die Finanzkrise, die weltweite Auswirkungen hatte. Sie wollten gemeinsame Lösungen für gemeinsame Probleme finden. Der Kreis der G7 war dafür zu klein.

19 sind G20

Tagungsort ist die Hamburger Messe.
Tagungsort ist die Hamburger Messe.

© imago/Manngold

In der „Gruppe der Zwanzig“ sind die wichtigsten Industrie- und Schwellenländer der Welt versammelt. Allerdings gehören diesen G20 eigentlich nur 19 Staaten an: Argentinien, Australien, Brasilien, China, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Indien, Indonesien, Italien, Japan, Kanada, Mexiko, Russland, Saudi-Arabien, Südafrika, Südkorea, die Türkei und die USA. Der 20. Platz am Verhandlungstisch ist für die Europäische Union reserviert.

Wanderzirkus

Die G20 sind keine internationale Organisation, sondern nur ein informeller Zusammenschluss von Staaten. Deshalb haben sie nicht einmal ein ständiges Sekretariat. Die gesamte Verantwortung für den Gipfel und die Vorbereitung trägt das Land, das gerade den Vorsitz hat. Im Dezember gibt Deutschland an Argentinien ab.

Eingeladen

Außer den G20 sind fünf Gastländer dabei: Spanien, Singapur, Guinea für die Afrikanische Union, der Senegal für die Neue Partnerschaft für die Entwicklung Afrikas (Nepad) und Vietnam für die Asiatisch-Pazifische Wirtschaftsgemeinschaft (Apec). Deutschland hat als Gastgeber noch die Niederlande und Norwegen eingeladen. Internationale Organisationen sind in Hamburg auch vertreten – darunter der Internationale Währungsfonds (IWF), die Weltbank und die Vereinten Nationen.

75 Prozent des Welthandels

Die G20 vertreten fast zwei Drittel der Weltbevölkerung. In diesen Staaten werden 85 Prozent des weltweiten Bruttoinlandsprodukts erwirtschaftet, und sie realisieren drei Viertel des Welthandels.

Streitpotenzial

Beim Klimaschutz liegen die politischen Differenzen offen zu Tage, seit US-Präsident Donald Trump den Austritt aus dem Pariser Klimaschutzabkommen verkündete. Ähnlich schwierig sind die Debatten zum Thema Handel: Da bahnt sich bereits ein neuer Konflikt zwischen den USA und anderen G-20-Staaten an, falls die USA tatsächlich Strafzölle auf Stahlimporte verhängen sollten. Als drittes großes Thema mit Konfliktpotenzial gilt die Debatte um Migration und Flüchtlinge. Umgehen will Gastgeber Deutschland den vorhersehbaren Streit aber nicht.

Jenseits des Streits

In den vergangenen Wochen war viel von den großen Streitthemen Klima und Handel die Rede. Aber es gibt auch Themen, bei denen eine Einigung in greifbarer Nähe ist. So hoffen die Deutschen auf die Gründung eines Fonds zur Unterstützung von Unternehmerinnen in Entwicklungsländern – ein solches Projekt wäre das Gegenteil von „America First“, meint man in Berlin. Die Tochter des US-Präsidenten, Ivanka Trump, gilt als Befürworterin des Projekts, das beim „Women20“-Gipfel in Berlin entwickelt wurde.

Neues Thema

Erstmals soll es bei den G20 um Gesundheit gehen, um den Kampf gegen Pandemien – aber auch darum, wie künftig weniger Antibiotika verschrieben werden können. Denn Resistenzen gegen Antibiotika sind längst ein weltweites Problem.

Ein Haus für Trump

Donald Trump muss nicht zum Gipfel pendeln, obwohl er kein Hotel in Hamburg fand: Der US-Präsident kann im Gästehaus des Senats an der Außenalster wohnen. „Schwiegermüttern und US-Präsidenten“ müsse man das Gästezimmer anbieten, sagte Hamburgs Zweite Bürgermeisterin Katharina Fegebank (Grüne) dazu. Ebenfalls an der Außenalster, aber zwei Kilometer entfernt, ist Angela Merkel untergebracht – im Hotel Atlantic Kempinski. Dort logieren auch die Premiers aus Kanada und Indien.

Untergekommen

Der französische Staatspräsident Emmanuel Macron kommt in einem Hotel am Schanzenviertel unter – einer Hochburg der G-20-Gegner. Die Delegation aus Saudi-Arabien soll gleich das gesamte Hotel Vier Jahreszeiten reserviert haben, obwohl König Salman nun doch nicht selbst kommt. Weiträumig abgesperrt wird das Hotel Park Hyatt – dort logiert Russlands Präsident Wladimir Putin. Auch rund um das Hotel Sofitel, wo der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan unterkommt, könnte es stressig und laut werden.

Unverbindliche Beschlüsse

Das, was die G20 am Ende beschließen, ist rechtlich nicht bindend, es ist nur eine Absichtserklärung der beteiligten Staaten. In diesem Jahr ist anders als sonst ohnehin noch kurz vor dem Gipfelbeginn alles offen. Dennoch betonen die deutschen Gastgeber gebetsmühlenartig, das Treffen sei wichtig, der Mehrwert bestehe gerade darin, dass man miteinander redet. Trotz aller Differenzen besonders mit den USA wollen die deutschen Gastgeber am Samstag ein gemeinsam beschlossenes Abschlussdokument vorlegen können.

Showdowns am Rande

Fast so wichtig wie der Gipfel selbst sind die Gespräche am Rande. Trump trifft erstmals Putin, Merkel trifft sich schon an diesem Donnerstag mit Trump und mit Erdogan. Und mit Macron und Putin will sie über den Ukraine-Krieg reden.

Durchgezählt

Zum Gipfel werden 6000 Teilnehmer, 3000 Journalisten, 20000 Polizisten, 100000 Demonstranten und 8000 militante Linksextremisten erwartet.

Weltoffene Hansestadt Hamburg

Hamburgs rot-grüne Landesregierung hat den G-20-Gipfel begrüßt und vorab große Offenheit auch für Widerspruch proklamiert. Tatsächlich verzichtet die Polizei bei den großen Demonstrationen weitgehend auf strenge Auflagen, Veranstaltungen in offiziellen Veranstaltungsorten sind ohnehin erlaubt. Dennoch ist die Basis der Regierungsparteien wütend: Etliche Sozialdemokraten und Grüne wollen in den kommenden Tagen mitdemonstrieren. Besonders viel Kritik muss SPD-Innensenator Andy Grote einstecken. Die Gipfel-Gegner schmähen ihn als „Verbote-Grote“ und Fans des FC St. Pauli fordern, seine Mitgliedschaft im Verein zu beenden.

Offene Türen

Viele Besucher und Gegner des Gipfels haben sich per Internet vernetzt und private Übernachtungen oder günstige Hotelzimmer organisiert. Das Schauspielhaus am Hauptbahnhof hat in der Nacht zu Mittwoch Demonstranten im Foyer übernachten lassen. Die St.-Johannis-Kirche wurde von Campern überrumpelt, die ihren Park besetzten. Kirche und G-20- Gegner kommen aber nach eigenem Bekunden ganz gut miteinander aus. Auch in der St.-Pauli-Kirche dürfen sie Garten, Toilette und Küche nutzen.

Gestörter Alltag

Das Hauptproblem der Hamburger sind immense Verkehrsbehinderungen und Sperrungen, weniger die befürchteten Krawalle. Viele Einzelhändler und Restaurants bleiben einfach geschlossen, auch die Post dürfte nicht überall verlässlich kommen. Viele Hamburger wollen übers Wochenende verreisen und entschuldigen ihre Kinder in Schulen und Kindergärten. Im Konzerthaus „Docks“ und im „St. Pauli Theater“ finden keine Vorstellungen statt. Auch Elton John kann am Samstag nicht in Hamburg auftreten: Sein Flugzeug bekommt keine Landeerlaubnis.

Hier wird US-Präsident Donald Trump wohnen.
Hier wird US-Präsident Donald Trump wohnen.

© dpa

Kunst und Gewalt

Eigentlich ist beim Protest gegen den Gipfel und die internationale Politik alles dabei, was Lehrbücher, Erfahrung und Fantasie der Protestierenden hergeben: Von kreativen Plakat- Wettbewerben über Kunstaktionen und Vortragsveranstaltungen bis zur Androhung roher Gewalt. Am Dienstag versammelten sich hunderte Menschen „Am neuen Pferdemarkt“ zum „hedonistischen Massencornern“, also demonstrativem Rumstehen an Straßenecken. Am Mittwoch schwärmten „1000 Gestalten“ in Kostümen aus Lehm und Schlamm von einem zentralen Platz in die Stadt. Autonome Linksextremisten könnten auch Brandflaschen und Sprengkörper einsetzen oder den Hafen blockieren.

"Schwarzer Block"

Die Autonomen haben für die Demonstration „Welcome to Hell“ einen der „größten schwarzen Blöcke, die es je gegeben hat“ angekündigt. Sprecher der Szene schlossen Gewalt während und nach dem Aufzug nicht aus. Die Polizei stellt sich auch auf den Bau von Barrikaden ein, mit denen die Autokolonnen der Teilnehmer des Gipfels aufgehalten werden sollen. Erwartet werden auch Angriffe auf die Infrastruktur – etwa den öffentlichen Nahverkehr oder die Kommunikation.

Polizeitaktik

Die Polizei setzt auf null Toleranz bei Gewalt. Die autonome Zeltstadt „Antikapitalistisches Camp“ für 10000 Leute wurde verhindert – das Oberverwaltungsgericht erlaubte am Mittwoch immerhin 300 Schlafzelte. Die Demo „Welcome to Hell“ begleiten Einsatzkräfte und Wasserwerfer eng.

In Hörweite

Die Abschlusskundgebung „Grenzenlose Solidarität statt G20“ am Samstag kann am Millerntorplatz stattfinden, der nur einige hundert Meter von den Messehallen entfernt liegt. Auch der Begrüßungs-Umzug der Gegner-Initiative „Welcome to Hell“ am Donnerstag darf sich dem Tagungsort nähern. Letztlich werden Gipfel-Teilnehmer und -Gegner einander aber vor allem über die Medien wahrnehmen. Wie die offiziellen Gipfel-Teilnehmer setzt auch der Protest auf starke Bilder.

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